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Schauspieler*innen wagen massenhaftes Coming-out: Wir sind queer!

Parallel zum Gruppen-Interview erscheint ein Manifest, das u.a. Jannik Schümann, Mark Waschke und Maren Kroymann unterschrieben haben

Coming-out
Karin Hanczewski und Godehard Giese wagen mit vielen anderen Kolleg*innen des Coming-out (Fotos: ARD)

Sechs Schauspieler*innen aus Deutschland kommen zum Interview zusammen und outen sich – als ­lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär, trans – und fordern von ihrer Branche und der deutschen Gesellschaft, Diversität stärker sichtbar zu machen.

Carolin Emcke hat die Schauspieler*innen interviewt, die auch schon 2014 das Überraschungsinterview mit Thomas Hitzlsperger in der ZEIT führte, mit dem sich der Ex-Nationalspieler einst outete. Jetzt sprach sie für die SZ (bezahlpflichtiger Artikel) mit Jonathan Berlin, Eva Meckbach, Tucké Royale, ­Karin Hanczewski, Godehard ­Giese und Mehmet Ateșc̦i. Sie alle reden über die Angst – ihre eigene Angst und die von Kolleg*innen, und die wollen sie anderen Queers nun nehmen.

«Eine Freundin von mir hat wahnsinnig Angst vor aller Ablehnung, weil sie bei ihren Eltern homophobe Erfahrungen gemacht hat», erzählt zum Beispiel Eva Meckbach. Sie ist aktuell in der ­Netflix-Serie «Criminal» von ­Oliver Hirschbiegel zu sehen.

«Das ist einerseits sehr individuell. Das ist ihr so eingebrannt, dass sie sagt: Ich schaffe das einfach nicht! Eine andere Freundin von mir sagt: Ich glaube, ich werde irgendwann diesen Schritt gehen, aber ich kann ihn noch nicht gehen, denn wenn ich ihn jetzt mit euch gehe, überhole ich mein eigenes inneres Tempo.»


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Auch Godehard Giese («Babylon Berlin») outet sich mit Interview. «Jede*r von uns hat in irgendeinem Lebens­bereich schon ein Coming-out hinter sich, vor Freund*innen, Familie oder auch Kolleg*innen. Aber wir sind mit unserer ­sexuellen Identität in der Öffentlichkeit nicht sichtbar.» Es werde immer angenommen, man gehöre zur Norm, so Giese. Er hatte 2020 den hessischen Filmpreis für seine Rolle in «Unschuldig» erhalten – eine Heterorolle, warum auch nicht?

«Die These, ein Schwuler kann keinen Hetero spielen, oder eine Lesbe kann keine Frau spielen, die Männer begehrt, die ist ja sowieso schon widerlegt, dadurch, dass wir jetzt hier sitzen und alle schon eine Historie in unserem Beruf haben», sagt Giese in dem SZ-Interview.

Der Schauspieler meint: «In dem Moment, wo du wahrhaftiger mit dir selbst bist, bist du natürlich auch wahrhaftiger mit den Rollen, mit denen du dich befasst.»


Seine Kollegin Karin Hanczewski (seit 2016 ermittelt sie im «Tatort Dresden») erzählt, dass sie mit Giese vor anderthalb Jahren auf einem Filmfestival war, wo sie einen Film im Wettbewerb hatten. «Ich hatte meine Freundin dabei. Ich wusste, es wird einen roten Teppich geben, es werden Fotos gemacht. Meine damalige Agentin riet mir, es sei besser, wenn ich meine Freundin nicht mit auf den roten Teppich nähme.»

Andere könnten ihre Partner*innen mitnehmen, aber eben nicht, wenn er oder sie homosexuell ist. «So entstand die Idee, dass wir uns outen und dass wir das nicht zu zweit machen, sondern dass wir da ganz, ganz viele Leute solidarisch in eine Gruppe holen. Uns ging es nicht um ein privates Bekenntnis, denn es gibt ja gar nichts zu bekennen. Unser Privatleben soll auch weiter privat bleiben.» Aber man wolle jetzt an die Strukturen ran und einen Impuls zur Veränderung setzen, so Hanczewski.

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Mehmet Ateşçi, der u. a. im Kinofilm «Nur eine Frau» von Sherry ­Hormann zu sehen war, sagt, er habe sich als junger Heranwachsender Verbündete gewünscht – und das möchte er selber nun sein. «Wenn ich mir den Markt anschaue an Film- und Theaterprodukten, fühle ich mich ausser in der sogenannten LGBTQ-Nische nicht repräsentiert.»

Kai Pieck, Initiator der Queer Media Society, ein Netzwerk queerer Medienschaffender, freut sich über Aktion und unterstützt die Initiative #actout, die mit einem gemeinsamen Manifest verbunden ist. «Als Godehard und Karin mir vor eineinhalb Jahren von ihrer Idee berichteten, habe ich sofort unsere Unterstützung zugesagt. Denn genau das war eine meiner ersten Ideen, als ich 2018 die QMS initiiert habe. Alleine schon jemandem zu raten, sich im Branchenkontext nicht zu outen, ist ein diskriminierender Vorgang.»

Er hoffe sehr, so Pieck gegenüber MANNSCHAFT, dass diese Aktion sowohl die Branche als auch die zahlreichen noch ungeouteten Kolleg*innen wachrüttelt. «Er sei extrem stolz auf alle, die damit ihren ersten Schritt an die Öffentlichkeit getan haben, und auf alle anderen, die solidarisch mit unterzeichnet haben.»

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In dem Manifest, das u.a. Jannik Schümann, der sich erst Weihnachten geoutet hatte (MANNSCHAFT berichtete), Mark Waschke, Maren Kroymann und über 180 ihrer Kolleg*innen unterschrieben haben, heisst es:

«Wir sind Schauspieler*innen. Wir müssen nicht sein, was wir spielen. Wir spielen, als wären wir es – das ist unser Beruf. Wir spielen Ehefrauen und Familienväter, Liebende und Staatsleute, Sympathieträger*innen und Ekel. Und häufig auch Figuren, mit deren Überzeugungen wir privat nie übereinkämen. Dabei können wir Mörder*innen spielen, ohne gemordet zu haben. Wir können Leben retten, ohne Medizin zu studieren. Wir können Menschen mit anderen sexuellen Identitäten spielen, als die, die wir leben. Und wir tun es längst, die ganze Zeit schon, weil es unser Beruf ist.»

Damit reagieren die Unterzeichnenden auf Forderungen etwa aus Grossbritannien, dass schwule Rollen nur von Schwulen gespielt werden sollten (MANNSCHAFT berichtete).


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