Erster offen schwuler Superintendent tritt überraschend zurück
Um als Pfarrer offen schwul zu leben, musste Lars Müller-Marienburg von Bayern nach Niederösterreich ziehen
Lars Müller-Marienburg setzt sich in Österreich für queere Themen ein. Nun legt er sein Amt aus persönlichen Gründen nieder.
Keine andere queere Person hat es in Österreich unter den christlichen Kirchen so weit nach oben geschafft wie der offen schwul lebende Superintendent von Niederösterreich, Lars Müller-Marienburg. Seine Amtseinführung vor genau sieben Jahren wurde im Österreichischen Fernsehen live übertragen. Der 46-jährige Theologe, der in Ansbach (Deutschland) geboren wurde, setzt sich in Österreich immer wieder für queere Anliegen ein.
Jetzt legt Müller-Marienburg sein Amt nieder. In der offiziellen Mitteilung der Evangelischen Kirche in Österreich ist von «persönlichen Gründen» die Rede. Auf Facebook schrieb der Theologe, dass «wegen Burnout und Depression Superintendentsein einfach nicht mehr ging». Es habe sich gezeigt: «Nur Larssein ist schön – und gar nicht beängstigend. Jetzt, da es mir viel besser geht, habe ich beschlossen, auch in Zukunft nur Lars zu sein.» In den sozialen Medien wünschten ihm viele Menschen alles Gute.
Insbesondere sein Einsatz gegen jegliche Form der Diskriminierung in der Gesellschaft bleibt vorbildhaft
Auch die offiziellen Stellungnahmen von kirchlichen und staatlichen Vertreter*innen waren von Mitgefühl und Respekt geprägt. Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour, die als höchste weltliche Repräsentantin gemeinsam mit dem Superintendenten die Diözese vertritt, bedauerte den Rücktritt «ausserordentlich». Durch seine «hervorragende Führungskompetenz und seine Motivationsfähigkeit» sei es Müller-Marienburg gelungen, viele junge Pfarrer*innen für den Dienst zu begeistern. Malekpour: «Sein besonderes Augenmerk und sein Einsatz galt stets der Jugendarbeit, die so in unserer Superintendenz nachhaltig gestärkt wurde.»
Der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Michael Chalupka, sagte, die Stimme des niederösterreichischen Superintendenten werde der Evangelischen Kirche in Österreich fehlen. «Insbesondere sein Einsatz gegen jegliche Form der Diskriminierung in der Gesellschaft bleibt vorbildhaft», so Chalupka. Auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bedankte sich bei Müller-Marienburg. «Wir haben immer ein vertrauensvolles Miteinander gepflegt», betonte die konservative Politikerin. Die Evangelische Kirche wird den Zeitpunkt des Abschiedsgottesdienstes sowie den Weg zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers in den nächsten Tagen festlegen.
In unzähligen Interviews und Medienauftritten sprach Müller-Marienburg offen über seine Homosexualität. Er hatte sein Coming-out mit 18 Jahren. Während des Theologiestudiums in München lernte er einen offen schwul lebenden Pfarrer kennen. Dies zeigte ihm, dass es möglich sei, Pfarrer und schwul zu sein. Allerdings musste er deswegen von Bayern nach Österreich ziehen. Denn in Bayern durfte er damals nicht mit seinem früheren Partner im Pfarrhaus leben.
Müller-Marienburg ist für viele queere Menschen in Vorbild. Denn er hielt seine Homosexualität nie versteckt. Somit wussten alle Menschen, die ihn 2016 zum Superintendenten von Niederösterreich gewählt haben, wofür er steht. Müller-Marienburg sparte auch nicht mit Kritik an der Kirche. Er sagte, dass queere Menschen oft von konservativen Vertreter*innen der Kirche als etwas Böses dargestellt wurden. Daher seien viele queere Menschen gezwungen gewesen, ein Doppelleben zu führen. Müller-Marienburg warb dafür, dass queere Menschen in der Evangelischen Kirche willkommen sind.
Der Superintendent meldete sich immer wieder zu Wort, wenn es um Diskriminierung von queeren Menschen ging – wie zum internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und queere Menschen lebten in Österreich «auf der ‚guten‘ Seite der Welt», so der Superintendent. Ihnen drohe – anders als in vielen Teilen der Erde – weder Gefängnis- noch Todesstrafe. Zugleich betonte Müller-Marienburg, „«sind wir erst am Ziel, wenn kein Jugendlicher und keine Jugendliche mehr Angst vor Ausgrenzung oder Herabwürdigung» durch Freund*innen, Schulkolleg*innen, Lehrpersonen oder die eigene Familie haben müsse. Gleichberechtigung sei erst dann gegeben, «wenn man sich nicht mehr Gedanken machen muss, an welchen Orten man mit einem Menschen Hand in Hand geht – und wo besser nicht.»
Mehr: #OutInChurch wird in Wien geehrt (MANNSCHAFT berichtete)
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