Schwulem Asylsuchenden droht Abschiebung in Verfolgerstaat
LSVD fordert Bundesinnenministerin Faeser zum Eingreifen auf
Ein schwuler Asylsuchender soll in Kürze in einen sogenannten «Verfolgerstaat» abgeschoben werden, teilte der Lesben- und Schwulenverband Deutschland diese Woche mit. Er fordert Bundesinnenministerin Faeser auf, das zu verhindern.
In einer Pressemitteilung des LSVD heisst es: «Demnächst wollen die deutschen Behörden A. von seinem langjährigen Partner trennen und in sein Herkunftsland abschieben. Homosexualität wird dort geächtet, und der Staat droht mit drakonischen Haftstrafen.»
Um welches Land es sich handelt, werde nicht mitgeteilt, um A. zu schützen, heisst es. Auch das konkrete Verwaltungsgericht sowie Details zur geplanten Abschiebung würden aus diesem Grund nicht genannt.
Patrick Dörr, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD, sagt: «Sowohl der negative BAMF-Bescheid als auch das negative Verwaltungsgerichtsurteil strotzen (…) vor Begründungen, die gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichtes verstossen.»
Deshalb solle Bundesinnenministerin Faeser und das BAMF die geplante Abschiebung stoppen und A. und seinem Partner die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen. (MANNSCHAFT berichtete über eine neues «Safe House» für queere Geflüchtete in Frankfurt.)
Verfassungswidrige Praktiken «Wenn die neue Bundesregierung ihren queerpolitischen Aufbruch ernst meint, darf sie queere Geflüchteten nicht länger in Verfolgerstaaten abschieben», so Dörr. «Der Fall von A. steht exemplarisch für europarechts- und verfassungswidrige Praktiken von BAMF und Gerichten, mit denen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Geflüchtete regelmässig zu kämpfen haben. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Asylverfahren für queere Verfolgte zu überprüfen. Das BAMF muss sich endlich an geltende Rechtsprechung halten und queeren Geflüchteten ein faires Asylverfahren gewährleisten.»
Auf der LSVD-Homepage wird der Fall von A. ausführlich dokumentiert. Dort liest man, A. und sein Partner hätten sich aus «Angst, Scham und Unwissenheit» in ihrem ersten Asylverfahren nicht geoutet. Erst nachdem A.’s Partner im Integrationskurs erfahren habe, dass Lesben und Schwule in Deutschland gleiche Rechte haben, hätten sie ein erneutes Verfahren beantragt, ein sogenanntes Asylfolge-Verfahren. (MANNSCHAFT berichtete über das EuGH-Urteil zum sogenannten «Diskretionsgebot» im Zusammenhang mit queeren Geflüchteten.)
Das BAMF entschied im November 2019, dass es A.‘s Asylfolgeantrag als unzulässig ansehe. Beide Partner klagten daraufhin vorm zuständigen Verwaltungsgericht. Während dieses A.‘s Partner im Rahmen seines Folgeverfahrens zumindest das Vorliegen von Abschiebehindernissen bescheinigte, lehnte es A.’s Asylgesuch ab.
«Grobes Verschulden»? Die Ablehnung und das negative Urteil von BAMF bzw. Verwaltungsgerichts würden «auf europarechtswidrigen Argumentationen» basieren, schreibt der LSVD. «Im Kern begründet das BAMF den negativem Asylbescheid für A. damit, dass der Asylfolgeantrag innerhalb einer 3-Monatsfrist hätte gestellt werden müssen. Die Anwendung solcher Fristen mit Bezug auf Asylfolgeverfahren hat der Europäische Gerichtshof inzwischen längst für unzulässig befunden.»
Zudem trage A. laut BAMF ein «grobes Verschulden» dafür, dass er sich nicht schon vorher gegenüber BAMF und Gerichten geoutet habe.
Das BAMF befand, A.‘s Aussagen «überzeugen nicht», seien «nicht tragfähig» und «nicht glaubhaft». Der LSVD zeigt sich entsetzt darüber, auf welch menschenverachtende Weise das BAMF A.’s Motivation für einen Asylfolgeantrag mit dem Begriff «asyltaktisch» einordnet.
Nicht-Ausleben von Homosexualität führe zu keinem «innerern Konflikt» Gemäss den vom LSVD veröffentlichen Urteilsauszügen kam das Gericht am selben Tag bei A. zu einem anderen Ergebnis als bei seinem Partner, dem es Abschiebehindernisse zugestand. Bei A. gab sich das Gericht nicht davon überzeugt, dass das Nicht-Ausleben der Homosexualität in seiner Heimat ihn «in einen inneren Konflikt» bringen würde. (MANNSCHAT berichtete über den Kampf eines schwulen Nigerianers, den das BAMF abschieben wollte.)
«Dabei handelt es sich um einen Satz, wie ihn auch viele deutsche Schwule, die bei ihren Freund*innen, Familien oder auf der Arbeit geoutet sind, hätten sagen können», schreibt der LSVD. «Hinzu kommt, dass im Kontext der Anhörung naheliegt, dass er sich offensichtlich vor allem auf A.’s Situation in einer Sammelunterkunft bezieht: Während beide Antragsteller ihre Ängste vor einem Outing gegenüber Landsleuten vor allem in der Unterkunft zum Ausdruck gebracht hatten, hatten sie ebenso das Gericht wie vorher das BAMF darüber informiert, dass sie an CSDs teilnehmen und Beratungsangebote der LSBTI-Community aufsuchen.»
Das Urteil verkenne vollkommen, dass A. somit von seinem Partner, mit dem er seit sieben Jahren ein Paar ist, getrennt werde, kritisiert der LSVD. «Das Recht von A. und seinem Partner auf Partnerschaft und Familie, verbrieft im deutschen Grundgesetz wie auch der Europäischen Menschenrechtskonvention, wurde dabei – so ist es leider gang und gäbe bei queeren Asylgesuchen – von den deutschen Behörden ohnehin nicht geprüft.»
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