Scham und Stigma – Die Sucht nach Chemsex
Sexuelle Befreiung mittels Drogenkonsum? Ein Buch aus den USA gibt Aufschluss darüber, dass sich dahinter oft ein tief liegendes Stigma- und Schamerlebnis verbirgt.
Chemsex nimmt immer mehr zu. Der Begriff beschreibt den Konsum von chemischen Substanzen beim Sex unter meist schwulen Männern. Mit den Substanzen, die oft auf Partys eingenommen werden, können die Männer stundenlang hemmungslosen Sex haben. Die Doku «Chemsex – warum einige Schwule auf Drogen Sex haben» war im vergangenen Jahr Thema im Stuttgarter Landtag (MANNSCHAFT berichtete).
Im deutschsprachigen Raum gibt es dazu wenig Literatur. Daher wurde nun das Buch des US-Psychotherapeuten David Fawcett ins Deutsche übersetzt. «Ein Buch für alle, die im therapeutischen Kontext mit Methkonsum zu tun haben, aber auch für schwule Männer, die auch ohne Drogenkonsum eine erfüllende Sexualität erleben wollen», so schreibt es der deutsche Verlag.
Fawcett ist ein Experte auf diesem Gebiet. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren mit schwulen Männern, die süchtig geworden sind. Er hat auch seine Doktorarbeit darüber geschrieben. Ein grosser Dank gebührt auch dem Übersetzer Karl Anton Gerber, der früher als Marketingführungskraft beim TV-Sender RTL arbeitete. Gerber konsumierte Crystal Meth und durchlief ein Entwöhnungsprogramm. Er las dabei dieses Buch in englischer Sprache und möchte es mit der deutschsprachigen Übersetzung anderen Menschen zugänglich machen.
Gerber ist selbst schwul und machte in seinem Leben immer wieder Erfahrungen der Ausgrenzung. Er schreibt im Vorwort, dass sein Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung «komplett durch die Substanz und durch den Substanzkonsum und die Konsumerlebnisse konterkariert» worden sei. Seine Jagd nach sexueller Erfüllung sei mit Drogen immer verzweifelter geworden. Das Buch ist leicht verständlich geschrieben und liefert wertvolle Einblicke.
Besonders interessant sind die Fallgeschichten. Sie belegen, dass hinter dem Drogenkonsum oft ein tief liegendes Stigma- und Schamerlebnis liegt. Bei der Genesung geht es unter anderem darum, dass betroffene Männer einen Zugang zu den eigenen Gefühlen finden und sich mit verdrängten Themen wie Scham und Ausgrenzung auseinandersetzen. Das Buch ist als Leitfaden für betroffene Männer gedacht aber auch für Menschen, die sie beraten und behandeln.
David Fawcett: Lust, Rausch und Crystal Meth. Psychiatrie Verlag, Göttingen 2022.
Das könnte dich auch interessieren
HIV, Aids & STI
«Die sexuelle Gesundheit unserer Community steht auf dem Spiel»
Am Dienstag setzten Vertreter*innen von 48 Organisationen ein Zeichen gegen die geplanten Kürzungen bei der Prävention im Bereich der sexuellen Gesundheit. Vor Ort war auch Andreas Lehner, Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz.
Von Greg Zwygart
Politik
Schweiz
Gesundheit
Serie
Endlich! Dauer-Soap «Reich und Schön» zeigt einen schwulen Kuss
Die US-Soap «The Bold & The Beautiful», hierzulande bekannt unter dem Titel «Reich und Schön», bricht TV-Tabus. Mit ziemlicher Verspätung!
Von Newsdesk Staff
TV
Schwul
Liebe
Buch
Warum verehrte eine lesbische Frau Adolf Hitler?
Wie kann sich eine lesbische Frau mit Hitler und den Nazis identifizieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine lesenswerte Biografie über Stephanie Hollenstein, Hitlers queere Künstlerin.
Von Christian Höller
Lesbisch
Geschichte
Österreich
Kultur
Buch
Autor Ken Follett erzählt homosexuelle Sex-Szenen in der Jungsteinzeit
Der neue Roman des Bestseller-Autors spielt in der Jungsteinzeit, Frauen haben das Sagen und es gibt freie Liebe. «Aktuelle Bezüge herzustellen, war keine Absicht», sagt der 76-jährige Ken Follett.
Von Newsdesk/©DPA
Schwul
Geschichte