Bei HIV sowie trans & inter: Polizei soll weniger diskriminieren
Ein Gericht untersagt, HIV-positive Bewerber*innen pauschal abzulehnen - und trans und inter Menschen bekommen 2020 Zugang zum Polizeidienst
Die Polizei darf HIV-positive Bewerber*innen nicht pauschal ablehnen, entschied jetzt das Verwaltungsgericht Hannover. Auch für trans und inter Menschen, die zur Polizei wollen, soll sich die Situation bald verbessern.
Ein HIV-positiver Mann, der sich Ende 2016 als Polizeikommissar-Anwärter beworben hatte, hatte geklagt. Seine Infektion wird, wie bei den allermeisten Menschen mit HIV, erfolgreich behandelt, HIV ist bei ihm daher auch nicht mehr übertragbar; in alltäglichen Situationen besteht sowieso kein Risiko. Das fand auch das Verwaltungsgericht Hannover.
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«Wir freuen uns sehr über dieses Urteil», erklärte Ulf Kristal vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH). «Es macht unmissverständlich deutlich: Die Benachteiligung HIV-positiver Menschen in Bewerbungsverfahren ist unzulässig, denn es gibt dafür keinen vernünftigen Grund. Das müssen nun alle Bundesländer akzeptieren und den ungerechtfertigten Ausschluss HIV-positiver Menschen vom Polizeidienst beenden.»
Das Gericht stellte vergangene Woche auf Basis medizinischer Gutachten fest, dass von dem Mann im Polizeidienst keine Gefahr für andere ausgehen würde und dass er den Anforderungen des Jobs voraussichtlich bis zum Rentenalter gesundheitlich gerecht werden könne.
«Nicht von Menschen mit HIV geht Gefahr aus, sondern von falschen Vorstellungen bezüglich der Übertragbarkeit und Diskriminierung. Stigmatisierung trägt zu Tabus bei und schreckt viele Menschen vom HIV-Test ab – und damit von einer wirksamen Behandlung», so DAH-Vorstand Kristal.
Das Land Niedersachsen will Berufung einlegen, teilte der Anwalt des Klägers mit. Kristal forderte das Land Niedersachen auf, dieses Urteil jetzt zu akzeptieren. Auch in der nächsten Instanz gelten wissenschaftliche Tatsachen. Irrationale Übertragungsängste zu schüren, schadet hingegen Menschen mit HIV ebenso wie der HIV-Prävention. Das Verfahrens weiter zu betreiben, würde eine völlig falsche Botschaft vermitteln. Wir appellieren daher eindringlich: Beenden Sie das unwürdige Schauspiel, indem Sie erklären: Wir haben etwas dazugelernt.»
Und noch eine gute Nachricht gibt es für angehende Polizisten: Die umstrittene Polizeidienstvorschrift 300 (PDV 300) soll überarbeitet werden; darin sind bisher noch die zum Ausschluss von der Polizeidiensttauglichkeit führenden Kriterien «Verlust oder ein diesem gleichzusetzender Schwund beider Hoden» (PDV 300, 10.3.1) sowie das der Notwendigkeit eines intakten andrologischen bzw. gynäkologischen Hormonsystems (PDV 300, 10.3 bzw. 10.4) enthalten; diese sollen gestrichen werden. Bekannt ist das schon seit Ende 2018, nun aber gibt es einen genaueren Zeitplan.
Überarbeitete PDV 300 kommt Mitte 2020 Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage des LGBTIQ-Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Brandenburg, hervor. Das Innenministerium teilt kürzlich mit, der Arbeitskreis II „Innere Sicherheit» der Ständigen Konferenz der Innenminister und -Senatoren der Länder habe in seiner 257. Sitzung am 10. und 11. April 2019 in Warschau den Abschlussbericht der AG Überarbeitung der PDV 300 und die Anlage PDV 300 neu zur Kenntnis genommen.
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«Er hat die Vorschriftenkommission beauftragt, auf der Grundlage des Berichts und der Anlage die PDV 300 zu überarbeiten. Die Vorschriftenkommission befindet sich derzeit in der Prüfung der überarbeiteten PDV 300. Das Ergebnis der Prüfung wird in der nächsten Sitzung im November 2019 vorgestellt», heisst es. Anschliessend werde die Abstimmung zwischen Bund und Ländern eingeleitet. Somit könne mit einem Inkrafttreten der überarbeiteten PDV 300 Mitte 2020 gerechnet werden.
Die angekündigte Streichung der diskriminierenden Kriterien in der PDV 300 muss nun schnell umgesetzt werden.
«Gute Polizeiarbeit hängt weder von Geschlechtsteilen, noch von einem geschlechtsspezifischen Hormonsystem ab», erklärte Brandenburg. «Es ist wichtig, dass die Innenminister das endlich erkannt haben. Trans- und intergeschlechtliche Menschen bekommen damit endlich Zugang zum Polizeidienst. Die angekündigte Streichung der diskriminierenden Kriterien in der PDV 300 muss nun schnell umgesetzt werden.»
Damit sei es aber nicht getan: An der Akzeptanz von trans und inter Polizeikräften müssten Politik, Polizeibehörden und die Öffentlichkeit weiter mit aller Kraft arbeiten, so der FDP-Politiker.
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