Bern Pride: Polizei für «präventives Filmen» kritisiert
Ohne konkrete Anhaltspunkte auf mögliche Straftaten ist diese Massnahme nicht erlaubt
Aus Sicherheitsgründen wurde die Bern Pride von einem Videofahrzeug der Kantonspolizei begleitet. Nicht alle Besucher*innen waren darüber erfreut. Was geschieht nun mit diesen Daten?
Bern verwandelte sich für vier Tage in ein buntes Farbenmeer: Die Stadt schmückte sich anlässlich der Eurogames und der Bern Pride mit 260 Regenbogenflaggen. Zudem wurden Sitzbänke passend dazu umlackiert und es sausten regenbogenfarbene «Publi Bikes» umher. Dieses bunte Treiben sorgte online im Vorfeld der Veranstaltung für homophobe Hasskommentare. Deshalb hat die Kantonspolizei Bern die Pride-Demo und auch das anschliessende Fest auf dem Bundesplatz am vergangenen Samstag sehr genau beobachtet.
«Intensiv gefilmt» Manchen Pride-Besucher*innen ging die Überwachung des Grossanlasses aber schon fast etwas zu weit. Wie der Berner SP-Stadtrat und Anwalt Dominic Nellen der Berner Zeitung berichtete, seien sehr viele Polizist*innen in Zivil unterwegs gewesen, was er als «störend» empfunden habe. Zudem habe die Polizei «sehr intensiv gefilmt».
Von einer «massiven Präventiv-Filmerei» schrieb auch der Berner Grossrat Manuel C. Widmer (Grüne Freie Liste) in einem kritischen Tweet. Während des Umzugs sowie beim Fest auf dem Bundesplatz seien alle gefilmt worden. Er fragt: «Wann werden die Daten gelöscht?»
Die Kapo Bern antwortete auf den Tweet folgendermassen: «Um die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten (Crowdmanagement/Übergriffe auf TN), stand nach Absprache mit dem Veranstalter ein Videofahrzeug im Einsatz. Bei keinen Vorfällen werden die Daten spätestens 100 Tage nach dem Einsatz gelöscht.»
Mögliche Gefahr aus Publikum Die Berner Kantonspolizei bestätigt auf Anfrage der Berner Zeitung, dass an der Pride ein Filmfahrzeug im Einsatz gewesen und mit dem Umzug mitgefahren sei. Die Aufnahmen seien präventiv gemacht worden, sagt Mediensprecherin Magdalena Rast.
Ohne konkrete Anhaltspunkte auf mögliche Straftaten ist diese Massnahme jedoch eigentlich nicht erlaubt. «Aufgrund von Erfahrungen aus dem Ausland und der sensiblen Thematik ist eine mögliche Gefahr aus dem Publikum nicht auszuschliessen gewesen», erklärt Rast. Die Polizei habe in Absprache mit den Veranstalter*innen gefilmt.
Löschungsprozess genau geregelt Gemäss Gesetz müssen die Aufnahmen nach spätestens 100 Tagen vernichtet werden, wenn bis dahin keine Strafanzeige im Zusammenhang mit den Anlässen eingegangen ist.
Auch der kantonale Datenschutzbeauftragte Ueli Buri versichert gegenüber der BZ, dass die an der Pride gefilmten Personen jetzt nicht für immer und ewig bei der Kapo gespeichert blieben. Die Prozesse zum Löschen der Daten seien genau geregelt. Zudem hätten nur wenige bei der Polizei Zugang zum Material.
Grössere Probleme andernorts In anderen Ländern würde man die Datenschutzbedenken der Schweizer Community vermutlich schon fast als «Luxusproblem» abtun. In Serbien etwa konnte im September 2022 die Europride nur dank eines massiven Polizeiaufgebotes überhaupt durchgeführt werden. Zuvor forderten 145 EU-Abgeordnete, die Sicherheit der Veranstaltung mit Polizeischutz zu gewährleisten (MANNSCHAFT berichtete).
Die türkische Polizei geht gar regelmässig aktiv gegen Teilnehmende vor: In Istanbul sind nach Angaben der Veranstalter*innen mindestens 93 Menschen im Zuge der diesjährigen Pride Parade festgenommen worden (MANNSCHAFT berichtete).
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