Performance statt Party: Zum Konzert von Christine and the Queens
Ein faszinierender Abend, fast ohne Hits
Es war das einzige Deutschland-Konzert der «Paranoïa, Angels, True Love»-Tour: Am Donnerstag spielten Christine and the Queens in der Verti Music Hall in Berlin
Héloïse Letissier aka Chris aka Redcar bespielte die Bühne, die mit halben Treppen und Skulpturen als Theaterbühne inszeniert war, fast alleine. Streckenweise barbusig, später mit schwarzen Engelsflügeln. Für das dazugehörige Album «Paranoïa, Angels, True Love» hatte sich Chris von Tony Kushners Aids-Drama «Angels in America» inspirieren lassen, insbesondere dem «tiefen, schmerzhaften Werden» der Hauptfigur Prior, wie er in Interviews erklärte.
Madonna, die in drei Titeln als göttliche Matriarchin als Gast auf dem Album zu vertreten ist (MANNSCHAFT berichtete), ist mit ihren Spoken-Word-Beiträgen auch bei diesem Konzert zu hören. Wobei, es ist eher eine Performance von rund 100 Minuten, eine Inszenierung für das Publikum, das aber zu keiner Zeit direkt angesprochen wird. Zwischen den Songs deklamiert Chris Texte, Gebete, die das Engels-Thema immer wieder aufgreifen. Wie das Album zeichnet auch das Konzerte die zentralen Stationen nach – von quälenden Angstzuständen (Paranoïa) über den Verlust geliebter Menschen (Angels) bis hin zur Bedeutung von wahrer Liebe (True Love).
Die Fans blieben gefühlt draussen. Es gab, das ein angenehmer Kontrast zu vielen anderen Pop-Konzerten, keine Mitsing- oder Mittanz-Aufforderung, kein heranschmeisserisches «How are you, Berlin?».
Redcar sang, deklamierte, tanzte, blieb aber unnahbar, eine Figur wie in einem Theaterstück. Der Stimmung im Saal tat das keinen Abbruch. Chris hatte eine grosse queere, meist junge Fangemeinde in der Halle versammelt, die es ihm nicht übelnahmen, dass er nicht einen einzigen seiner Hits zum Besten gab. Doch die Show war kurzweilig genug, dass es die Hits nicht brauchte. Das kann man längst nicht über jeden erfolgreichen Act sagen, der sich auf die Bühne stellt.
Erst am Ende, als einzige Zugabe, folgte «Je te vois enfin» aus dem 2022er Album «Redcar les adorables étoiles». Danach ging direkt das Licht an, mehr Songs sollte es nicht geben. Die Fans verliessen brav die Halle, ohne zu pfeifen.
Einigen fehlte die Inszenierung mit Tänzer*innen wie beim letzten Konzert, war in Gesprächen danach zu erfahren. Anderen, vor allem lesbischen Besucherinnen, trat Chris zu mackerhaft auf.
Unterm Strich muss man sagen: Der Sound war grossartig, die Lichtshow, die immer wieder einen Blick auf eingeblendete, dystopisch wirkende Landschaften warf, spektakulär. Ein Konzertabend, den man auf keinen Fall missen möchte.
Entwaffnender Auftritt: Kim de l’Horizon liest aus dem prämierten «Blutbuch» sowie aus dem neuesten Werk «Fäuste und Küsse» (MANNSCHAFT berichtete)
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