ORF erzählt wieder queere «Liebesg’schichten»
In der aktuellen Staffel sind zwei Schwule und ein Bisexueller am Start
In der österreichischen Kuppelsendung «Liebesg`schichten und Heiratssachen» treten immer mehr queere Menschen auf. MANNSCHAFT hat darüber mit dem ORF gesprochen.
Kaum eine andere Sendung ist im österreichischen Fernsehen ein so grosser Publikumshit wie «Liebesg`schichten und Heiratssachen». Derzeit läuft jeden Montagabend eine neue Folge der 27. Staffel der Kuppelsendung. Für Zuseher*innen aus Deutschland und der Schweiz wird das ORF-Format auf 3sat wiederholt. Die Sendung erreicht teilweise Spitzenquoten mit bis zu einer Million Zuseher*innen.
Seit 1997 haben sich über 1300 Menschen auf ihrer Suche nach dem Liebesglück im Fernsehen begleiten lassen. Dabei wird viel gelacht, manchmal auch geweint. Das Besondere bei «Liebesg`schichten und Heiratssachen» ist, dass die Singles vorwiegend zuhause besucht werden. Sie werden von der Journalistin Nina Horowitz (früher Elisabeth T. Spira) möglichst authentisch porträtiert. Die Singles erzählen offen über ihre Wünsche, Vorlieben und Ansprüche an die Partner*innen. Damit liefert die Sendung auch tiefe Einblicke in die österreichische Seele.
Derweil wenden sich immer mehr queere Menschen an den ORF, um bei «Liebesg`schichten und Heiratssachen» die grosse Liebe zu finden (MANNSCHAFT berichtete). In der derzeit laufenden 27. Staffel sind bislang drei queere Kandidaten aufgetreten: Ludwig (39 Jahre alt, aus Salzburg), Alex (30 Jahre alt, aus Niederösterreich) und Michael (27 Jahre alt, aus Wien).
«Die Publikumsreaktionen auf unsere queeren Teilnehmer*innen sind bisher durchwegs positiv. Wir haben keine negativen Rückmeldungen diesbezüglich erhalten», heisst es beim ORF. Erfreulich sei auch, dass die queeren Kandidat*innen nicht nur «Liebesbriefe» von interessierten Singles erhalten, «sondern auch bestärkende und wertschätzende Nachrichten von weiteren Zuseher*innen», wie der ORF betont. Ausserdem bekommen die queeren Singles von Jahr zu Jahr mehr Rückmeldungen.
Die Erfolgsquote bei «Liebesg`schichten und Heiratssachen» ist hoch. Seit Beginn der Sendung fanden über 340 Personen ihr Liebesglück, insgesamt 50 Paare gaben einander sogar das Jawort, darunter waren fünf gleichgeschlechtliche Paare, die ihre Partnerinnenschaft offiziell eintragen liessen.
Der ORF betont, dass dem TV-Sender Diversität sehr wichtig sei, besonders in einem Format wie «Liebesg’schichten und Heiratssachen». Die Produktion erhalte «immer wieder Bewerbungen queerer Personen. Um dem Thema Diversität in der Sendung auch zukünftig den gebührenden, hohen Stellenwert zu geben, freuen wir uns sehr über die Unterstützung der Community», heisst es beim ORF.
Die queeren Kandidaten der laufenden Staffel Ludwig, Friseur aus Salzburg, sucht seinen Traummann, weil er das Daten im Internet frustrierend findet. «Es wird alles immer oberflächlicher. Wenn man nicht das perfekte Zahnpasta-Lächeln oder die perfekten blauen Augen hat, dann ist man gleich uninteressant.» Seine längste, schönste und intensivste Partnerschaft dauerte zehn Jahre lang. «Für eine Beziehung hat es dann irgendwann aber einfach nicht mehr gereicht», schildert der Pongauer. Der neue Mann in Ludwigs Leben darf gerne einen Bart und Brusthaare haben. «Ich möchte keine Tussi, es sollte schon ein g’standener Mann sein, kein Modepupperl zum Anziehen. Er soll sich auch nicht gleich auf den Finger hauen, wenn er einen Nagel einschlagen muss», erklärt der Friseur mit einem Augenzwinkern.
Sein neuer Partner darf gern etwas älter oder jünger sein. Stramme Wadeln, die in der Lederhose eine gute Figur machen, bringen den Salzburger zum Strahlen. «Das finde ich einfach total sexy!» Aber nur Schönheit allein ist zu wenig für den gefühlvollen Single. Auch charakterlich sollte der neue Prachtkerl ein Lotto-Sechser sein. Familiensinn, Gemütlichkeit, aber schon auch Spass und Geselligkeit: Es wäre schön, wenn der neue Mann ähnliche Werte wie Ludwig hätte. «Wenn wir beide eine Probezeit überstanden haben, darf ein neuer Mann auch gerne bei mir einziehen, Platz genug habe ich.» Wie erträumt sich der Kandidat seine neue Beziehung? «Sie ist wie ein schöner, erholsamer Urlaub, der aber leider noch in der Ferne liegt.»
Michael, Autor und Lagerarbeiter aus Wien ist bisexuell. Er wünscht sich eine beflügelnde Beziehung. «Die neue Liebe kann ein Mann oder eine Frau sein, die Person soll selbstsicher und eigenständig sein. Aber auch lustig und easy-going», zählt Michael seine Herzenswünsche auf. «Wenn die neue Liebe ein Mann ist, dann bevorzuge ich eher einen femininen Typen, der eine zierliche Figur hat. So ein bisschen Elfen-mässig. Wobei ich auch nichts gegen muskulöse Männer habe. Wenn es eine Frau sein sollte, mag ich äusserlich den Amazonen-Stil. Also gross, breit und muskulös. Wobei ich auch zierliche Damen wertschätze.» Es gibt also viele Möglichkeiten! Gemerkt, dass er bisexuell ist, hat der 27-Jährige im Alter von 22. «Zuerst war es eine Überraschung und ein Schock und ich wollte es unterdrücken.»
Mittlerweile geht der Single-Mann ganz offen mit seiner Bisexualität um. Zwei längerfristige Beziehung hat er bereits hinter sich, «beide waren mit Frauen. Ich hatte auch schon sehr schöne Erlebnisse mit Männern, aus denen sich aber leider keine Beziehung entwickelt hat.» Beruflich arbeitet der vielseitig interessierte Wiener mit abgeschlossenem Betriebswirtschaftsstudium in einem Lager für Kinderspielzeug, um Geld zu verdienen.
Hauptsächlich konzentriert er sich aber aufs Schreiben. Er arbeitet gerade an einem Superheldenroman und hat den Traum, ein berühmter Autor zu werden. Michael hat zwei Vorbilder, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Thomas Brezina und Franz Kafka. Jetzt will er über die Sendung die Person finden, die wirklich zu ihm passt. «Wenn ich verliebt bin, dann fühlt sich die Welt intensiver und schöner an. Die Blätter sind grüner. Die Erdbeeren schmecken besser. Es ist so, als hätte man die Intensität des Lebens um 20 Prozent erhöht. Und das ist wunderschön.»
Alex, Regionsmanager aus Niederösterreich, will endlich seinen Traummann finden und weiss, dass das am Land nicht ganz so einfach ist wie in der Stadt. Online-Dating hat der Single natürlich ausprobiert, aber die Erfahrungen, die er gemacht hat, waren nicht sonderlich gewinnbringend. «Der Eine wollte mich nur ins Bett bekommen, der Andere hat dauernd von sich geredet, und der Dritte hat gar nichts gesagt.»
Ja, Dating kann schon anstrengend werden, wenn man es ernst nimmt. Und Alex nimmt die Suche nach seinem Traummann nach einer gescheiterten Beziehung sehr ernst. «Ich würde gern die grosse Liebe finden und eine Familie gründen.» Der Weinviertler ist ein echtes Wirtshauskind. «Ich wohne über dem Gasthaus meiner Mutter, in dem ich aufgewachsen bin, und das ich auch einmal übernehmen möchte.» Da sollte der neue Partner natürlich mit von der Partie sein.
Was der Zukünftige noch mitbringen soll? «Ich hätte gern einen Mann, der wie ich so an die 1,85 m gross ist und der kräftig genug ist, mich aufzufangen, wenn ich nach einem anstrengenden Tag einfach nur in seine Arme fallen möchte», schmunzelt Alex.
Der gläubige Niederösterreicher ist sehr engagiert in der Pfarrgemeinde. «Ich bin Ministrant, Lektor, Kommunionsspender, Wort-Gottes-Leiter und stellvertretender Vorsitzender vom Pfarrgemeinderat für vier Pfarren.» Katholisch muss der Zukünftige nicht sein, aber er sollte respektieren, wie Alex lebt, betont er. «Ich respektiere auch, was er macht. Dann geht er halt am Sonntag ins Fitnesscenter und ich in die Kirche.» Geoutet ist Alex in der gesamten Gemeinde. «Sicher gab es auch Menschen, die nicht damit einverstanden waren, wie ich bin, aber ich habe lange Gespräche geführt und es durchgefochten.»
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