«Verstoss gegen Standards»: Foto von Mahmood & Blanco zensiert
Die italienische Ausgabe der «Vanity Fair» zeigt die beiden ESC-Teilnehmer nackt auf der Titelseite
Das Cover der italienischen Ausgabe von Vanity Fair war scheinbar zu «anstössig» für die selbsterklärten Community-Standards von Instagram. Zu sehen sind darauf die nackten ESC-Teilnehmer Mahmood und Blanco, die beim Wettbewerb im Mai Italien vertreten werden.
Das Schwarz-weiss-Foto der beiden Musiker ziert die Märzausgabe der italienischen Vanity Fair, sie berühren sich darauf schüchtern mit den Füssen und haben jeweils eine (Friedens-)Taube auf der Schulter. Laut Medienberichten habe Mahmood das Foto als Instagram-Story geteilt. Er sagt, das Bild sei daraufhin gelöscht worden, weil als «Verstoss gegen die Richtlinien der App» gewertet.
Daraufhin hat Vanity Fair auf seiner eigenen Seite das Foto in einer als «zensiert» markierten Version veröffentlicht und aufgefordert, «künstlerische» und «symbolische» Nacktheit zu verteidigen – diese sei nicht «obszön»! Zur Erinnerung: Obszönität gilt als Merkmal von Pornografie, die aus Jugendschutzgründen aus der Öffentlichkeit verbannt ist. (MANNSCHAFT berichtete über den Kampf deutscher Gerichte gegen Porno-Onlineportale.)
«Wir haben die beiden so fotografiert, weil ihre Geschichte wie ein leeres Blatt Papier ist, aber voller Tattoos und Träume, voller Jugend. Das sind Dinge, die stark genug sind, um uns alle aufzurütteln», sagt Simone Marchetti als Chefin der italienischen Vanity Fair.
Allmächtiger Algorithmus Das unzensierte Original-Cover kann man derweil nach wie vor auf der Instagram-Seite von Vanity Fair selbst sehen, wo der Algorithmus das Bild entweder noch nicht entdeckt hat oder sich niemand davon getriggert fühlte, um es zu «melden».
Das Pop-Duo wird in Turin beim ESC mit dem Lied «Brividi» antreten (MANNSCHAFT berichtete). Viele Fans interpretieren das Duett als «Hymne auf homosexuelle Liebe», schreibt das Nachrichtenportal Queerty, betont aber, dass die Musiker selbst die Nummer allgemeiner verstanden wissen wollen.
«Wir wollen universelle Freiheit bringen: Sich frei zu fühlen, jede Form von Liebe ausdrücken zu können. Allgemein und in seiner ganzen Totalität. Wir wollen Liebe nicht in eine Schublade stecken, wir wollen ihr stattdessen 100-prozentige Entfaltungsfreiheit geben», so Mahmood laut Queerty.
Holt Italien den zweiten Sieg beim Eurovision Song Contest in Folge? Einige LGBTIQ-Medien haben Mahmood «als Mitglied der queeren Community» beschrieben, auch wenn er «nicht öffentlich über seine sexuelle Orientierung reden» wolle. Blanco sei hetero, heisst es, er habe «Brividi» gemeinsam mit dem Produzenten Michelangelo (Michele Zocca) geschrieben.
Die grosse Frage lautet nun: Holt Italien den zweiten Sieg beim Eurovision Song Contest in Folge?
Eine weitere Frage lautet: Wie steht es um die Freiheit von Liebe, wenn ein vergleichsweise harmloses Nacktfoto von zwei Männern auf dem Cover von Vanity Fair bereits als anstössig gewertet werden kann, wobei im Zweifelsfall eine einzige Meldung genügt, von jemandem, der oder die sich von diesem Anblick «gestört» fühlt?
Obwohl alle User*innen von Instagram und Facebook mit diesem Problem täglich konfrontiert sind (selbstverständlich auch MANNSCHAFT), hat es bislang wenig öffentliches oder staatliches Aufbegehren gegen solche Zensur gegeben. Vielmehr hat das Problem zu einer allgemeinen Neo-Prüderie bezüglich Nacktheit geführt, über die viele Vorkämpfer*innen der 1970er-Jahre nur staunen können.
Denn damals hatten sie vor Gerichten weltweit Freiheiten erstritten, die nun auf sogenannten «Privatplattformen» einfach wieder einkassiert werden. (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie vor 50 Jahren die Pornofilme «Deep Throat» und «Boys in the Band» öffentlich im Kino gezeigt und in Mainstreammedien wie der New York Times beworben werden konnten.)
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