Nach Mord in Dresden: Erinnerungsort nach Streit beschlossen

Am 4. Oktober 2020 gab es einen homofeindlichen Anschlag auf ein schwules Paar

Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa
Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Die tödliche Messerattacke auf ein schwules Paar liegt fast ein Jahr zurück. Mit 36 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen hat der Dresdner Stadtrat am Donnerstag den Antrag angeommen. Aber es wurde heftig gestritten.

Der Erinnerungsort gegen Homo- und Transfeindlichkeit ist beschlossene Sache, aber es ging im Dresdner Stadtrat nicht ohne Zoff zu. Die CDU hatte einen Änderungsantrag gebracht, die Formulierung «religiös motiviert» wieder in den Antragstext hineinzunehmen. Es folgte eine Debatte, in der verschiedene Vorwürfen aus dem rechten Lager vorgebracht wurden, man verhamlose die Gefahr des Islamismus. Am Ende enthielt sich die CDU, aus der Fraktion gab es nur eine Ja-Stimme, wie MANNSCHAFT von Teilnehmern der Sitzung erfuhr.

Christiane Filius-Jehne von den Grünen habe in der Debatte Susanne Dagen von den Freien Wählern als islamophob bezeichnet. Die Stadträtin, die als Buchhändlerin gerne rechten Autor*innen eine Plattform gibt, drohte mit juristischen Schritten. Der Änderungsantrag wurde jedoch abgelehnt.

Gefahr der Instrumentalisierung? Zudem hat die sogenannte Dissidenten-Fraktion, die sich im Mai aus Stadträten der Grünen, Die Partei und Piraten gegründet hatte, beantragt, den Antrag zur vertagen, damit er so kurz vor der Bundestagswahl nicht politisch instrumentalisiert werden könne. Dafür stimmten nur die Dissidenten selber und einzelne AfD-Mitglieder.

Nach der tödlichen Messerattacke auf ein schwules Paar in Dresden war der 21-jährige Täter im Mai zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden (MANNSCHAFT berichtete). Ein 55-jähriger Mann starb nach dem Angriff, sein Lebenspartner überlebte nur knapp (MANNSCHAFT+).

Holger Hase, FDP-Stadtrat und Kreisvorsitzender, erklärte am Donnerstag: «Wir schlagen vor, einen Erinnerungsort zu schaffen, der zum einem Homo- und Transfeindlichkeit entgegentritt, zum anderen die gesellschaftspolitischen Dimensionen dieses Angriffes auf unsere Wertegemeinschaft verdeutlicht.» Der Vorschlag wurde schliesslich angenommen.

Für den CSD Dresden sprach Oscar Rafael Chirinos Lobo: Mitglied im Vorstand des CSD Dresden; er ist dort für die Refugee-Projekte des Vereins verantwortlich (zum Stream – die Debatte beginnt bei 2h40).

«Vor gut einem Jahr ist in Dresden ein schwules Ehepaar Opfer eines feigen Mordanschlags geworden. Ein Mensch verlor sein Leben, sein Partner wurde schwer verletzt. Diese Tat, dieses Attentat, mitten in unserer Stadt war klar schwulenfeindlich motiviert. Der Täter wollte die beiden töten, weil sie homosexuell sind. Das war das Motiv und genau daran müssen wir erinnern. Jetzt soll am Ort der Tat ein Erinnerungsort an die Opfer homophob und transphob motivierter Gewalt entstehen. Das hat der CSD gefordert und wir sind froh, dass Dresden diesem Ansinnen folgen möchte.

Screenshot aus dem Livestream
Screenshot aus dem Livestream

Als CSD ist es uns wichtig, diesen Ort des Erinnerns und des Mahnens zu schaffen. Und wir wollen an diesem Ort zuerst den beiden Opfern gedenken. Aber wir müssen auch, und das sieht ja der Antrag vor, homo- und transphobe Gewalt im Allgemeinen thematisieren und an die Opfer dieser Gewalt erinnern.

Denn Feindlichkeit und Hass gegen LSBTIQ sind leider noch immer an der Tagesordnung – auch in Sachsen und in Dresden. Im Fokus stehen Homosexuelle, also lesbische und schwule Menschen, aber auch alle anderen Formen sexueller Orientierung und Identität. So auch trans Personen, die leider noch nicht die gesellschaftliche Akzeptanz erfahren wie Homosexuelle. Sie sind sehr häufig Ziel von Attacken und Verächtlichmachung – leider auch aus manchen politischen Richtungen.

Als CSD ist es uns wichtig, das dieser Gedenkort klar macht, dass es um homo- und transphob motivierte Gewalt geht. Ja, die Gründe für diesen Hass gegen LGBTIQ sind vielfältig, sie können religiös, politisch, weltanschaulich oder auch durch die Erziehung begründet sein. Deswegen wäre es aus unserer Sicht kein gutes Zeichen, den Gedenkort auf die Religion als Ursache zu beschränken.

Ich bitte Sie daher, dem Antrag so zuzustimmen, dass er an die Opfer homo- und transphober Gewalt erinnert. Liebe Stadträtinnen und Stadträte, im Antrag ist auch vorgesehen, eine Arbeitsgruppe zu Konzeption des Erinnerungsortes einzurichten. In dieser soll auch der CSD Dresden mitarbeiten. Das begrüßen wir natürlich und ich kann Ihnen zusagen, dass wir diesen Auftrag gern annehmen und den Prozess konstruktiv begleiten werden.

Veranstaltungen, Kunst und Bildungsangebote sollen Feindlichkeit gegen LGBTIQ thematisieren.

Über die genaue Ausgestaltung werden wir in der Arbeitsgruppe sprechen. Aber ein paar Gedanken, die wir uns als CSD gemacht haben, möchte ich hier schon mal ansprechen: Es ist uns wichtig, dass es nicht nur ein physischer Ort wird. Es muss sich auch eine Gedenkkultur dazu geben. Eine Kultur, die Erinnerung mit Leben und Inhalten füllt. So schweben uns Veranstaltungen, Kunst oder auch Bildungsangebote vor, die Feindlichkeit gegen LGBTIQ thematisieren, die auch Betroffenen und Opfern halt geben können. Wir möchten, dass dieser Erinnerungsort ein wirksames Instrument gegen Homo- und Transfeindlichkeit wird.»

Der CSD Dresden e.V. lädt am 4. Oktober, dem ersten Jahrestag, zur Mahnwache, um an das Attentat auf das schwule Paar zu erinnern. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) lässt an dem Tag die Regenbogenfahne am Kulturpalast hissen.

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