Nach 20 Jahren Freundschaft: In «Supernova» als schwules Ehepaar

Der Film mit Stanley Tucci und Colin Firth lief als deutschsprachige Premiere auf dem Zurich Film Festival

Bild: British Film Institute
Bild: British Film Institute

Colin Firth wurde angesichts seines Films «Supernova» gefragt, ob es richtig sei, als Hetero schwule Rollen zu spielen. «Ich habe keine endgültige Position dazu», antwortete er. «Das ist etwas, das ich sehr ernst nehme, und ich habe viel darüber nachgedacht, bevor ich die Rolle angenommen habe.» Wir haben den Film kürzlich auf dem Zurich Film Festival gesehen.

Text: Michel Benedetti

Ein nächtlicher Himmel. Ein Stern blitzt auf, vergrössert sich … und erlischt. Was sich so klein und lautlos abspielt, ist in Wahrheit eine unvorstellbare Detonation. Die astronomische Supernova im Vorspann, die dem gleichnamigen Film von Harry Macqueen vorangeht, darf ruhig als Metapher für unseren menschlichen Mikrokosmos herhalten. Starke Emotionen bauen sich langsam auf bis zur unvermeidlichen Explosion. Oder: Ein Stern stirbt, bleibt aber erhalten durch die zig-Milliarden Stäubchen im Weltall. Kleinste Erinnerungen ergeben in der Summe eine frühere Grösse.

Zurück auf die Erde. Tusker (Stanley Tucci) und Sam (Colin Firth) sind ein schwules Ehepaar um die Sechzig. Beide sind unterwegs zu einer Feier bei Sams Schwester in der hintersten Ecke von England. Ein ironischer Schlagabtausch – Tusker schwört auf faltbare Landkarten, Sam vertraut eher der Stimme des Navigationssystems – lässt ahnen, wie lange die beiden schon zusammenleben.

Das erinnert mich an den Gay-Movie «Staircase» (1969), wo Rex Harrison und Richard Burton ein verschrobenes, tragikomisches Männerpaar spielen. Doch «Männerpaar» ist das einzig verbindende Element. Zwischen den Filmen liegen 50 Jahre, geprägt von Repression, Aufbruch, Gay-Pride und gesetzlicher Gleichstellung. In den 70er-Jahren wurde ein schwules Paar zu einer von Klischees durchsetzen Lachnummer. Heute sind schwule Beziehungen auf der Leinwand zu einer alltäglichen Normalität gereift. Die Probleme und Freuden von Tusker und Sam könnten gleich so gut diese von Jimmy und Linda sein.

Das Kammerspiel im Wohnmobil führt uns schnell zu einer unausweichlichen Realität. Tusker ist mit Demenz diagnostiziert und hat sich scheinbar damit abgefunden. Sams Optimismus wirkt hingegen krampfhaft. Ängste sind spürbar. Das Vertraute in der Beziehung scheibchenweise zu verlieren, bis ich jemanden vor mir habe, der nicht weiss, wer ich bin. Der äusserliche Road Movie entwickelt sich zu einer inneren Reise, die schliesslich zur unausweichlichen Frage führt, wie weit Tusker mitbestimmen darf, wie er seinen Liebsten in Erinnerung bleiben wird. In einer Szene erklärt der Hobby-Astronom einem Kind, wie der Sternenstaub aus dem All den Stoff mitbestimmt, aus dem wir Menschen gemacht sind. Tusker denkt bereits in höheren Sphären. Sam hingegen ist noch ganz am Boden seiner Trauer und wird allmählich lernen loszulassen.

Die Gefahr vom Thema «Demenz und wie wir damit umgehen» liegt darin, zu sehr auf der Gefühlsklaviatur zu spielen, sodass die Gesichte ins Sentimentale abrutscht. Der Regisseur Harry MacQueen ist diesem Risiko grosszügig ausgewichen mit einem Gespür für die richtigen Zutaten. Da nimmst du zwei sehr versierte, wandlungsfähige Schauspieler der Top-Liga, denen die Rollen auf den Leib geschnitten sind.

Colin Firth hatte in seiner Glanzrolle als stotternder König in «The King’s Speech» schon Gelegenheit, einen Mann zu mimen mit grossem Gefühlsstau und wenigen Worten. Stanley Tucci als ausgebuffter Comedian schafft mit seiner ausdrucksstarken Mimik und leisen Ironie ein Gegengewicht, der diesen Film in die richtige Balance bringt.

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