Miss und Mister Homophobia: Die falsche Wahl
Gesucht waren Miss und - erstmals - Mister Homophobia. Gekürt wurden Miss und Mister Ich-bin-ein-Opfer-der-Medien
Die Aktivisten von Enough is Enough stellten in diesem Jahr vier Frauen und zwei Männer basierend auf Vorschlägen ihrer User zur Abstimmung, und 9339 Menschen gaben ihre Stimme ab. Gesucht waren Miss und – erstmals – Mister Homophobia. Gekürt wurden Miss und Mister Islamophobia. Miss und Mister Ich-bin-ein-Opfer-der-Medien Auch nichts, was man in seinen Lebenslauf schreibt oder sich eingerahmt übers Bett hängt. Wobei es beiden zuzutrauen wäre. Ihren Claqueren würde es gefallen. Sie würden Berger und Weidel das geben, was sie nötiger haben als Wasser, Brot und Sauerstoff: Applaus.
Beide lieben die Inszenierung, vor allem ihrer selbst – als Opfer. Die eine, wenn sie öffentlichkeitswirksam Talkshows verlässt oder beklagt, man würde sie am liebsten mit hängendem Gesicht zeigen; der andere, wenn er wegen rechter Tendenzen und fortgeschrittener dumm-dreister Selbstherrlichkeit seinen Job als Chefredakteur verliert und nicht müde wird, auf Facebook von Schlägertrupps zu fabulieren, die man ihm ebendort angekündigt hätte. Berger, das Opfer. Berger, der Märtyrer.
Falschmeldungen und Verdrehungen
Dass er sich bei diesem sehr engen Fokus nicht auch noch mit journalistischen Prinzipien aufhalten kann oder gar zum Äußersten greift – der Recherche -, versteht sich von selbst. Berger arbeitet am liebsten mit Falschmeldungen oder Verdrehungen. Wie sonst ist es zu verstehen, dass er auf seinem Blog philosophia-perennis.com schreibt, im Vorjahr sei Beatrix von Storch (AfD) zur Miss Homophobia gekürt worden? Tatsächlich gewann die Abstimmung die Organisatorin der erzkonservativen „Demo für alle“: Hedwig von Beverfoerde gelang 2016 die fragwürdige Titelverteidigung, denn ihr war schon im ersten Jahr 2015 der Titel der Schande verliehen worden.
Unterschlagung von Fakten – auch in dieser Disziplin ist Berger ganz groß. So berichtete er kürzlich über die Sperrung des Autors und Hetzers Akif Pirinçci („Die große Verschwulung“) bei Twitter und erwähnte, dass dieses Schicksal zuvor auch den schwulen US-Rechtspopulisten Milo Yiannopoulos ereilt hatte. Dass beide Herren wegen beleidigender, teils rassistischer Tweets gesperrt worden waren – Yiannopoulos hatte eine schwarze Schauspielerin verunglimpft -, darüber verlor Berger kein einziges Wort.
Aber sind die beiden homophob? Sind sie die Homophobsten im Land, die an den Pranger gehören? Anders gefragt: Sind sie wirklich schlimmer als der Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer, der Homosexuelle einst „genetisch degeneriert“, „widernatürlich“ und „unnormal“ nannte und erklärte, dass man Kinder „vor so etwas“ schützen müsse? Sind Berger und Weidel homohober als etwa der CDU-Politiker Josef Rief aus Baden-Württemberg, der im Sommer auf seine Haltung zur Ehe für alle angesprochen wurde und antwortete, es werde in Berlin schon über Partnerschaften mit mehr als zwei Personen diskutiert. Und weiter: „Und dann gibt es auch noch die, die sagen, dass sie Tiere lieben.“
In der katholischen Kirche hätte es genug Kandidaten gegeben, die einen würdigen Mister Homophobia abgegeben hätten
Ich glaube, die wahren Homohasser befinden sich außerhalb der LGBTI-Community. Das Problem an der Kür von Berger und Weidel ist, dass die schlimmsten Homophoben dadurch nicht benannt werden und sich die in Teilen immer noch erzkonservativen Unionsparteien CDU/CSU zurücklehnen können, weil der Finger nun nicht wirklich in die Wunde gelegt wird. Auch in der katholischen Kirche hätte es genug Kandidaten gegeben, die einen würdigen Mister Homophobia abgegeben hätten.
Natürlich muss man im Fall der lesbischen Alice Weidel anerkennen, dass sie das Kunststück vollbringt, mit Frau und Kindern zu leben, aber als AfD-Spitzenfrau Regenbogenfamilien wie ihrer eigenen Rechte verweigert. Hier richtet sich ihre Homophobie mindestens so sehr gegen sich selbst wie gegen andere Schwule und Lesben.
Homosexualität = Pädophilie?
Berger wiederum kuschelt mit Weidel und ihresgleichen, die noch ganz andere Dinge nicht wollen. Das muss man als schwuler Mann erstmal hinkriegen. Oder er macht sich gemein mit einer der ungeheuerlichsten Thesen von Homohassern, die Homosexualität und Pädophilie auf einer Stufe stellt. So veröffentlicht Berger auf seinem Blog den umstrittenen FAZ-Kommentar von „Johannes Gabriel“ (wer auch immer hinter diesem feigen Pseudonym steckt), in dem es heißt:
„Und ist es wirklich so abwegig, was manche Gegner der Homo-Ehe behaupten, dass adoptierte Kinder ungleich stärker der Gefahr sexuellen Missbrauchs ausgeliefert sind, weil die Inzest-Hemmung wegfällt, und diese Gefahr bei homosexuellen Paaren besonders hoch sei, weil die sexuelle Outsider-Rolle eine habituelle Freizügigkeit erotischer Binnenverhältnisse ohne alle sexual-ethischen Normen ausgebildet habe?“
Mir scheint darum, die Fans von Enough is Enough haben etwas verwechselt. Sie haben die Abstimmung zur Kür der peinlichsten deutschen Homos gemacht. Da hätte man freilich niemand besseren finden können.
Das könnte dich auch interessieren
Regenbogenfamilie
Pflegeeltern gesucht: Die häufigsten Fragen und Antworten
Unser Artikel «Zwei Mamas, zwei Papas, vier Pflegekinder» hat viele Fragen aufgeworfen. Die Fachstelle Kinderbetreuung Luzern beantwortet die wichtigsten für alle, die sich interessieren. Ausserdem: Die Fachstelle sucht in der Zentralschweiz engagierte Menschen, die für ein Pflegekind da sein möchten.
Von Denise Liebchen
Sponsored
Türkei
Mindestens 50 Menschen festgenommen bei Pride-Parade in Istanbul
Versammlungen wie die Pride Parade werden in der Türkei seit Jahren untersagt. Auch dieses Mal sperrt die Polizei die Innenstadt weiträumig ab, um Kundgebungen zu verhindern.
Von Newsdesk/©DPA
Pride
Queerfeindlichkeit
News
Deutschland
«Wir stehen unter Beschuss!» Neue Gewalt gegen Berliner Queers
Es gab an diesem Wochenende mehrere queerfeindliche Vorfälle in Berlin, in Prenzlauer Berg und in Schöneberg.
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
News
Schweiz
Roman Heggli verlässt Pink Cross: «Dürfen uns nicht spalten lassen»
Acht Jahre lang war Roman Heggli das Gesicht von Pink Cross – nun tritt er zurück. Im Interview spricht er über politische Erfolge, wachsenden Gegenwind und Spannungen in der Community.
Von Greg Zwygart
Queerfeindlichkeit
Ehe für alle
Politik
LGBTIQ-Organisationen