«Milk» und «My Private Idaho» – Regisseur Gus Van Sant wird 70
Am Sonntag feiert er sein rundes Jubiläum
Er dreht mit Stars wie Nicole Kidman und Sean Connery, doch seine Geschichten spielen oft am Rand der Gesellschaft. Mit «Good Will Hunting» und «Milk» hatte Gus Van Sant Oscar-Chancen. Nun wird der Regisseur 70 Jahre alt.
Von Barbara Munker, dpa
Gus Van Sant, Regisseur von Filmen wie «Good Will Hunting» und «Milk», hat viele Fans, darunter auch den Songwriter Finneas O’Connell (24). Der Musiker, der im März mit seiner jüngeren Schwester Billie Eilish den Oscar für den Bond-Song «No Time To Die» holte, dankte kürzlich dem «unglaublichen» Van Sant für ein Kunstwerk-Geschenk des Filmemachers, der auch ein passionierter Maler und Fotograf ist.
«So cool und so eine Ehre, dieses Kunstwerk als Cover für mein Lied zu haben», schrieb Finneas Anfang Juli auf Instagram zu dem Posting einer abstrakten Version der ikonischen Mona Lisa. Das habe ihm Van Sant geschenkt, bevor der Regisseur überhaupt von dem neuen Song «Mona Lisa, Mona Lisa» wusste. Das Lied mit dem besonderen Plattencover brachte Finneas am 15. Juli heraus, gut eine Woche vor dem 70. Geburtstag des Regisseurs. Am Sonntag (24. Juli) feiert Van Sant sein rundes Jubiläum.
Die Kunstszene hat das publicity-scheue Multitalent längst entdeckt. Der US-Kunsthändler Vito Schnabel präsentierte die Ausstellung «Gus Van Sant: Mona Lisa» Anfang 2022 in seiner Galerie im Schweizer Nobelort St. Moritz. Auf grossen Leinwänden arbeitet Van Sant das weltberühmte Gemälde von Leonardo da Vinci mit Kreide, Ölfarben und Blattgold abstrakt auf.
Schon mit 12 Jahren habe er viel gemalt, dann aber mit 16 Jahren angefangen, 8-mm-Filme zu drehen, erzählte Van Sant im Januar dem Kulturmagazin Document Journal.
Provokante Geschichten, wie schon sein Spielfilmdebüt «Mala Noche» (1985) über die unerwiderte Liebe eines Verkäufers zu einem mexikanischen Immigranten, sind Van Sants Stärke. Sein Folgefilm «Drugstore Cowboy», mit Matt Dillon als jungem Drogensüchtigen, brachte ihm 1989 erste Preise ein.
Das sensible und zugleich unverblümte Roadmovie «My Private Idaho» mit River Phoenix, dem älteren Bruder von Joaquin Phoenix, und Keanu Reeves, machte den Regisseur 1991 zum Star der Independent-Szene. Darin erzählt der offen schwule Filmemacher neben Schicksalen von Strichern und Obdachlosen die Geschichte einer homosexuellen Freundschaft.
Van Sant hat eine Vorliebe für Aussenseiter, doch dabei rückt er das Menschliche in den Mittelpunkt. «Ich glaube, was all meine Filme gemeinsam haben, ist eine Gruppe von Leuten, die zusammenkommen und eine Familie formen», sagte der Regisseur im Interview mit Document Journal.
Mit seinen Spielfilmen bewegt sich Van Sant zwischen der Oscar-Bühne, Festivals in Cannes und Venedig und der Independent-Szene. Etwas Art-House, oft mit einer Dosis Hollywood. Er drehte mit Stars wie Uma Thurman, Nicole Kidman, Matt Damon, Sean Connery, Sean Penn und Joaquin Phoenix.
Phoenix war zuletzt der Hauptdarsteller in dem Künstlerporträt «Don’t worry, weglaufen geht nicht», das sie 2018 zusammen bei der Berlinale vorstellten. Er spielt den querschnittsgelähmten US-Cartoonisten John Callahan (1951 – 2010), mit einem bestechenden Talent für makabre Karikaturen, der gegen seine Alkoholsucht kämpft. «Uns hat das Porträt einer starken Persönlichkeit interessiert, eines Mannes, der über sich selbst hinauswächst», sagte Van Sant bei der Berlinale.
Udo Kiers erster Auftritt in Hollywood Der Regisseur holte auch den gebürtigen Kölner Udo Kier (77) wieder vor die Kamera. In «Don’t worry, weglaufen geht nicht» spielt er den humorlosen Ex-Trinker Hans, der an Gruppenstunden der Anonymen Alkoholiker teilnimmt. Auch in ihrem ersten gemeinsamen Spielfilm «My Private Idaho» mimte er 1991 einen Mann namens Hans in der Rolle eines schwulen Freiers. Es war Kiers erster Auftritt in Hollywood. Ihre nächste Zusammenarbeit folgte 1993 mit «Even Cowgirls Get the Blues».
Der erste Oscar-Ruhm für Van Sant mit neun Nominierungen kam 1998 mit «Good Will Hunting». Das Drehbuch zu dem bewegenden Psychodrama eines jungen Mathematikgenies lieferten die damaligen Neulinge Ben Affleck und Matt Damon, die auf Anhieb einen Oscar gewannen. Robin Williams holte als einfühlsamer Psychiater den Nebenrollen-Oscar. Van Sant war für den Regie-Preis im Rennen, verlor aber gegen James Cameron und dessen «Titanic»-Abräumer.
Sein gefeiertes Drama «Milk», über den ersten offen schwulen US-Politiker Harvey Milk im San Francisco der 1970er Jahre, wurde 2009 mit acht Oscar-Nominierungen bedacht. Hauptdarsteller Sean Penn und Drehbuchautor Dustin Lance Black holten Gold, doch nicht Van Sant, sondern Danny Boyle («Slumdog Millionär») wurde «bester Regisseur».
Der Regisseur holte aber zahlreiche Independent-Preise und Festival-Trophäen. In Cannes wurde seine Gewalt-Studie «Elephant» 2003 mit der Goldenen Palme gleich doppelt gefeiert, als bester Film und für die beste Regie. «Elephant», mit jungen Laien-Darsteller*innen gefilmt, dreht sich um Schüler*innen, die an ihrer High School ein Massaker begehen.
Auch grossen Stars gewinnt Van Sant ungewöhnliche Auftritte ab. In der bitterbösen Medienkomödie «To Die For» castete er Nicole Kidman als abgebrühte Kleinstadt-Blondine, die über Leichen geht. James-Bond-Star Sean Connery verwandelte sich in «Forrester – Gefunden!» in einen einsamen Schriftsteller, der sich vor der Öffentlichkeit versteckt.
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