Mord in Dresden – «ein Akt schlimmster nur denkbarer Homophobie?»
Möglicherweise handelt es sich bei der Messerattacke um das erste islamistische Attentat in Deutschland gegen Schwule
Nach der Messerattacke am 4. Oktober in Dresden gehen die Ermittler der Frage nach, weshalb ein syrischer Islamist zwei Männer attackierte und einen von ihnen tötete. Laut Spiegel könnte deren Homosexualität eine Rolle spielen. Das wäre das erste islamistische Attentat in Deutschland gegen schwule Männer, das wäre ein Akt der schlimmsten nur denkbaren Homophobie, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*.
Es gibt ein modernes, manche sagen: modisches Sprechen über das, was uns stört. Wenn andere Menschen schlecht über schwule Männer reden, sie herabsetzen oder generell hässlich reden, wird dies homophob genannt. Mit einem Wort also, dessen Endung -phob, so erklärt es mir der Wiktionary, aus dem Altgriechischen stammt und «Furcht und Schrecken» markiert, die jemand vor etwas hat.
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Wer Schwule fundamental als schwule Männer ablehnt, wer ihnen Gefahr (für die heterosexuelle Ordnung) oder Risiko (siehe: Aids) attestiert, ist tatsächlich -phob in diesem klassischen Sinne. Aber inzwischen, scheint mir, ist alles -phob – und oft ist dies zutreffend verstanden. Wer Menschen, die eine dunklere denn sehr helle Hautfarbe haben, als «ausländisch» wahrgenommen und als solche tituliert werden, dann ist das nicht mindestens ein Anklang an ein rassistisches Weltbild, sondern auch «xenophob», also fremdenfeindlich.
Das Dunkle und Unhelle ist fremd und wird, unabhängig vom einzelnen Menschen, abgelehnt. Homophob aber ist nicht alles, um unsere Wirklichkeiten zu beschreiben. Nicht ist es dies, wenn jemand nur Klischees über uns verbreitet. Schwule seien besonders empfindsam, liebten Design und hörten Musik, die sonst eher als kitschig gilt, Schwule seien jugendwahnhaft und oberflächlich: Dann entspricht dies in einem Kern unserer Realität – wir müssen alle sensibler als Heteros sein, weil wir unsere Feinfühligkeit brauchen, um Gefahren früh zu wittern, solche vor Angreifer:innen zum Beispiel, aber wir sind nicht dünnste Blättchen im Wind, die bei jedem Hauch gleich in Ohnmacht fallen – obwohl es dramatisch aussieht und insofern vor unserem angekitschten Alltagsverstand gern Gnade findet.
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Aber homophob ist es nicht, wiederholt jemand klischeehafte Bilder, die uns zu einem bestimmten Gesamtbild «komponieren»: Schwule sind … oder oder oder! Homosexuelle sind so verschieden wie Heteros untereinander auch, gleich welcher Herkunft und Hautfarbe und sexuellem Begehren im Detail. Homophob ist nicht alles, was uns nicht passt, ja, mehr noch, was einem einen leichten Stich versetzt oder eben nur leicht, vielleicht unachtsam verletzt.
Wichtig ist natürlich, diese kleinen Herabsetzungen selbst zu merken und sich nicht eine so dicke Haut zuzulegen, dass man – von Lästerlichkeiten bis Giftäusserungen – von dem, was man so zu hören bekommt, nicht mehr merkt. Es ist ein Fortschritt im Vergleich mit früher, dass neulich CDU-Parteichefkandidat Friedrich Merz über den offen schwulen Gesundheitsminister Jens Spahn etwas Niederträchtiges sagte (MANNSCHAFT berichtete) und der Angesprochene, also Spahn, sich dagegen souverän wehrt.
Bei Merz galt das alte, offenbar in bestimmten Kreisen noch sehr mächtige Klischee, Schwule seien zwar okay, neigten aber dazu, ständig daran zu denken, an minderjährigen Jungs herumzufummeln – so pädomässig mit vollem Programm. Dahinter steckte eine homophobe Weltsicht, Merz, das politische Unikum aus dem vorigen Jahrhundert, der so gern Kanzler von Deutschland würde, hatte es reproduziert. Aber wenn jemand irritiert bis erschreckt ein schwules Paar sieht und ihnen lange und womöglich auch sehr unfreundlich hinterherguckt, dann mag das homophobe Anklänge haben. Doch da empfiehlt es sich, einfach zu verstehen: Der mag erschrocken sein, der mag mit Schwulem Furchterregendes (und wahrscheinlich auch ihn Faszinierendes) verbinden, aber da lohnt keine Skandalisierung, da lohnt kein «Oh, wie grausam, für diesen Blick der mittleren Missachtung müssen wir die Antidiskriminierungsstelle mobilisieren.»
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Das lohnt sich nicht. An unsereins wird man sich gewöhnen müssen, es ist ja noch nicht lange her, dass wir als Schwule (Lesben kennen das auch) sichtbar wurden bzw. wir es werden wollten, auf dass wir Sag- und Sichtbar werden.
Um einen wirklichen Fall von Homophobie könnte – der Stand der polizeilichen Ermittlungen bleibt abzuwarten – es sich um das mörderische Attentat eines gerichtsnotorischen Islamisten in Dresden gegen ein schwules Paar aus Nordrhein-Westfalen handeln. Ein junger Mann in mörderischem Wahn, der es nicht aushält, dass zwei Männer ein Paar sind und ihr Schwulsein nicht verstecken – niedergestochen. Das wäre das erste islamistische Attentat in Deutschland gegen schwule Männer, das wäre ein Akt der schlimmsten nur denkbaren Homophobie: Homosexuelle Männer, wenn sie nicht diskret und heimlich bleiben, sollen vom Erdboden verschwinden. (Nicht nötig zu sagen, dass es etliche homophob inspirierte Morde gegen Schwule durch Neonazis und Hooliganschlägerbanden, in ostdeutschen Dörfern gibt; der Dresdner Fall wird nicht AfD-mässig dem Islam schlechthin angelastet werden können, Homophobe der mörderischen Art sind Angehörige aller Religionen.)
Für solche Fälle gibt es nichts, was die Tugend der Robustheit erfordert – man muss auch mal einen Spruch aushalten können. Aber hier, mit dem schrecklichen Dresdner Fall im Kopf: Hier ist ein Fall von krassestem Hass auf Homosexuelle vorliegend. Beileid dem überlebenden Opfer, Beileid der Familie. Es ist untröstlich.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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