Margot Schlönzke: «Bin von der Bühne nicht mehr wegzubomben»
Die Berliner Gewinnerin der Wahl zum Queero 2020 im Porträt
Margot Schlönzke hat die Abstimmung zum deutschen Queero 2020 gewonnen. Mit der Ehrung will sich MANNSCHAFT bei Menschen und Projekten bedanken, die sich in der Schweiz, in Österreich und Deutschland für die LGBTIQ-Community einsetzen. Dies sind die anderen beiden Gewinner.
Fabian Pinnau hatte Margot Schlönzke im Herbst nominiert und lobte: «Auch zu Coronazeiten ist sie unermüdlich in und für die Community im Einsatz und das immer mit einem wundervollen Lächeln!» Hinzu komme noch ihr unermüdlicher Einsatz in den sozialen Netzwerken. «Sie hat so vielen Menschen wieder Mut gemacht, Hoffnung gegeben, zum Lachen gebracht und abgelenkt.» Das sahen viele unserer Leser*innen auch so und stimmten für Margot ab.
In Berlin gehört die Kunstfigur Margot Schlönzke seit vielen Jahren zu den bekanntesten und einflussreichsten Drag Queens. Auch wenn ihre Selbstbeschreibung eher Damenimitator oder klassisch: Berliner Tunte lautet. Im Sommer vor bald fünf Jahren hat sie zusammen mit Ryan Stecken eine grosse Mahnwache in Berlin organisiert, um der Opfer des Massakers von Orlando (MANNSCHAFT berichtete) zu gedenken.
«Ich fand es damals wichtig, dass Berlin ein Zeichen setzt; in London und anderen Städten fanden grosse Aktionen statt, und in Berlin gab es anfangs nur eine kleine Gedenkveranstaltung, bei der an der US-Botschaft Rose niedergelegt wurden – und das in einem der queeren Zentren Deutschlands und international! Das war zu wenig!»
«Drag Queen Märchenstunde» – Diversity auf Schwedisch
Wenn man die Gesellschaft und Zukunft verändern und gestalten wolle, sagt Schlönzke, gehe es nur, indem man sich einbringt, etwas tut und Zeichen setzt.
Ihr Name entstand einst im Rahmen der Kolumne in einer Schülerzeitschrift, hinter dem Namen sollte sich eine fiktive Lehrerin verbergen. So entstand die Kolumne «Margots Welt». Mit dem Fummel ging es später auf die Bühne. Die gebürtige Berlinerin, die um die 50 Perücken besitzt und etwa ebensoviele Pumps, hat als kleiner Junge schon gerne ab und zu Fummel getragen und später auch Singen auch gelernt. «Mittlerweile bin ich schon so lange als Schlönzke unterwegs», sagt Margot. «Ich bin nicht mehr von der Bühne wegzubomben.»
Selbst dem Coronavirus trotzte die Absolventin der «Erika-Mielke-Fachhochschule Hoyerswerda (Schwerpunkt: Weltherrschaft für Damendarstellerimitatorinnen)», wie es in ihrem Facebook-Profil heisst, im vergangenen Jahr . «Ich stand im März auf der Bühne, als der Lockdown bekannt gegeben wurde, und die Veranstaltung wurde dann abgebrochen», erinnert sich Margot Schlönzke an den Beginn der Misere, die vor zehn Monaten begann und bis heute anhält.
Sie habe sich schon im Vorfeld schlau gemacht und direkt die erste Streamingshow angekündigt. Sie lud sich noch ein paar Berliner Kolleg*innen ein und dann wurde zehn Wochen lang gesendet, aus der queeren Bar Inkognito im Berliner Regenbogenkiez, unter Einhaltung der gebotenen Abstände.
Wir wollten dem totalen Kulturentzug etwas entgegensetzen.
Queere Kolleg*innen wie Sigrid Grajek, Rainer Bielfeld und Julian F.M. Stöckel waren dabei. Die Zuschauer*innen durften spenden, und das Geld, was zusammen kam, wurde zwischen den Mitwirkenden aufgeteilt. «Wichtig war aber nicht das Geld, wir wollten dem totalen Kulturentzug etwas entgegensetzen», erklärt Schlönzke. «Viele kamen so aus der Schockstarre raus.»
Im Sommer dann folgte die Call-in-Show «Ruf! uns! an!», die seit vergangener Woche wieder jeden Dienstag auf Facebook zu sehen ist: Eine Stunde lang steht Margot Schlönzke ab 21 Uhr mit Kolleg*innen wie Jurassica Parka telefonisch zur Verfügung. Jede Show hatte eine Überschrift, ein Thema, das aber recht weit gefasst war, so Schlönzke. «Wir hatten super tolle Anrufe von Leute, die sich einfach mit uns unterhalten wollten, über Coming-out, Homophobie, Transphobie oder die Corona-Situation.»
Ein Gespräch ist ihr besonders in Erinnerung. «Ein Anrufer war sehr sehr niedergeschlagen, weil er wenige Tage zuvor erfahren hatte, dass er Bauchspeicheldrüsenkrebs hat. Mit ihm haben wir uns ganz lange unterhalten, Sigrid Grajek und ich. Die Leute waren sehr gebannt und aufmerksam dabei und haben ihn digital gedrückt.» Ende des Jahres habe sie dann noch einen Brief von dem Mann bekommen. «Da war er bereits im Hospiz und hat sich bedankt für unser wundervolles Telefonat, das ihm Mut gemacht hat. Gerade in Corona-Zeiten ist das hart, wenn man weiss, man hat nicht mehr viel Zeit, und dann gibt es noch die Kontaktbeschränkungen.»
2020 war ein Jahr zum Abhaken, das brachte Margot auch in ihrem musikalischen Jahresrückblick zum Ausdruck. Das Video dazu wurde draussen gedreht, in der Berliner Kälte. «Es war aber auch sehr lustig, weil das Lied überall lief, wo wir gedreht haben, und immer blieben Passanten stehen und applaudierten. Wir mussten sie dann immer daran erinnern, dass sie bitte weit auseinander stehen müssen.»
Persönlich war 2020 für Margot ein Desaster. Nicht nur dass viele Bookings weggefallen sind, auch ihr Bürojob war betroffen: Anzeigen-Akquise beim queeren Stadtmagazin Siegessäule, ausgerechnet im Kulturbereich. «Kultur ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Auch hier schlug Corona ein. Ändern konnte ich es nicht, ich konnte überall nur mein Bestes geben.» Und so hat sie sich für Zweckoptimismus entschieden.
«Ich habe ein Dach über dem Kopf, einen Kühlschrank, den ich irgendwie gefüllt kriege, und ich kann beschwerdefrei atmen. Damit überstehe ich die nächsten Woche und Monate. Das ist kein Luxus, aber überleben kann ich damit.»
Und 2021? Angenommen sie könnte alles machen, was sie will? «Dafür hätte ich zu wenig Zeit», sagt La Schlönzke. «Ich habe aber auch nicht den grossen Plan. Ich schaue, was ich machen kann und was realistisch ist, und was eventuell bis 2022 warten kann.»
Wenn alles gut läuft, soll im Sommer ein neuer Teil der erfolgreichen Vollplayback-Musical-Show «Golden Gmilfs» Premiere feiern. In der Hommage an die Golden Girls spielt sie Rose Nyland, ihre Mit-Gmilfs sind Jurassica Parka, Destiny Drescher und Ryan Stecken.
Aber im Moment lässt sich leider gar nichts planen. «Die Situation ist bescheiden, aber man kann gegen solche Katastrophen nichts machen.»
Ihren positiven Blick vermittelt sie auch ihren Fans, und das kommt an. Margot Schlönzke möchte den Leuten Ablenkung und Spass bringen und ein paar schöne Stunden bereiten. «Das sehe ich als meine Lebensaufgabe.»
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