Liebe über Landesgrenzen: So trennt Corona schwule Paare
Wir erzählen die Geschichten von drei Beziehungen, die derzeit auf eine harte Probe gestellt werden
Wegen der Corona-Pandemie und den damit zusammenhängenden Ausgangsbeschränkungen fallen die meisten Familienfeste an Ostern aus. «Die Pandemie kennt keine Feiertage», hat die deutsche Bundeskanzlerin gesagt. Auch etliche binationale Paare sind betroffen oder solche, die aufgrund ihrer Jobs in unterschiedlichen Ländern leben.
Für Ralf Jack-Hoang aus Frankfurt bleibt nur: Abwarten. Der Wirtschaftsmediator kann seinen Mann nicht sehen, selbst wenn er wollte. Denn der lebt und arbeitet in Singapur – als Hornist beim Singapore Symphony Orchestra (SSO). 2008 haben sich die Männer auf dem Frankfurter CSD kennengelernt, sind seit 2009 ein Paar, haben sich 2013 zunächst verpartnert und im Sommer 2018 dann geheiratet.
Das letzte Mal gesehen haben sie sich am 15. März, da war Ralf in Singapur. Eigentlich wollte er erst am 19. März zurückfliegen, aber dann ging alles sehr schnell. Es wurden sehr strenge Einreisebedingungen verhängt, überall standen Thermoscanner, um Fieber zu messen. Die Grenzen wurden dichtgemacht, Lufthansa stellte die Flüge ein, Singapore Airlines zog kurz darauf nach. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Ralfs Mann hat dann vorgeschlagen, dass er seinen Flug umbucht und früher abreist. «Van Hoc wollte, dass ich sicher nach Deutschland zurückfliege.» Das hat dann auch geklappt.
Van Hoc arbeitet seit vergangenem Jahr in Singapur. 2018 hatte er das Angebot vom SSO bekommen. Das war eine grosse Chance, und beide Männer waren dafür, dass er sie ergreift. Auch wenn sie auf zwei verschiedenen Kontinenten leben, sehen sie sich regelmässig. Beide waren seit 2019 drei Mal beim anderen zu Besuch. Ralf meist für 14 Tage, sein Mann kann in der Orchesterpause länger bleiben – im Sommer war er für sechs Wochen hier.
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Den Turnus wollten sie einhalten, dass sie sich alle zwei Monate für 14 Tage sehen oder auch länger. Mitte Mai wollte Van Hoc nach Deutschland kommen. Das wird nun nicht klappen. Seit über Woche hat auch Singapur den Lockdown, alle Geschäfte sind zu, erzählt Ralf. Bis Ende Mai gebe es keine Flüge der Singapore Airlines. Und Van Hoc darf nicht ausreisen. Denn wer das Land verlässt und sich infiziert, der verliert bei der Rückkehr seine Krankenversicherung. Auch sonst sind die Massnahmen in Singapur strikt: Jeder Arbeitnehmer muss am Vormittag und Nachmittag seine Körpertemperatur an seinen Arbeitgeber übermitteln.
«Was problematisch ist, ist die Ungewissheit, wann wieder Normalität eintritt», sagt Ralf. Ende Juli will er wieder zu seinem Mann fliegen – an diesem Plan hält das Paar derzeit fest.
Stefan Osorio-König und sein Freund sind seit 2014 ein Paar. Sanjay Patel stammt aus Indien, ist bei seiner Familie nicht geoutet, deshalb haben wir seinen Namen geändert. In Düsseldorf haben sie eine gemeinsame Wohnung, doch Stefan arbeitet seit Januar dieses Jahres als politischer Gewerkschaftssekretär in Luxemburg – da sehen sich die beiden nur am Wochenende. Immerhin. Aber selbst das geht gerade nicht. Vor vier Wochen haben sie sich das letzte Mal gesehen, richtig gesehen – die täglichen Skype-Verabredungen am Abend nicht mitgerechnet.
Sie könnten sich in der derzeitigen Ausnahmesituation schon treffen, aber die beiden haben vorsichtshalber entschlossen, dass erstmal jeder da bleibt, wo er ist.
Luxemburg hat drei Nachbarländer: Frankreich, Belgien und Deutschland. Alle drei Nachbarn kontrollieren die Grenzen. (In Polen führten Grenzkontrollen zu Problemen für Regenbogenfamilien – MANNSCHAFT berichtete).
Von Luxemburger Seite sind die Grenzen offen, es gibt keine Kontrollen. «Die Luxemburger sagen: Wir sind für offene Grenzen, wir sind für Schengen», erklärt Stefan. «Das ist auch eine politische Entscheidung. Luxemburg ist aber auch sehr stark abhängig von den Grenzpendlern. Das Land hat rund 600.000 Einwohner, und täglich pendeln 200.000 Menschen herein. Man könnte nicht arbeiten, wenn man die Grenzen dicht machte, das gilt auch für Supermärkte und Krankenhäuser.»
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Was, wenn die Grenzen plötzlich dicht sind und ich komme nicht zurück?, überlegte Stefan. Oder sollte Sanjay nach Luxemburg fahren, so könnte er bei der Rückfahrt Probleme bekommen – schliesslich sind die beiden nicht verpartnert. Lässt man das dann gelten als Grund, wenn jemand von A nach B reist?
Darum haben sie es für den Moment so entschieden: Stefan bleibt in Luxemburg, auch wenn er gerne seinen Freund sehen würde. Der sieht die Sache etwas nüchterner. «Es ist nicht so schwer. Ich bin jedes Jahr für zwei, drei Wochen in Indien – dann sehen wir uns auch nicht.»
Wir sind Erwachsene, sagt der Software-Entwickler, wir verstehen die Situation. «Es gibt Technologien, die es uns erlauben, jeden Tag zu sprechen und sich zu sehen – über Skype, jeden Abend.»
Dazu kommt: Santay ist eher introvertiert, geht nur selten raus – die Kontaktsperren haben für sein Leben keine grosse Auswirkung. Bei Stefan ist das anders. «Ich muss mindestens am Tag 10 Menschen umarmen – das ist mein Mindestbedürfnis, um mich wohl zu fühlen.»
Stefan sagt, sie führen zwar eine offene Beziehung, aber das nütze ihnen in Zeiten von Corona auch nichts. Stattdessen wird gelesen, Netflix geschaut. Das, womit sich derzeit viele die Zeit vertreiben.
Noch weiss keiner, wie lange die Ausnahmesituation dauert. Sie haben keinen Punkt festgelegt, an dem sie sich – aller Sicherheitsbedenken zum Trotz – dann doch sehen wollen.
«Es geht jetzt nicht um Emotionen», sagt Santay. «Auch wenn es drei Monate geht – dann ist das nicht das Ende der Welt.» Bei der Aussicht verzieht Stefan allerdings das Gesicht. So lange wird es hoffentlich nicht mehr dauern.
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Auch Sören Landmann und sein Mann führen eine Fernbeziehung, der eine arbeitet in Deutschland, der andere in Luxemburg. Seit über 19 Jahren sind sie ein Paar, 2016 haben sie geheiratet – damals in Edinburgh, die Ehe wurde in Deutschland erst im Folgejahr geöffnet.
Sören arbeitet bei der Stadt Mannheim als LGBTIQ-Beauftragter, sein Mann ist als Wirtschaftsprüfer in Luxemburg tätig. Anfang März hatten sich die beiden das letzte Mal gesehen. Zwischenzeitlich hat der Arbeitgeber Sörens Mann in Quarantäne gesteckt. Über zwei Wochen hat er die Wohnung nicht verlassen. Er war nämlich kurz zuvor in Mannheim gewesen, bei Sören, und die Stadt galt nun plötzlich wie das ganze Bundesland Baden-Württemberg als Risikogebiet, erzählt Sören. Auf Corona getestet wurde sein Mann nicht; ob er den Virus hatte – man weiss es nicht.
Als Mitarbeiter der Stadt ist Sören angehalten, sich an die offiziellen Empfehlungen zu halten, und dazu gehört auch: Bus oder Bahn lieber zu meiden. Sonst hätten sich die beiden schon längst in Trier treffen können, wo sein Mann wohnt.
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Ihre Geschichte hatte aber an Karfreitag nun ein vorzeitiges Happy-End, die Sehnsucht war zu gross. Sörens Eltern haben ihm ihr Auto geliehen, und so traf sich das Paar tatsächlich in Trier und schaltete sich mit Sörens Schwiegereltern via WhatsApp zu einer digitalen Weinprobe zusammen. Ein etwas anderes Familientreffen. Schön in diesen Zeiten zu sehen: «Unsere Familien halten zusammen», sagt Sören.
Doch von dem Treffen müssen die beiden Männer jetzt mal eine Weile zehren. Denn wann sie sich das nächste Mal leibhaftig treffen können, das ist momentan noch völlig ungewiss.
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