«Wenn die FPÖ an die Macht kommt, dann kämpfe ich!»
Ende des Monats wird gewählt
In Österreich bewertet man die Ergebnisse der Landtagswahlen in Ostdeutschland recht unterschiedlich. Die queerfeindliche FPÖ will einen ähnlichen Erfolg wie die AfD landen. Wir sprachen mit Queers aus Wien über diese Aussicht.
Für SPÖ-Chef Andreas Babler ist das starke Abschneiden der AfD bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen besorgniserregend. Dies müsse «bei allen Demokrat*innen die Alarmglocken schrillen lassen – auch über Deutschland hinaus».
FPÖ-Bundesparteiobmann Klubobmann Kickl dagegen gratulierte der AfD und den Wähler*innen in Thüringen und Sachsen (MANNSCHAFT berichtete) zu den starken Wahlergebnissen: «Der klare Sieg in Thüringen und das Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU in Sachsen – jeweils mit den historisch besten Ergebnissen – sind Ausdruck der Hoffnung auf einen Systemwechsel». Einen solchen Wechsel strebt die rechtspopulistische Partei auch in Österreich an, bei den Nationalratswahlen Ende des Monats.
Laut aktueller Lazarsfeld-Umfrage verliert die FPÖ zwar leicht Punkte und kommt derzeit auf 27 Prozentpunkte. Allerdings kann Herbert Kickl in der Kanzlerfrage zulegen und erreicht aktuell mit 22 Prozent klar Platz 1.
Die Grünen-Politikerin Ulrike Lunacek, einst Vizepräsidentin des EU-Parlaments, gibt sich im Gespräch mit MANNSCHAFT dennoch optimistisch, dass ein Wahlsieg der FPÖ zu vermeiden ist. «Wir haben bei den Europawahlen auch gesehen, dass die Bäume der FPÖ nicht so hoch wachsen, wie es in den Umfragen aussieht. Sie hatten in den Umfragen an die 30 %, aber dann nur 25 bekommen, was auch zu viel ist.» Im Vergleich zur EU-Wahl 2019 hatte die FPÖ mehr als acht Prozentpunkte dazu gewonnen.
Es werde bei der Nationalwahl wahrscheinlich auch so sein, dass die FPÖ auf Platz 1 landet. Lunacek hält es für möglich, dass die ÖVP, um an der Macht zu bleiben, Kickl zum Bundeskanzler macht. «Die ist mittlerweile so weit nach rechts gerückt», so Lunacek. Ausserdem gebe es in Österreich keine erklärte «Brandmauer» wie von Seiten der CDU gegenüber der AfD.
Aber wer wählt die FPÖ? Es gibt in Deutschland erstaunlich viele Queers, die die AfD wählen (MANNSCHAFT berichtete). Das dürfte sich in Österreich nicht wesentlich anders verhalten. Lunacek sagt allerdings, sie kenne nicht so viele, für die das in Frage komme. Es seien wohl eher die schwulen Männer als die lesbischen Frauen, glaubt sie, schon wegen der Männerdominanz in der FPÖ. Das sei in der AfD ein bisschen anders, mit der lesbischen Co-Chefin Alice Weidel.
Lunacek weiter: «Ich denke, dass es bei schwulen Männern viel mit dem Thema Migration zu tun hat und mit Angst vor muslimischen Migranten, bei denen Homophobie sehr verbreitet ist. Und sie glauben, dass die Freiheitlichen sie davor retten – was sicher nicht stimmt.»
Die breite Zustimmung zur FPÖ versteht sie auch aus anderen Gründen nicht. «Bei den Freiheitlichen sind ganz viele Burschenschaftler, das heisst, es sind Akademiker und eben nicht das einfache Volk. Es ist absurd.»
Thomas «Tom» Wucherer blickt ebenfalls mit Sorge auf die Wahlen. Nicht zuletzt weil auch viele in seiner Familie die FPÖ wählen wollen. Er betreibt mit seinem Mann in Wien den Laden Gayt für Fetischmode und Sextoys (MANNSCHAFT+). Für ihn ist klar: «Wenn die FPÖ an die Macht kommt, dann kämpfe ich!» Die beiden haben viel Arbeit in ihren Laden gesteckt. Derzeit schuften sie fast sieben Tage die Woche und haben kaum noch Zeit für etwas anderes. Der Laden ist ihr Leben. «Das lassen wir uns nicht nehmen.»
Schon jetzt haben sie immer wieder Ärger mit der Nachbarschaft. Das hat allerdings weniger politische Gründe. Das liegt vielmehr an Grusskarten, die sie im Gayt verkaufen und die mit teils expliziten Motiven im Schaufenster stehen. Erst erhielten das Paar komische Emails, einmal kam sogar eine Frau mit zwei Polizisten. Man sprach von der Verhöhnung einer Religion, das sei gesetzlich nicht erlaubt. Die Polizei sprach eine Verwarnung aus.
Aber die Jungs lassen sich nicht zensieren. Bei der Pride-Ausstellung gab es dieses Jahr ein Motiv mit einem Kreuz, von einem Kondom überzogen. «Das ist Kunst und das muss aufregen», sagt Tom und hängte es ins Fenster.
Und überhaupt: Im Haus wohnten viele alte Leute, die fänden die Schaufenster des Gayt super. «Es gibt auch Leute, die gehen bei uns vorbei und sagen: Wenn ich einen schlechten Tag habt, lauf ich bei Euch extra vorbei, weil die Fenster mich amüsieren.»
Die lesbische Aktivistin Barbara Fröhlich befürchtet, dass ein heisser Herbst bevorsteht und dass die FPÖ über 30 % der Stimmen bekommt. Schon die Stimmzugewinne der FPÖ bei der Europawahl haben Fröhlich, die lange Referentin der Lesbengruppe der HOSI war, persönlich sehr beunruhigt. «Wenn die FPÖ an die Macht kommt, wird die queere Community unter den ersten sein, bei deren Freiheiten Abstriche gemacht werden», glaubt die Aktivistin.
Dass es auch queere FPÖ-Wähler*innen gibt, dafür hat sie eine Erklärung. «Ich würde sagen, die NS-Vergangenheitsbewältigung innerhalb der queeren und vor allem der Schwulenbewegung, hat nicht stattgefunden oder nicht genügend stattgefunden.» In der Nazizeit wurden Schwule zwar einerseits verfolgt und getötet, doch es habe auch NS-Sympathisanten in der Community gegeben – und auch Täter, so Fröhlich. Das sei in der queeren Community zu wenig bekannt.
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