Geschichtsträchtige «Barfüsser-Bar» verliert ihren Standort
Das Lokal wird Anfang Dezember zur Neuvermietung ausgeschrieben
Die Ära der «Barfüsser-Bar» im historisch bedeutsamen Gebäude an der Spitalgasse 14 ist vorbei. Die Stadt Zürich und die ehemaligen Mieter*innen des Lokals haben allerdings unterschiedliche Versionen davon, wie es mit der legendären LGBTIQ-Bar zu Ende ging.
Die «Barfüsser-Bar» in Zürich war gemäss eigenen Angaben die älteste Schwulenbar Europas – ein Ort von historischer Bedeutung für die Schweizer LGBTIQ-Community. Vor 65 Jahren lernte sich dort mit Ernst Ostertag und Röbi Rapp das wohl berühmteste Männerpaar der Schweiz kennen. Nachdem der Barfüsser 2002 zur Sushi-Bar umgestaltet wurde und der direkte Bezug zur LGBTIQ-Community etwas verloren ging, ist jetzt endgültig Schluss.
Neuvermietung angekündigt Die Mieter*innen ziehen 30 Meter weiter und eröffnen im Hotel «Platzhirsch» gegenüber vom Klub «Heaven» die Suhi-Bar Barfüsser. Ein grosses Plakat kündigt dort bereits die Eröffnung auf den ersten November an. Damit verschwindet der Name vom geschichtsträchtigen Standort an der Spitalgasse 14.
«Die Mietpartei wollte den Barfüsser nicht mehr am bisherigen Standort weiterführen», erklärt Kuno Gurtner, Ansprechperson Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ), auf Anfrage von MANNSCHAFT. Dies, obwohl man ihr eine fünfjährige Verlängerung des Mietvertrages angeboten habe. Gleichzeitig sei der Mietpartei jedoch auch mitgeteilt worden, dass das Lokal nach Ablauf dieser Verlängerung zur Neuvermietung ausgeschrieben werde. «Wegen der schon sehr langen Dauer des Mietverhältnisses von 20 Jahren, und weil von den ursprünglichen Mieter*innen unterdessen niemand mehr dabei ist», so Gurtner.
Die Mietpartei sei unter diesen Umständen – Verlängerung mit anschliessender Neuausschreibung – nicht mehr an der Fortsetzung interessiert gewesen. «Selbstverständlich hätte sie sich wieder bewerben können», versichert Gurtner.
Unterschiedliche Versionen Die bisherigen Mieter*innen stellen den Vorgang allerdings anders dar. Gegenüber dem Tagblatt der Stadt Zürich sagte Mitinhaberin Viviane Kessler, dass sie den Termin zur Optionsausübung im vergangenen Jahr wegen dem Corona-Stress ganz einfach versäumt hätten. Es sei «enttäuschend», dass die Stadt nicht willens gewesen sei, über die nicht erfolgte Optionsausübung zu informieren oder bei den Inhaber*innen diesbezüglich nachzufragen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen.
Kuno Gurtner bestreitet diesen Vorwurf indes. Liegenschaften Stadt Zürich habe bei der Mietpartei nachgefragt. Auch habe man sie im Rahmen einer Video-Sitzung nachträglich eingeladen, einen Antrag für die Verlängerung einzureichen, der dann auch genehmigt worden wäre.
LGBTIQ-Bewerbungen erwünscht Mit den bisherigen Mieter*innen lässt die Stadt Zürich auch den Namen «Barfüsser» aus dem legendären Lokal an der Spitalgasse 14 ziehen. Dagegen habe sie nach eigenen Angaben nichts machen können, da sie den Namen nie schützen liess – es sei auch nicht sicher, ob das rechtlich überhaupt möglich gewesen wäre, sagt Gurtner. Bewerber*innen werden deshalb in der Ausschreibung gebeten, einen neuen Namen für das Lokal vorzuschlagen.
Die Stadt sei sich aber der historischen Bedeutung des Lokals für die LGBTIQ-Community durchaus bewusst, sagt Gurtner. «Deshalb hat sie unter anderem eine Informationstafel auf der Brunngasse-Seite des Gebäudes anbringen lassen, die über die Geschichte des Lokals informiert.»
Das Lokal werde voraussichtlich Anfang Dezember zur Neuvermietung ausgeschrieben. Die Ausschreibung werde den Hinweis enthalten, dass Bewerbungen aus der LQBTIQ-Community ausdrücklich erwünscht, aber keine Bedingung sind.
Es ist nicht die einzige Veränderung im Zürcher LGBTIQ-Nachtleben: Erst vergangenen Monat gab Betreiber Remo Hofer bekannt, dass die Zürcher Gaybar «Infinity» – rund 100 Meter von der Barfüsser-Bar entfernt – schliessen wird (MANNSCHAFT berichtete).
Mehr über die Vergangenheit der Barfüsser-Bar findest du in einem Beitrag auf Schwulengeschichte.ch, geschrieben von Ernst Ostertag.
Unterstütze LGBTIQ-Journalismus
Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!
Das könnte dich auch interessieren
Queerfeindlichkeit
«Machokultur»: Hohe Diskriminierung gegen Queers in Schweizer Armee
Eine neue Studie legt erschreckende Zahlen offen. LGBTIQ Dachverbände fordern deshalb einen «Kulturwandel».
Von Newsdesk Staff
News
Schweiz
News
ILGA: «Nicht schweigen, wenn Menschenrechte verletzt werden!»
Erläuterungen zum Ausschluss der israelischen Gruppe von Julia Ehrt
Von Kriss Rudolph
Schwul
Vorurteile wegboxen: «Wir zeigen eine wehrhafte Queerness»
Fotograf Marc Martin und trans Darsteller Jona James zeigen ihre Ausstellung über Sport, Männlichkeitsbilder und Schwulsein in Berlin. Dabei wird vieles in ein neues Licht gerückt.
Von Carolin Paul
TIN
Kultur
Fotografie
LGBTIQ-Weltverband straft israelisches Mitglied ab
Die Entscheidung führt zu Protesten
Von Kriss Rudolph