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Japans Fussballstar der Nationalmannschaft outet sich als trans

In Deutschland und den USA hat Kumi Yokoyama erlebt, was es heisst, «offen» zu leben. Jetzt kam das Coming-out via YouTube

Kumi Yokoyama
Kumi Yokoyama beim Spiel der Frankfurterinnen gegen den FC Bayern München, Dezember 2017 (Foto: el_loko / Wiki Commons)

Während in Europa das EM-Fieber grassiert und über Manuel Neuers Regenbogenarmbinde debattiert wird sowie die Frage, ob das Stadion in München fürs Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben erleuchten sollte, outet sich am anderen Ende der Welt der japanische Fussballstar Kumi Yokoyama als trans und möchte fortan für sich die genderneutralen Personalpronomen «they» und «them» verwenden.

Yokoyama gehört seit 2015 zur japanischen Nationalmannschaft der Frauen, zählt zu den besten Torschützen. Zum Fussball kam das Talent über den älteren Bruder, unterschrieb 2017 einen Einjahresvertrag beim 1. FFC Frankfurt, danach ging es zurück zu den AC Nagano Parceiro Ladies in Japan und schliesslich weiter zu den Washington Spirits in den USA, wo Yokoyama derzeit lebt.

Nun hat der 27-jährige Fussballstar auf dem YouTube-Kanal der ehemaligen Teamkollegin Yuki Nagasato erklärt, dass die Zeit in Deutschland und den USA gezeigt habe, dass es möglich sei, «offen» zu leben. Damit ist Yokoyama laut nationalen Medienberichten der*die prominenteste japanische trans Sportler*in, in einem Land, das sich oft noch schwer tut mit LGBTIQ-Sichtbarkeit und -Rechten.

Der englischsprachigen Zeitung Japan Times erklärte Yokoyama in der Ausgabe vom Samstag: «In Zukunft möchte ich mit dem Fussball aufhören und als Mann leben.» In der Vergangenheit habe Yokoyama mehrere Beziehungen mit Frauen gehabt, doch das hätte man in Japan geheimhalten müssen. «In Japan wurde ich ständig gefragt, ob ich einen Freund habe, in den Vereinigten Staaten fragt man mich, ob ich einen Freund oder eine Freundin hätte.»


Nicht begeistert von Idee eines Coming-out
Als Yokoyamas Lebensgefährtin sagte, es gäbe keinen Grund weiterhin versteckt zu leben, habe das den Fussballstar tief getroffen. «Ich war nicht gerade begeistert von der Idee eines Coming-out, aber ich fokussiere mich darauf, wie sich mein Leben vorwärts entwickeln kann – und das wäre schwerer, wenn ich weiterhin im Kasten bliebe. Deshalb fand ich den Mut, mich zu outen.»

Die Lebensrealität für viele LGBTIQ in Japan ist schwierig, weil alte Vorurteile die gesellschaftliche Akzeptanz von Queers nach wie vor behindern (MANNSCHAFT berichtete über Gengoroh Tagames Kampf für mehr Sichtbarkeit von Schwulen in Japan). Allerdings konnte die LGBTIQ-Bewegung in den letzten Jahren auch grosse Fortschritte in Japan machen. «Immer mehr Menschen hierzulande wissen inzwischen, was die Buchstabenreihe LGBTIQ bedeutet», so Yokoyama. «Man liest darüber jetzt mehr in den Medien. Aber mir war klar, wenn einflussreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich nicht outen und ihre Stimme einsetzen, dann wird [diese Sichtbarkeit und Akzeptanz] nicht wachsen.»

Von den Teamkolleginnen in den USA habe Yokoyama nur Unterstützung bekommen: «Als ich ihnen das erste Mal davon erzählte, sagten sie sogar, es wäre uncool, das zu verstecken. Ich musste ihnen erst mal erklären, dass die japanische Kultur sehr anders ist und warum ich die Notwendigkeit mich zu verstecken verspürte.» Mit der jetzigen Aktion hoffe Yokoyama, weitere trans Stimmen zu «erheben».


We support and are so proud of you Kumi💙🏳️‍⚧️Thank you for showing the world it’s ok to embrace who you are! https://t.co/Gi7btIAT7l

— Washington Spirit (@WashSpirit) June 19, 2021

Hormontherapie wäre bei Doping-Kontrollen aufgefallen
Laut eigener Aussage habe sich Yokoyama bereits im Alter von 20 die Brüste entfernen lassen. Geplant seien weitere geschlechtsangleichende Operationen nach Beendigung der Fussballkarriere.

«Ich habe mich nie als Mädchen gesehen», so Yokoyama, «deshalb hasste ich die Pubertät. Als ich erwachsen war, dachte ich, ich spiele noch ein bis zwei Jahre Fussball; danach liess ich mir die Brüste entfernen. Das geht normalerweise nur, wenn man gleichzeitig Hormone nimmt, aber mein Arzt begriff meine Lage. Ich wäre bei Doping-Kontrollen sofort aufgefallen, wenn ich Hormone genommen hätte. Deshalb hatte ich damals nur diese Oberkörper-OPs.»

Yokoyama nennt Quinn von der kanadischen Fussballnationalmannschaft der Frauen als Vorbild und Inspiration. Quinn machte die Transition 2020 öffentlich (MANNSCHAFT berichtete) und wählte ebenfalls die «they/them»-Pronomen für sich. «Quinn trug ein T-Shirt mit der Aufschrift ‹Schützt trans Kinder› vor einem Spiel, und mir wurde klar, was es bedeutet, ein echtes Zeichen zu setzen.» Quinn darf weiterhin im Frauenfussball antreten.

Rebecca Quinn
Quinn bei den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien (Foto: Andre Borges / Agência Brasília / Wiki Commons)

Yokoyama wünscht sich für die Zukunft, dass die Mehrheitsgesellschaft Menschen akzeptiere, mit denen sie unmittelbar erst einmal nichts zu tun habe – oder glaube, nichts zu tun zu haben. Dabei mitzuhelfen, sei Teil der Persönlichkeit, die Yokoyama werden wolle: «Ich hoffe, wir können solch eine Gesellschaft erschaffen.»

Zur Erinnerung: 2019 hatte der japanische Supreme Court entschieden, dass trans Menschen eine Zwangssterilisation vornehmen lassen müssen, bevor ihr Geschlecht offiziell von den Behörden geändert wird (MANNSCHAFT berichtete).


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