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Kritik an Emma-Artikel – und viel Solidarität mit Tessa Ganserer

LSVD: Es geht um mehr als die Person

Tessa Ganserer
Tessa Ganserer (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Neben zahlreichen Abgeordneten der Grünen und Teilen der SPD verurteilt auch der LSVD die Angriffe auf die trans Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Grüne) als Auftakt zu einer geschlechterideologischen Debatte

Die mediale Attacke gegen die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Grüne) wegen ihrer trans Identität offenbare «die menschenverachtende Haltung Alice Schwarzers Emma als erprobtem Sprachrohr transfeindlicher Feministinnen», so der LSVD.

Zuvor hatten sich zahlreiche Abgeordnete der Grünen zu Wort gemeldet. Die SPDqueer hatte via Twitter ihre Solidarität mit Ganserer erklärt: «Wie Transfeindlichkeit unter dem Deckmantel von Journalismus offen zur Schau gestellt wird, sieht man aktuell bei der Emma.»

Wie andere Vorkämpferinnen macht @GansGruen mit ihrem Beispiel vielen Menschen Mut. Wir unterstützen und bestärken Tessa Ganserer in ihrer Haltung, selbstbestimmt zu leben. @ulle_schauws https://t.co/FKYC5xj8xR

— Britta Haßelmann (@BriHasselmann) January 21, 2022

Der am vergangenen Mittwoch von der Emma veröffentlichte Text sei dabei unter jeder journalistischen Gürtellinie, so der LSVD: «Tessa Ganserer wird durchgehend mit ihrem männlichen Deadname genannt, sie wird als physischer und juristischer Mann bezeichnet und ihr wird vorgeworfen, dass sie keine Personenstandsänderung und keine geschlechtsangleichende Operation hat vornehmen lassen».


Die Quintessenz des Artikels ist dabei, dass Tessa Ganserer einer «biologischen Frau» das Bundestagsmandat weggenommen hat. Unschwer sei laut LSVD zu erkennen, dass Alice Schwarzer hier den Aufschlag mache zu ihrem in Kürze erscheinenden Buch «Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? – Eine Streitschrift». Das lässt Schlimmes befürchten und macht klar: Es geht um mehr als die Person Tessa Ganserer.

Zum Aufhänger nimmt die Emma einen Einspruch der Initiative «Geschlecht zählt» beim Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages gegen die Wahl Ganserers. Die trans Politikerin musste zur Bundestagswahl 2021 unter ihrem Geburtsnamen auf dem Wahlzettel erscheinen, mit ihrem Deadname (MANNSCHAFT berichtete).

Kaum jemand habe bisher von der Initiative «Geschlecht zählt» und deren Einspruch gehört, so der LSVD. Keine der angeblich «zahlreichen Frauen», die Einspruch gegen die Wahl Tessa Ganserers in den Deutschen Bundestag erhoben haben sollen, wolle offenbar namentlich genannt werden. Eine rechtliche Argumentation zu der Beschwerde beim Bundeswahlleiter fehle zudem völlig.


Stattdessen finde sich eine Kampfansage gegen das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz und ein seitenlanges Geschwurbel über die «Transgender Lobby», begleitet von internationalen Verschwörungsideen und der Warnung vor der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. «Transfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit», so der LSVD.

Tessa Ganserer ist eine Frau. Nur weil sie zufällig trans ist, nimmt sie keiner cis Frau einen Listenplatz weg. Liebe Emma, eure Berichterstattung ist menschenverachtend! #SolidaritaetMitTessa und viel Kraft @GansGruen

— Emili Walter (@walter_emili) January 21, 2022

Diese ideologische Verortung ist der Initiative «Geschlecht zählt» und der Emma gemein. Beide stünden für den sogenannten «Trans-Exclusionary-Radical-Feminism» (TERF), der in menschenverachtender Weise trans Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht abspreche und Transidentität als Massenphänomen beschwöre, das die Errungenschaften des Feminismus bedrohe. «Ein rhetorisches Phänomen, das an rechte Hetze erinnere», so der LSVD.

Der Applaus verschiedener AfD-Abgeordneter komme Emma gelegen; eine Distanzierung hiervon suche man jedenfalls vergeblich, kritisiert der LSVD.

Ach, wie tief kann man sinken…. Und dann noch nicht mal rechtlich gecheckt. https://t.co/WaVpGRc3rq

— Renate Künast (@RenateKuenast) January 21, 2022

Indes hat der neue Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, zugesichert, das umstrittene Transsexuellengesetz (TSG) bis zum Ende der Legislaturperiode abzuschaffen. «Seit über 40 Jahren verletzt es die Würde des Menschen, weil ihm die Annahme zugrunde liegt, dass Transgeschlechtlichkeit eine Krankheit sei», so der Grünen-Politiker im Gespräch mit ntv.de. Dass eine Reform überfällig sei, finden nicht nur die Grünen (MANNSCHAFT berichtete).

Laut Transgender Network Switzerland TGNS haben in der letzten Woche sowohl NZZ als auch Tages-Anzeiger stark transfeindliche Beiträge veröffentlicht. Man habe sich in allen drei Fällen mit klaren Worten an die Redaktion respektive die Ombudsstelle gewandt und Richtigstellungen verlangt.


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