«Innerislamische Intoleranz»: Seyran Ateş kritisiert Konferenz
Die Aktivistin äussert sich dazu, dass queere Themen ausgeblendet bleiben
Innenministerin Nancy Faeser forderte am Dienstag muslimische Verbände bei der Deutschen Islam Konferenz (DIK) zu einer klaren Haltung gegen Antisemitismus auf. Der Zentralrat der Muslime stand jedoch nicht auf der Teilnehmer*innenliste.
Der Deutschen Islam Konferenz kommt in diesem Jahr eine besondere Aufmerksamkeit zu: Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel wird in Deutschland verstärkt über muslimischen Antisemitismus debattiert. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte bei der zweitägigen Konferenz muslimische Verbände auf, sich stärker gegen Antisemitismus zu positionieren. Einer der grössten Verbände – der Zentralrat der Muslime – stand jedoch gar nicht auf der Teilnehmerliste.
«Wir müssen anerkennen, dass wir in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus haben, der auch von Muslimen ausgeht. Dem müssen wir uns alle gemeinsam als Demokratinnen und Demokraten entschieden entgegenstellen», sagte Faeser bei der Eröffnung der Veranstaltung.
«Diese Verantwortung haben wir alle. Das heisst, es ist auch an den islamischen Gemeinschaften und Verbänden in Deutschland, sich laut und deutlich gegen Antisemitismus auszusprechen und den Terrorismus zu verurteilen. In den Freitagsgebeten, in den Gemeinden, auf Veranstaltungen oder auch auf den eigenen Social-Media-Kanälen.» Und zwar gleichlautend, egal ob auf Deutsch, Türkisch oder Arabisch kommuniziert werde.
«Kampf gegen Antisemitismus noch sichtbarer vorantreiben» Die Innenministerin appellierte «auch gerade an die grossen islamischen Verbände, die beanspruchen, die deutschen Muslime zu vertreten, den Kampf gegen Antisemitismus noch sichtbarer voranzutreiben». Auf der Bühne der Diskussionsrunden fanden sich die Köpfe muslimischer Verbände dann jedoch nicht – stattdessen sassen dort weitgehend Regierungsvertreter*innen und Wissenschaftler*innen.
Die Konferenz besuchte u.a. auch Seyran Ateş, die anschliessend auf Facebook erklärte: «Auf der Islamkonferenz am heutigen Tage war schnell klar: wir sind offensichtlich Opfer des falschen Extremismus. Dass wir durch Islamisten nicht nur über das Internet, sondern auch durch Terroristen in Deutschland bedroht werden, interessierte heute bedauerlicherweise die Wenigsten.»
Weiter heisst es: «Die DIK hat sich leider vor über einem Jahr dazu entschieden, dass innerislamische Intoleranz nicht auf der Konferenz diskutiert werden solle.»
Diese Kritik, dass es Bedrohung von liberalen Muslim*innen auch und gerade aus der muslimischen Community selbst gibt, äusserte Ateş am Dienstagabend sehr medienwirksam in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau. Sie trug zu ihrem Auftritt einen Regenbogenschal (ab 8’15).
In ihrer ausführlichen Facebook-Stellungnahme heisst es weiter: «Unser Mitglied Tugay versuchte damals die Queerfeindlichkeit in muslimischen Communities zu thematisieren. Nach den, teilweise wütenden, Reaktionen wurde das Thema ‹Innerislamische Intoleranz› komplett gestrichen. Auch die teilweise gewalttätige Ablehnung eines liberal gelebten Islams wurde auf der DIK nicht diskutiert. Diskutiert wird ausschliesslich die Gewalt von rechts sowie der vorhandene Islam- und Muslimhass.»
«Keine Stimme» Ateş beklagt, dass «liberal gelebter Islam» (der auch offen ist für LGBTIQ) und ihre Berliner Gemeinde, die seit über sechs Jahren besteht, keine Stimme auf der DIK bekomme. Der Tagesschau-Auftritt hat daran vielleicht ein bisschen etwas verändert.
Die Deutsche Islam Konferenz wurde 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen. Sie dient der Bundesregierung zum Austausch und zur Kooperation mit Muslim*innen. Wer bei der Konferenz die Interessen der Muslim*inne vertreten sollte, ist seit der Gründung immer wieder ein Streitpunkt.
Ihren Post bebildert Ateş mit einem Symbolfoto auf dem es heisst: «Liberaler Islam auf der Deutschen Islamkonferenz: Error 404.» Darunter sieht man das Logo ihrer queerfreundlichen Ibn Rushd-Goethe Moschee, die schliessen musste wegen Anschlagsrisiken im Zusammenhang mit IS-Terrorist*innen aus Tadschikistan (MANNSCHAFT berichtete).
«Wir sind mit unserer Kraft in diesem Moment am Ende», sagte Ateş im Oktober. (mit dpa)
Der Chefredakteur der Tagesschau, Helge Fuhst, hatte erst kürzlich erklärt, wie wichtig die Sichtbarkeit und Repräsentation von LGBTIQ in den Medien sowie den Nachrichten sei (MANNSCHAFT berichtete).
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