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„Viele wollen die ersten sein“

Der Beschluss zur Ehe für alle im Bundestag war kaum 15 Minuten alt, da kamen schon die ersten Anfragen im Berliner Standesamt Tempelhof-Schöneberg. Seit Freitag halb 10 rufen heiratswillige Schwule und Lesben an oder stellen ihre Anfrage per Mail – rund 20 wurden allein in Tempelhof-Schöneberg bisher gezählt -, ähnlich geht es den anderen großen Standesämtern in Berlin, Charlottenburg-Wilmersdorf oder Mitte. Viele wollen die ersten sein, die eine handelsübliche Ehe schließen, die dann nicht mehr Eingetragene Lebenspartnerschaft heißt. Problem nur: Die Standesämter können noch gar keine Termine vergeben. Frühestens im Oktober oder November, so glaubt der Leiter des Standesamtes Tempelhof-Schöneberg Gordon Holland, sei das möglich. Bis dahin müssten aber noch einige Dinge geklärt und die Personenstandsverordnung sowie Softwareprogramme geändert werden. Sonst bliebe es dabei, dass auf der Heiraturkunde „Ehemann“ und „Ehefrau“ steht, auch wenn es zwei Männer sind, die heiraten. (Hier gibt es eine Traumhochzeit in New Orleans zu gewinnen.)

Anpassungen in Personenstandsverordnung

Der Lesben- und Schwulenverband, LSVD, hat bereits einen Entwurf für die Umsetzungsregelung vorgelegt. Äußerungen von Bundesinnenminister de Maizière, die Ehe für alle sei technisch „nicht ohne Weiteres umsetzbar“, kritisiert LSVD-Sprecher Axel Hochrein und warnte den Minister davor, das Thema zu verschleppen. Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz enthalte neben der Öffnung der Ehe im Bürgerlichen Gesetzbuch auch klare und eindeutige gesetzliche Regelungen zur Umwandlung bestehender Lebenspartnerschaften in die Ehe. Diese gesetzlichen Neuregelungen müssten nun lediglich durch Anpassungen vor allem in der Personenstandsverordnung umgesetzt werden.


Lebenspartnerschaften können weitergeführt werden

Einem Sprecher der Berliner Innenverwaltung zufolge bestehe allerdings keine Pflicht zur Umwandlung. Eingetragene Lebenspartnerschaften könnten auch weitergeführt werden. Neue Verpartnerungen seien allerdings künftig mehr möglich.

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„Es ist absurd, dass eine Riesenbehörde wie das Bundesinnenministerium es binnen dreier Monate nicht schaffen soll, die notwendigen Verwaltungsregelungen für die Ehe für alle auf den Weg zu bringen.“ Der LSVD habe den Entwurf für die notwendigen Regelungen in der Personenstandsverordnung innerhalb von drei Tagen ausgearbeitet und ihn am Montag dem Bundesinnenminister übersandt. Man wolle sichergehen, dass die Öffnung der Ehe dort zügig und seriös angepackt wird. So schlägt der LSVD u.a. vor, in den Beurkundungen den Begriff „Ehemann“ durch „1. Ehegatte“ zu ersetzen, „Ehefrau“ durch „2. Ehegatte“.

Kein Automatismus bei der Umwandlung

Noch ist auch nicht klar, wie die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft zu einer Ehe aussehen kann. Verena Rathgeb-Stein, Leiterin des Standesamtes Stuttgart-Mitte, geht jedenfalls davon aus, dass es als eine Art von „aktivem Akt“ stattfinden werde; einen Automatismus gebe es nicht. Knapp 20 Interessierte haben sich mittlerweile beim größten Standesamt der Stadt erkundigt, denen man aber noch keine abschließende Auskunft geben konnte. Für Standesamtsleiter Holland ist die Ausgestaltung der Umwandlung auch noch nicht geklärt. Aber beim Lesbisch-Schwulen Stadfest in Schöneberg Mitte Juli ist sein Standesamt mit einem Stand vertreten. Man freue sich auf die Gespräche mit Homopaaren und wolle sich eine Meinung bilden, was den Paaren in dieser Frage so vorschwebt, so Holland gegenüber der Mannschaft.

Details frühestens im November

Auch in Köln geht man davon aus, dass frühestens im November Details und Formalia festgelegt seien. Bis dahin sei eben „nur“ die Begründung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft möglich. Bisher hätten aber noch keine Paare ihre bereits vereinbarten Termine beim Standesamt abgesagt, weil sie vielleicht lieber warten wollen, bis sie ohne Umwege heiraten können.

Vom Leiter des Standesamtes Dresden, Frank Neubert, hören wir, man kenne den Gesetzentwurf noch nicht. „Es ist uns auch nicht bekannt, wie die neue Niederschrift zur Eheschließung und die Urkunden bei gleichgeschlechtlichen Paaren aussehen werden. Es kann durchaus auch sein, dass es keine Veränderung in den standesamtlichen Formalitäten geben wird.“

Das elektronische Verfahren für alle Standesämter in Deutschland anzupassen, sei nicht ad hoc zu realisieren. Noch gebe es in Dresden aber auch keine Anmeldungen für Trauungen mit gleichgeschlechtlichen Paaren.

LSVD ermahnte den Bundesinnenminister dazu, „für die fristgerechte Umsetzung des vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossenen Gesetzes zu sorgen.“ Dabei dürfe es keine Rolle spielen, dass de Maizière persönlich ein harter Kämpfer für die Fortsetzung der Diskriminierung von Lesben und Schwulen sei. „Wenn er als Bundesinnenminister die Umsetzung der Ehe für alle verschleppt, wäre das klarer Amtsmissbrauch“, so Hochrein.

Bayern will klagen

Der Freistaat Bayern erwägt derweil, vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Eheöffnung zu klagen. Dies kündigte gestern der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer bei einer gemeinsamen Vorstandssitzung mit der CDU an. Laut Rheinischer Post sollen dafür nun entsprechende Rechtsgutachten eingeholt werden. Dies könne „Monate dauern“, so Seehofer; möglicherweise gebe es bis zur Bundestagswahl Ende September noch keine Entscheidung.


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