Hass auf Homosexuelle und Feminismus: Inkognito unter Rechtsradikalen
Tobias Ginsberg war für sein neues Buch unterwegs in Welten rechter Männerbünde
Wenn gekränkte Männer zur Gefahr für die offene Gesellschaft werden. Der jüdische Investigativjournalist Tobias Ginsburg unternahm eine düstere Reise in die Welten rechter Männerbünde, radikaler Antifeministen und gewaltbereiter Rechtsradikaler.
Von Sibylle Peine, dpa
«Mein Kopf ist kahlgeschoren, Augenbrauen und frisch gezüchteten Schnauzbart habe ich mir dunkel gefärbt, Kastanienbraun Nr. 4, das Fred-Perry-Polo steht mir ausgezeichnet, und auf der Nase trage ich eine nagelneue Brille, überteuert und potthässlich, aber ‚ein Gestell für den sportlichen Erfolgstypen’». So ausstaffiert begibt sich der Investigativjournalist Tobias Ginsburg in eine finstere Umgebung.
Es sind die Welten rechter Männerbünde, reaktionärer Burschenschaftler mit Schmiss, radikaler Antifeministen, testosterongesteuerter Rapper und gewaltbereiter Neonazis. Diese Paralleluniversen, in die sich Ginsburg unter falscher Identität einschleicht wie seinerzeit Günter Wallraff («Der Aufmacher», «Ganz unten»), eint der Hass auf den Feminismus, gepaart mit aggressiver Homosexuellen- und Jüd*innenfeindlichkeit (vor der auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Schuster, schon warnte – MANNSCHAFT berichtete)
Die Bünde und Zirkel toxischer Männlichkeit sind gruselig und skurril, teilweise bemitleidenswert und lächerlich, aber eben auch bedrohlich. Im schlimmsten Fall gebiert diese Szene Mörder wie etwa den Norweger Anders Breivik oder Brenton Tarrant, jenen Attentäter von Christchurch, der tötete, weil Männer wieder Männer werden müssten, wie er in seinem Manifest deklamierte.
In seinem Buch «Die letzten Männer des Westens» beschreibt Tobias Ginsburg, der zuvor schon auf ähnliche Art unter Reichsbürgern und Islamisten undercover agierte, dass seine Inkognito-Recherche überraschend einfach war: «Ich bin nun mal ein Mann und ich bin weiss – und das reicht. Ich kann auch Orte betreten, an die man keinen Fuss setzen sollte. Für mich gibt es kaum No-go-Areas, und als deutscher Jude bin ich es sowieso gewohnt, mich zu assimilieren.»
Unter verschiedenen Pseudoidentitäten schleicht er sich ein. Bei einem polnischen rechtsextremen Thinktank gibt er sich als Mitglied einer nicht existenten Organisation MAfD, Männer für die AfD, aus und legt im Internet eine passende Seite an, die er sich aus rechtsradikalen Fundstücken und Textfragmenten zusammenbaut.
In den radikalen Männerbünden trifft Ginsburg auf viele gestörte Persönlichkeiten. Es sind labile junge Männer, oft Einzelgänger, die bei Frauen scheitern. Ihr Frust macht sie leicht anfällig für eine gut geölte Männlichkeitsindustrie, in der sie von selbst ernannten Coaches mit Aufreisstipps versorgt und brutal abgezockt werden. Übler ist jedoch, wenn sie in radikale Zirkel hineinstolpern und dort mit Hass angefüllt werden.
Dann gibt es die etwas ältere Gruppe der Männer, die sich als Scheidungsopfer fühlen und in ihrer gekränkten Männlichkeit zu wütenden Antifeministen und militanten Männerrechtlern mutieren.
Das Ego wird durch Hassorgien gegen Frauen, Schwule, Liberale und Juden aufgepolstert.
Besonders unappetitlich lesen sich Ginsburgs Ausflüge in rechtsradikale Burschenschaften und in die ostdeutsche Naziszene. Hier wird ein absurder, infantiler Männerkult zelebriert, in Strömen von Bier ertränkt und mit blutigen Prügeleien garniert. Das Ego wird durch Hassorgien gegen Frauen, Schwule, Liberale und Juden aufgepolstert.
In seinem wohl interessantesten Kapitel zeigt Ginsburg am Ende, wohin es führen kann, wenn eine anti-feministische, homofeindliche Rechte tatsächlich einmal an die Schalthebel der Macht gelangt. In Polen ist das nämlich längst der Fall. In relativ kurzer Zeit hat eine erzreaktionäre Bewegung über die Regierungspartei PiS das Land verändert: Es wurden «LGBT-freie Zonen» ausgerufen, Abtreibungen fast vollständig verboten, Presse und Justiz geknebelt und auf Linie gebracht (MANNSCHAFT berichtete). Auf Aktivistinnen und Schwule wird zum Teil regelrecht Jagd gemacht. Wie es denen dabei ergeht, schildert Ginsburg in berührenden Begegnungen.
Man hätte sich insgesamt noch mehr Einordnung und Hintergrund gewünscht, etwa darüber, wie die weltweite Vernetzung der Rechten eigentlich genau funktioniert. Aber das hätte wahrscheinlich den Reportagecharakter des Buchs gesprengt. Es ist zum Teil mit bösem Sarkasmus und Ironie geschrieben. Aber das Lachen bleibt einem doch im Halse stecken.
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