Grundgesetz für alle – Appell für LGBTIQ-Schutz
Trotz ihrer systematischen Verfolgung unter der NS-Diktatur finden queere Menschen bis heute keine Erwähnung in der Verfassung
Die Fraktionen des Deutschen Bundestags beraten zurzeit über eine Änderung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz. Neben einer Ersetzung des Rassebegriffs sei es von historischer Bedeutung, in diesem Zuge endlich einen Diskriminierungsschutz für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten festzuschreiben, fordert ein Appell.
In dem Appell von mittlerweile über 60 Organisationen wird gefordert, die derzeitige Beratung im Bundestag und in der Bundesregierung über eine Ersetzung des Rassebegriffs in Artikel 3, Absatz 3 Grundgesetz zu nutzen, um in diesem Zuge endlich auch einen verfassungsrechtlichen Diskriminierungsschutz für lesbische, schwule, bisexuelle, trans und interMenschen festzuschreiben. (Auch in den Niederlanden wird dafür gekämpft – MANNSCHAFT berichtete).
Die in Art. 3 (3) GG bereits aufgeführten Diskriminierungsmerkmale sind eine Lehre aus der menschenverachtenden Politik und Verfolgung durch den Nationalsozialismus, heisst es in dem Appell. Trotz ihrer systematischen Verfolgung unter der NS-Diktatur finden queere Menschen jedoch bis heute dort keine Erwähnung.
Die weit fortgeschrittene parlamentarische Beratung und die grosse Unterstützung seitens der Landesregierungen (auch die Mehrheit der Deutschen will es – MANNSCHAFT berichtete) böten eine einmalige und realistische Gelegenheit, im Zuge der nun geplanten Änderung des Rassebegriffs endlich auch queeren Menschen einen Schutz im Wortlaut der Verfassung zu garantieren. Dies sei mehr als 70 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes überfällig.
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Eine Änderung des Art. 3 (3) GG ohne Berücksichtigung eines solchen Diskriminierungsschutzes wäre ein verheerendes Signal für die queere Community und deren Familien, heisst es in dem Appell. «Nie wieder dürfen politische und gesellschaftliche Stimmungslagen zur Gefahr für die Freiheit und Würde des Einzelnen werden.»
Künftig müssten sich alle Menschen auf den verfassungsmässigen Schutz durch das Grundgesetz verlassen können. Die sexuelle oder geschlechtliche Identität eines Menschen dürfe niemals Grund zur Diskriminierung sein, heisst es.
Viele namhafte Queers unterstützen den Appell, darunter Anne Will und Carolin Emcke, aber auch Marco Kreuzpaintner, Ralf König und Jochen Schropp. Zu den Erstunterzeichner*innen gehören die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld,der CSD Deutschland e.V. sowie der LesbenRing e.V. und der LSVD. Hier kann man die Petition unterschreiben.
Zum gemeinsamen Forderungspapier zur Ergänzung des Artikels 3 GG erklärten die LGBTI-politischen Abgeordneten Doris Achelwilm (Die Linke), Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) und Jens Brandenburg (FDP) am Mittwoch gemeinsam: «Wir freuen uns über den starken Rückenwind aus der Community.»
Zur bevorstehenden Debatte im Bundestag zum Thema «Hass und Hetze gegen LSBTI» erklärte Jens Brandenburg, der Schutz vor homo- und transfeindlicher Hasskriminalität müsse endlich zur Kernaufgabe der deutschen Innenpolitik werden.
«Niemand soll aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität in Angst vor körperlicher und verbaler Gewalt leben müssen. Der weltweite Anstieg an LGBTI-feindlicher Gewalt und die zunehmende Bedrohung auch in Deutschland sind Anlass zur Sorge.» Die Behörden dürften nicht wegsehen, wie wir es nach dem schwulenfeindlichen Terrorattentat in Dresden (MANNSCHAFT berichtete) zunächst erlebt haben, so Brandenburg weiter.
Die Grünen-Politikerin Schauws verwies am Mittwoch zudem auf den Antrag ihrer Fraktion «Hass und Hetze gegen LSBTI wirksam bekämpfen», der am Mittwoch Thema im Bundestag ist. «2019 ist die Anzahl der Straf- und Gewalttaten gegen LGBTI im Vergleich zum Vorjahr um über 60 Prozent gestiegen. Der Mordfall in Dresden letztes Jahr war leider nur ein trauriger Höhepunkt. Der zuständige Bundesinnenminister hat bis heute keine einzige homo- oder transfeindliche Gewalttat öffentlich verurteilt oder gar ein Wort über die Sicherheit von LSBTI verloren. Das ist ein unhaltbarer Zustand und ein klarer Handlungsauftrag.» Es brauche endlich eine wirksame Strategie gegen LGBTIQ-feindliche Hasskriminalität.
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Deshalb fordern die Grünen eine bessere Forschung und Erfassung von Hasskriminalität, Sensibilisierungs- und Präventionsmassnahmen in Justiz und bei der Polizei, den Ausbau und bessere Unterstützung der Beratungsstellen sowie eine Neuordnung der Strafzumessungstatsachen in § 46 StGB mit explizite Benennung der LGBTI-Feindlichkeit und systematische Erneuerung des Volksverhetzungsparagraphen. Und dazu die Umsetzung der Gleichstellungsstrategie der Europäischen Union.
Queere Menschen müssten sich überall in Deutschland sicher fühlen – egal, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben, so Schauws.
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