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Geplante Verant­wortungs­gemeinschaft ist keine «Ehe light»

Gerade für Queers wichtig, sagt Sven Lehmann

Foto: Unsplash/Simon Maage

Für Menschen, die dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen wollen, soll es nach dem Willen von Bundesjustizminister Marco Buschmann künftig ein neues familienrechtliches Modell geben.

Freundschaften seien für Alleinstehende oft die wichtigsten Beziehungen im Leben, erklärt der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehman. «Gerade auch im Alter, wenn man verwitwet ist und ohne Kinder oder wenn diese weit weg wohnen», so der Grünen-Politiker.


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«Für Lesben, Schwule oder transgeschlechtliche Menschen ist es oftmals die Wahlfamilie, die aufgrund von Ablehnung nach dem Coming-out den Platz der Herkunftsfamilie eingenommen hat. Sie helfen und unterstützen sich im Alltag und in Notfällen gegenseitig. Für queere Menschen wird die Verantwortungsgemeinschaft eine Möglichkeit, ihre Wahlfamilie rechtlich abzusichern.»


Es ist keine Alternative zur Ehe, sondern ein Angebot für andere Nähebeziehungen.

Mit der Verantwortungsgemeinschaft wolle die Regierung all diese Beziehungen unbürokratisch und einfacher rechtlich absichern.

FDP-Minister Buschmann sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Wohlgemerkt: nicht als Alternative zur Ehe, sondern als Angebot für andere Nähebeziehungen.»

Als Beispiel nannte Buschmann Alleinerziehende, die sich gegenseitig unterstützen wollen oder zwei alleinstehende Seniorinnen, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben. «Sie sind kein Paar, sie wollen nicht heiraten. Sie wollen sich gegenseitig helfen, gerade auch im Notfall.» Mit der notariell beurkundeten Verantwortungsgemeinschaft könnten sie eine rechtssichere Grundlage schaffen, sagte der Justizminister. Das mache vieles einfacher, zum Beispiel das Auskunftsrecht gegenüber Ärzten oder andere Vertretungsfragen.


«Wir haben immer mehr Alleinerziehende, wir haben immer mehr alleinstehende Ältere: Ich glaube, es gibt einen Bedarf für die Verantwortungsgemeinschaft», sagte Buschmann. Sie habe «einen symbolischen Mehrwert. Wer sie eingeht, gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen.»


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Die Verantwortungsgemeinschaft sei aber keine «Ehe light», betonte der FDP-Politiker. «Sie wird keine Auswirkungen auf das Eltern-Kind-Verhältnis haben. Es wird keine Steuererleichterungen geben, auch keine erbrechtlichen Folgen oder Unterhaltspflichten. Wer möchte, soll allerdings den Vermögensausgleich nach Beendigung einer Verantwortungsgemeinschaft regeln können.»

Die Eckpunkte für das Gesetz seien gründlich vorbereitet, sagte Buschmann. Im Herbst wolle er einen Gesetzesentwurf ins Kabinett einbringen.

Auch die SPD-Bundestagsfraktion begrüsst grundsätzlich die Einführung dieser Verantwortungsgemeinschaft als Erfüllung einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Deren zuständiger Berichterstatter Jan Plobner teilte in einer Pressemitteilung mit:

«Spätestens seit Kernfamilien 2020 das durch Kontaktbeschränkungen geprägte Weihnachtsfest zusammen feiern durften, aber andere ‚Wahlfamilien‘ getrennt waren, ist eindeutig: Die Verantwortungsgemeinschaft kann eine klaffende Lücke schliessen und Lebensrealitäten absichern, die bisher rechtlich aussen vor waren. Insofern ist dieses Instrument überzeugend. Es kann für ganz unterschiedliche Konstellationen Bedeutung haben, ob für die oft erwähnte Alters-Wohngemeinschaft, Patchworkfamilien oder einen engen queeren Freundeskreis. Für all diese Fallgruppen muss die rechtliche Lösung universell passen, das erfordert noch sorgfältige Beratungen. Unsere Aufgabe ist dabei aber auch, einen klaren rechtlichen Mehrwert zu schaffen, gegenüber vorhandenen Möglichkeiten, gegenseitige Vollmachten notariell beglaubigen zu lassen.»

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings, hält das geplante Gesetz für überflüssig. «Wenn Alleinstehende füreinander im Alltag Verantwortung nehmen wollen, braucht es dafür schlichtweg auch kein neues, kompliziertes Rechtsinstitut. Auch nach den Plänen des Justizministers sollen sie diese Gemeinschaft ja vor dem Notar schliessen müssen», sagte Krings am Sonntag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Notare hielten dazu schon seit Jahrzehnten erprobte Vertragstexte bereit.

Der CDU-Politiker befürchtet, dass durch das Gesetz Vielehen anerkannt werden könnten. «Niemand wird kontrollieren können, welcher Art die Verbindung zwischen den Menschen in einer solchen Verantwortungsgemeinschaft ist. Was, wenn der Staat am Ende auch Verbindungen anerkennt, die unsere Rechtsordnung bisher mit Recht strikt ablehnt?», sagte Krings. (mit dpa)

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