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«Fragile as Glass» – Queeres Leben in Zeiten des Ukrainekrieges

Der Fotoband ist frisch erschienen

Ukrainekrieg
Yehor H. (20) und sein Freund Andrew (24) © Verlag Kettler

Im ersten Jahr des russischen Angriffskrieges recherchierte die Fotografin Sitara Thalia Ambrosio mehrere Monate in der Ukraine und dokumentierte die aktuellen Lebensrealitäten queerer Menschen. Nun erschien ihr Fotoband «Fragile as Glass» im Verlag Kettler.

Wie geht es queeren Menschen in der Ukraine? Wie beeinflusst der Krieg ihr Leben, ihr Umfeld, ihre Identität und Sexualität? Und wie lässt sich in diesen Zeiten lieben und begehren? Mit diesen Fragen im Gepäck ist die Hannoveraner Fotojournalistin Sitara Thalia Ambrosio im ersten Jahr der russischen Invasion durch die Ukraine gereist und hat die dortige LGBTIQ-Community in ihrem Alltag begleitet. Wie diese mit dem Krieg umgeht und den Alltag zwischen Luftalarm und einem gemeinsamen Miteinander meistert, hat sie in zahlreichen Fotografien festgehalten.


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Die Fotos gewannen den Residenzpreis des Hellerau Photography Award und waren vom 18. März bis zum 7. Mai 2023 im Europäischen Zentrum der Künste Dresden als Ausstellung unter dem Titel «Fragile as Glass» zu sehen. Anschliessend sogar beim Helsinki Photofestival. Nun hat der Dortmunder Kettler Verlag ihren fotografischen Essay in einer eigenen Publikation abgedruckt. Das kürzlich erschienene Buch dokumentiert die Lebensrealitäten queerer Menschen in der Ukraine und zeigt, auf welche unterschiedlichen Lebensrealitäten die Fotografin auf ihrer Reise gestossen ist.


Insgesamt porträtiert sie dabei fünf Protagonist*innen, Yehor H. (20), Yeva-Lotta Y. (19), Sasha N. (22), Sasha N. (21) und Edward R. (37), deren Schicksale und Geschichten sie beispielhaft dokumentiert und archiviert. «Von Geburtstagsfeiern im Westen des Landes, über Kyiv-Pride-Aktivitäten in der Hauptstadt bis zu Verwandten, die noch immer in der Nähe der Front im Südosten leben», so Sitara Thalia Ambrosio. «Von alltäglichen Herausforderungen zu intimen Momenten. Mein Langzeitprojekt schafft Raum für Bilder und Gedanken, die in Krisen- und Kriegssituationen oft verloren gehen.»

Ukrainekrieg
Sasha N. feiert gemeinsam mit ihren Mitbewohner*innen ihren 21. Geburtstag © Verlag Kettler

Dabei gelingt es ihr, die Intimität der privaten Momente so festzuhalten, als würden die Porträtierten gar nicht wissen, dass sie fotografiert werden. Gerahmt werden diese vielfältigen Fotografien durch begleitende Zitate und Interviews, die sich zu intimen, kraftvollen und bewegenden Porträts zusammenfügen und die fragile Situation der Abgelichteten sichtbar machen. Ihr fotografischer Essay vereint dabei Einfühlsamkeit und Aufrüttelung auf bemerkenswerte Weise.

Ihre ersten Aufnahmen machte sie 2022 in der Stadt Lwiw, wo sie zunächst viel Zeit verbracht und queere Menschen kennengelernt hat. Einer ihrer Protagonisten habe dort auch den Satz gesagt, der schließlich zum Titel ihrer Fotoreihe wurde: «Er sagte, unsere Welt sei so zerbrechlich wie Glas». So habe sie sich dann vor allem mit jungen queeren Menschen seit Beginn des Angriffskriegs beschäftigt. «Dabei war mir vor allem wichtig, nicht nur die Herausforderungen zu zeigen, sondern auch die kraftgebenden Momente.»



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Nichtsdestotrotz blitzen neben dem vom Krieg überschatteten Alltag zwischen den Zeilen auch immer wieder die Angst vor der von Russland ausgehenden homo- und transfeindlichen Propaganda und der Verfolgung queerer Aktivist*innen auf. Eine zusätzliche Belastung für die krisengebeutelte Community: «Diese Menschengruppen wären natürlich einer größeren Gefahr ausgesetzt, wenn die Ukraine in russische Hand fallen würde.», so Sitara Thalia Ambrosio. «Der Umgang damit ist unterschiedlich, aber die Bedrohung bleibt für diese Personengruppen gleich.»

Ukrainekrieg
Yehor H. (20) und sein Freund Andrew (24) © Verlag Kettler

Dass es nicht ihre erste Fotoreihe aus einer Krisenregion ist, merkt man den Aufnahmen der freiberuflichen Fotojournalistin durchaus an: Als Fotografin war sie neben der Ukraine bereits in Syrien und an der bosnisch-kroatischen Grenze. Für ihre Multimediareportage «Kandvala» über Geflüchtete auf der Balkanroute wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Welche Bedeutung für sie Fotografie im Krieg hat, erklärt Sitara Thalia Ambrosio so: «In erster Linie finde ich es wichtig, Zeug*innenschaft abzulegen.» Damit hat sie einen bedeutsamen Teil zur Archivierung beigetragen. Jetzt bleibt einem nur noch ihrer Fotoreihe «Fragile as Glass» eine ähnlich wohlverdiente Wertschätzung und vor allem ein breites Publikum zu wünschen.

Sitara Thalia Ambrosio – «Fragile as Glass» (hier bestellen beim Verlag Kettler)
Verlag Kettler, Gebundene Ausgabe, 96 Seiten, 39,00 €


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