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Debatte über Selbst­bestimmung: Strafe für Beatrix von Storch

Bundesverband Trans* fordert Nachbesserungen beim Gesetz

Beatrix von Storch
Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Das Selbstbestimmungsgesetz wird nun auf parlamentarischer Ebene diskutiert. Im Entwurf ist noch Luft nach oben, kritisieren Verbände.

Nach dem Kabinettsbeschluss Ende August folgte am Mittwoch die erste Lesung im Bundestag, in der sich die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen und Ministerin Lisa Paus deutlich für Selbstbestimmung positionierten (MANNSCHAFT berichtete).

Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch erhielt in der Sitzung zwei Ordnungsrufe und muss ein Ordnungsgeld zahlen. Zunächst nannte sie Tessa Ganserer (Grüne) bei ihrem bürgerlichen Namen. Nach Ansicht der Sitzungsleitenden Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) verstiess sie Storch damit «gegen die Würde dieses Hauses». Die stellvertretende AfD-Fraktionschefin erklärte zudem: «Man kann sein Geschlecht ebenso wenig ändern, wie das Alter oder die Körpergrösse.»

Durch das Selbstbestimmungsgesetz soll die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen in Zukunft durch eine Selbsterklärung gegenüber dem Standesamt ermöglicht werden. Damit soll das vielfach kritisierte «Transsexuellengesetz» (TSG) abgelöst und die Pflicht, psychologische Gutachten bzw. ärztliche Bescheinigungen für die amtliche Änderung des Geschlechtseintrags vorzulegen, abgeschafft werden.


In seiner jetzigen Form enthält der Gesetzentwurf Regelungen, die deutlich negative Auswirkungen mit sich bringen und Benachteiligung befördern

«Das Selbstbestimmungsgesetz ist längst überfällig, um Grundrechte von trans, inter und nicht-binären Personen endlich zu respektieren. Es hätte grosses Potential, Diskriminierung abzubauen und Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt zu fördern. Wir blicken leider mit sehr ambivalenten Gefühlen auf den aktuellen Gesetzentwurf, da das ursprüngliche Anliegen in den Hintergrund geraten ist», heisst es in einer Pressemitteilung des Bundesverband Trans*.

In seiner jetzigen Form enthalte der Entwurf Regelungen, die deutlich negative Auswirkungen mit sich bringen und Benachteiligung befördern. Werde der Entwurf nicht an entscheidenden Stellen nachgebessert, stehe das Gesetz im Widerspruch zu seinem eigentlichen Ziel: Es drohe weiterhin Diskriminierung, so Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*.

 

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In der Debatte im Bundestag sei deutlich geworden, dass die Grundrechte von trans, inter und nicht-binären Personen endlich geschützt und gewahrt werden müssen. Die Ampel-Fraktionen betonten wiederholt, dass Grundrechte wie Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit endlich ebenfalls für trans, inter und nicht-binäre Personen gelten müssen.


Mit diesen Aussagen eröffnete Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Debatte und stellte klar: «Das Transsexuellengesetz war die reine Demütigung» und erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach Paragrafen für verfassungswidrig erklärt hat. «Wir schaffen endlich klare Verhältnisse (…) und stellen uns schützend vor trans, inter und nicht-binäre Menschen», so Paus weiter.


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Auch Anke Hennig (SPD) betonte: «Es ist notwendig, dass die Gesellschaft endlich alle Personen in ihrer Mitte akzeptiert» und forderte «Queeres Leben muss selbstverständlich sein». Tessa Ganserer (Bündnis 90 / Die Grünen) stellte diesen Hoffnungen die Lebensrealitäten vieler trans, inter und nicht-binären Personen gegenüber und sprach von den Sorgen, die viele Personen Jahre oder gar Jahrzehnte lang von einem Coming-out abhalten, «weil viel zu oft noch Häme, Spott, Hass, Beleidigungen und Demütigungen traurige Realität in dieser Gesellschaft sind». Lenders (FDP) feierte das Selbstbestimmungsgesetz als «Kleines Stück Toleranz der Gesellschaft für ein grosses Stück Freiheit für wenige Menschen, die es ansonsten ohnehin schon nicht leicht haben».

Trotz dieser unterstützenden Wortbeiträge musste das Plenum immer wieder angesichts diskriminierender Aussagen zur Ordnung gerufen werden, sodass auch Abgeordnete wie Falko Drossmann (SPD) den deutlichen Appell formulierten: «Lassen Sie uns die Debatte sachlich in den entsprechenden Ausschüssen führen!» Hennig warnte zudem, dass «bewusst Desinformation und Hetze in der Debatte gestreut» wird, «um Misstrauen zu säen und die Gesellschaft zu spalten».

Kalle Hümpfner vom BVT führt dazu aus: «Die Debatte im Bundestag war der Auftakt des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens. Es wurde dabei erneut deutlich, welch starken Anfeindungen von rechter Seite das Selbstbestimmungsgesetz ausgesetzt ist. Wir hoffen nun sehr, dass die Kritikpunkte, die wir in der Verbändebeteiligung und zum Kabinettsbeschluss formuliert haben, in der folgenden Ausschussanhörung diskutiert werden.»


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Aus Sicht des BVT sind Nachbesserungen an verschiedenen Punkten notwendig: Im aktuellen Entwurf ist die Einführung einer Anmeldefrist für die Änderung des Geschlechtseintrags vorgesehen, welche eine rechtliche Verschlechterung für Personen darstellt, die bisher ihren Geschlechtseintrag über das Personenstandsgesetz (PStG) ändern konnten.

Ebenso wird befürchtet, dass die Regelungen zum Hausrecht und zum Abstammungsrecht Diskriminierung gegenüber dem Status Quo verschärfen. Änderungen, die zuletzt in den Kabinettsentwurf eingearbeitet wurden, werden ebenfalls kritisch bewertet: So sollen Asylbewerber*innen von der Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, ausgeschlossen und sensible Daten automatisiert an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.

Kritik kommt auch von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (Dgti). «An den vielen Ergänzungen, die das Selbstbestimmungsgesetz seit dem Eckpunktepapier der Bundesregierung erfahren hat, kann man sehen, wie manche in den Ampelparteien glauben, einige ihrer von Populisten aufgehetzten Wähler*innen beruhigen zu müssen. Geht es nach dem Grundgesetz, darf keine Minderheit zum Spielball von Desinformationskampagnen werden.» Daher sei das Selbstbestimmungsgesetz ein Testfall für die Demokratie.

Doch der Gesetzgeber wolle scheinbar Jugendliche vor nicht wieder gut zu machenden Entscheidungen schützen, «weil radikale Kreise das Gerücht streuen, dieses Stück Papier wäre eine Art Freifahrtschein für sozial mit Trans ‹angesteckte› Jugendliche zu medizinischen Maßnahmen. reicht die 40 Jahre lange bisherige Praxis aus. Noch ist kein*e Straftäter*in durch eine Personenstandsänderung den Behörden entkommen, eher durch deren Untätigkeit und Schlafmützigkeit.» Man erwarte zwingende Nachbesserungen, so Jenny Wilken von der Dgti-Bundesgeschäftsstelle.

Im Rahmen der Verbändebeteiligung hatten sich zahlreiche Verbände und Institutionen deutlich für Nachbesserungen am Gesetz hinsichtlich menschenrechtlicher Standards ausgesprochen. Darunter fanden sich namhafte Organisationen wie Amnesty International, der Deutsche Frauenrat (DF), das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Paritätische Gesamtverband.

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