Der schwule «König vom Kiez» Corny Littmann wird 70
Er kann auf eine bewegte Karriere zurückblicken
Er ist Theaterchef, Schauspieler, Regisseur und war Präsident des FC St. Pauli. Seit langem setzt er sich für die Rechte von Homosexuellen ein. Am 21. November feiert Corny Littmann seinen 70. Geburtstag.
Von Carola Große-Wilde, dpa
Corny Littmann blickt selten zurück. Da will der Hamburger Theaterleiter, Schauspieler und Aktivist auch zu seinem 70. Geburtstag am 21. November keine Ausnahme machen. «Ich blicke überhaupt nicht zurück. Das ist etwas, was mir schon immer fremd war. Und mir heute noch immer fremd ist. Ich blicke nur nach vorn», sagt Littmann der Deutschen Presse-Agentur an seinem Stammplatz in der Hausbar seines Schmidt Theaters auf der Hamburger Reeperbahn. Dabei kann der gebürtige Münsteraner auf eine bewegte Karriere zurückblicken: Von den Anfängen in der Theatergruppe «Brühwarm» bis zum ungekrönten «König vom Kiez» mit einem kleinen Theater-Imperium (MANNSCHAFT berichtete).
«So mit Distanz betrachtet: Ja, wir haben eine Menge erreicht», gibt er bescheiden zu. Mit 15 Jahren kommt Littmann nach Hamburg, wo er Abitur macht und in der wilden Studentenzeit Psychologie studieren will. Dabei entdeckt er seine Liebe zum Theater. Mit der Theatergruppe «Brühwarm» macht er sich – selbst homosexuell und seit 2006 mit seinem langjährigen Freund verpartnert – für die Schwulenbewegung stark. 1982 gründete Littmann gemeinsam mit dem Kabarettisten Gunter Schmidt das Tourneetheater «Familie Schmidt» – «deutsch, aufrecht, homosexuell» heisst eines ihrer Programme.
Als 1988 der «Kaiserhof» auf der Hamburger Reeperbahn leer stand, greift Littmann zu und eröffnet am 8.8. um 8.00 Uhr das Schmidt Theater. Besonders beliebt ist die «Mitternachtsshow» mit Kleinkunstnummern und Laiendarbietungen – zur Schmidt-Familie gehören neben «Herrn Schmidt» (Corny Littmann) noch Lilo Wanders (Ernie Reinhardt) und Marlene Jaschke (Jutta Wübbe). Als der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Show Anfang der 1990er Jahre im Fernsehen überträgt, wird das Theater auch bundesweit bekannt. Littmann sorgt dabei öfter für Wirbel: So blendet sich der Westdeutsche Rundfunk (WDR) aus, als Littmann ein Plakat der Deutschen Aidshilfe in die Kamera hält, auf dem zwei Männer beim Oralverkehr zu sehen sind.
Nach dem Coup mit dem Schmidt Theater bietet sich 1990 erneut eine einmalige Chance: Das benachbarte «Zillertal» sucht einen Nachmieter. Littmann und sein Geschäftspartner Norbert Aust schlagen erneut zu – und schaffen mit dem «Schmidts Tivoli» eine zweite Bühne, die mit schrägen Ideen und schrillen Shows ein breites Publikum anlockt. Littmann inszeniert Musicals wie «Cabaret», Schlagerrevuen wie «Fifty Fifty» und den Dauerbrenner «Heiße Ecke». In «Die Königs schenken nach!», die Fortsetzung der Erfolgskomödie «Die Königs vom Kiez», steht er ab und zu noch als besoffener Vater auf der Bühne.
Die Corona-Krise haben die drei Theater – 2015 kommt noch das «Schmidtchen» hinzu – gut überstanden. «Mittlerweile haben wir schon fast wieder die Zuschauerzahl, die wir in unserem besten Jahr 2019 hatten», sagt Littmann. Für ihn sind zwei Gründe dafür ausschlaggebend: «Gerade in Krisenzeiten gibt es eine Sehnsucht nach guter Unterhaltung. Und die Menschen wissen, wenn sie zu uns kommen: Hier werden sie gut unterhalten.» Ausserdem hatte das Tivoli als erstes deutsches Theater sofort wieder geöffnet, als es erlaubt war – das habe den Theatermachern «eine Menge Sympathie eingebracht».
Doch nur Theater, das reicht dem Umtriebigen nicht. Schon früh setzt er sich für die Rechte von Homosexuellen ein – und will diese für die Grünen im Bundestagswahlkampf 1980 auch umsetzen. Im selben Jahr macht er als Aktivist bundesweit Schlagzeilen, als er vor Journalisten einen Spiegel in einer öffentlichen Toilette zertrümmert, um heimliche Videoüberwachung durch die Polizei zu beweisen. Für Homosexuelle wurde seiner Meinung nach inzwischen viel erreicht, aber er warnt auch: «So sehr sich die Situation in den Grossstädten in den letzten 20 Jahren positiv verändert hat, so beängstigend ist die Situation in den ostdeutschen Bundesländern.»
Seine zweite Leidenschaft neben dem Theater gilt nach wie vor dem Fussball. Als Präsident des FC St. Pauli (2003-2010) schafft Littmann es, den Kultverein vor dem Konkurs zu retten. Als es am Schönsten ist – nach dem Aufstieg in die Bundesliga –, hört Littmann auf. «Wir hatten alles erreicht, was wir wollten, mehr ging nicht.» (MANNSCHAFT berichtete)
Seinen Geburtstag will der Entertainer mit 20 Freunden in Brasilien feiern – dort verbringt er mittlerweile sechs Monate im Jahr. «Ich wünsche mir mit Freunden zusammen ein schönes, unvergleichliches Fest. Und ich glaube, die Voraussetzungen sind gut.»
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