«Der Leib Christi ist queer»: Katholikentag in Erfurt sorgt für Aufregung
Veranstaltungen wie «Ave Vulva» und LGBTIQ-Themen lösen Diskussionen aus
Mindestens 20‘000 Menschen kommen bis Sonntag in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt zum 103. Deutschen Katholikentag zusammen. Zeitungen sprechen von einem «Hochfest linken Zeitgeistes» und kritisieren queere Themensetzungen.
Die Präsidentin des Deutschen Katholikentags fordert mehr Reformtempo von ihrer Kirche. «Meine Ungeduld ist gross, und nicht nur meine», sagte Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und damit Veranstalterin des Katholikentags, am Mittwoch in Erfurt. Sie erwarte von den Bischöfen und auch vom Papst, «dass nun endlich das Ruder herumgeworfen wird». Der Missbrauchsskandal habe in grossem Masse Vertrauen zerstört – die Kirche stecke in der Krise.
Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr sieht ebenfalls ein grosses Reformbedürfnis vor allem mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche. «Ein Grossteil der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland, aber auch der Bischöfe, würde sich hier gerne eine Öffnung des Weiheamts für Frauen wünschen – zumindest für Diakoninnen», sagte Neymeyr im ZDF. In der katholischen Kirche sind die Weiheämter von Diakon über Priester bis Bischof nur Männern vorbehalten. «Da liegen wir eben weit ausserhalb dessen, was in der Gesellschaft Konsens ist», sagte Neymeyr.
«Ungeduld noch nicht ganz so gross» Bei der Pressekonferenz vor Eröffnung des Katholikentags wies der Bischof darauf hin, dass Katholiken im Osten zu DDR-Zeiten wegen der Repression durch das politische System ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Bischöfen gehabt hätten. Hier seien die Katholiken nicht ganz so kritisch gegenüber dem Vatikan. «Deshalb sehe ich die Ungeduld noch nicht ganz so gross.»
Neben innerkirchlichen Themen wie die Rolle der Frau oder der Missbrauchsskandal beschäftigen den Katholikentag wichtige Zeitfragen wie Krieg und Frieden sowie Populismus und Demokratie. Viele Politiker*innen haben sich für die kommenden Tage angekündigt, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).
Motto des Treffens ist «Zukunft hat der Mensch des Friedens». Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken – der Dachverband der Laien in der Kirche – bekannte sich in einem Beschluss vorab zum Recht auf Selbstverteidigung. Gewalt dürfe aber nur zum Einsatz kommen, wenn sie durch Völkerrecht legitimiert sei und sich auf dem Boden internationaler Vereinbarungen bewege. Waffengewalt sei nur als letztes Mittel zu nutzen. Zudem beschloss die ZdK-Vollversammlung, die Mitschuld der Kirche bei der Kriminalisierung queerer Identitäten in der Vergangenheit aufzuarbeiten.
«Einfalt der Gesinnung»? Die Zeitung Die Glocke aus Oelde kommentierte den Kirchentag, der Deutschlandfunk zitierte diesen Kommentar am Samstag in seiner Presseschau mit dieser Textpassage: «Das organisierende Zentralkomitee der Deutschen Katholiken macht aus der Veranstaltung in Erfurt ein Hochfest linken Zeitgeistes. Zwar wird schon bei der Eröffnungsveranstaltung von ‹Demokratie und Vielfalt› schwadroniert, tatsächlich aber herrscht Einfalt der Gesinnung. Ein Blick ins 270-seitige Programm ist erhellend: ‹Der Leib Christi ist queer› heisst eine Veranstaltung, ‹Ave Vulva› eine andere. Zu wünschen wäre künftigen Katholikentagen eine Abkehr von der Diktatur des Zeitgeistes, eine Hinwendung zurück zu den Ursprüngen.» Andere Kommentator*innen widersprechen dieser Auffassung heftig.
Weltweit gibt es laut Deutscher Bischofskonferenz 1,4 Milliarden Katholiken. 20,9 Millionen von ihnen lebten 2022 in Deutschland, was etwa einem Anteil von 25 Prozent der Bevölkerung entsprach. Rund 137‘000 Kirchenmitglieder zählte das Bistum Erfurt. (mit dpa)
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