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Der einsame Brückenbauer

Bischof Malkhaz Songulashvili (rechts) beim multireligiösen Gottesdienst am Vorabend des Berliner CSD 2017. (Bild: zvg)

Malchas Songulaschwili, Baptistenbischof in Georgien, hat sich schon viele Feinde gemacht. Er sieht Homosexualität als Geschenk Gottes. Das gefällt in dem orthodox geprägten Land den wenigsten.

Der 17. Mai 2013 hat sich als ein besonders schwarzer Tag ins Gedächtnis georgischer LGBTIQ-Aktivist_innen eingebrannt. Am internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie wollten sie, eine Gruppe von 30 bis 35 Menschen, in Stille vor dem Parlament in Tiflis demonstrieren. Die Regierung hatte ihren Schutz versprochen, nachdem es bereits im Vorjahr zu Ausschreitungen gekommen war. Die wurden jedoch um Längen übertroffen: Etwa 40’000 Gegendemonstrant_innen, angestachelt von der Orthodoxen Kirche des Landes, protestierten gegen «Unmoral», «Sodom und Gomorrha» und «Homopropaganda in Georgien». So war es auf ihren Plakaten zu lesen. Etwa zwanzig Menschen wurden verletzt. Die Polizei musste die queeren Demonstrant_innen nach kurzer Zeit mit Bussen in Sicherheit bringen.

Ich bin dafür eingetreten, die menschliche Vielfalt – darunter auch Homosexualität – als Gottes Geschenk anzusehen.

Für die LGBTIQ-Menschenrechtsaktivisten war das ein schmerzhafter und ernüchternder Tag. Für Malchas Songulaschwili bedeutete er einen Weckruf: «Ich habe erkannt, dass ich nicht länger still sein und zusehen kann, wie andere Menschen im Namen Gottes und der christlichen Religion verletzt und beleidigt werden», sagt der damalige Erzbischof und damit Leiter der Evangelischen Baptistenkirche Georgiens. Die Baptisten gemeinde ist in Georgien eine Minderheit mit etwa 10’000 Mitgliedern.

Der Geistliche hat die LGBTIQ-Community seines Landes zwar schon vorher unterstützt, «daraus aber keine grosse Sache gemacht», wie er erklärt. Das hat sich nach den Vorfällen geändert. Bischof Malchas hat öffentlich Stellung bezogen und Artikel für georgische Online­zeitungen geschrieben, die sich in den sozialen Netzwerken verbreiteten. «Ich bin dafür eingetreten, die menschliche Vielfalt – darunter auch Homosexualität – als Gottes Geschenk anzusehen.»


Vandalismus als Antwort auf Toleranz
In einem Land, in dem etwa 85 Prozent der fast vier Millionen Einwohner der Orthodoxen Kirche angehört, hatte Songulaschwili es mit solchen Positionen schwer. Neun von zehn Georgiern hielten Homosexualität laut einer Umfrage aus dem Jahr 2011 für «absolut inakzeptabel.» Auch seine eigene Kirche tat sich mit ihrem Erzbischof schwer. «Plötzlich hatte ich jegliche Unterstützung der Leitung meiner eigenen Kirche verloren.» In der gesamten Synode habe es nur einen Bischof gegeben, der seine Haltung gegen Homophobie unterstützte. «Ich habe gemerkt, wie tief verwurzelt homophobe Gedanken in unserer Gemeinde sind.»

Und auch viele Gläubige konnten die Aussagen nicht nachvollziehen. Manche seien «zutiefst schockiert» gewesen, erklärt Malchas. «Andere fühlten sich von ihrem Erzbischof betrogen.» Sie seien der Meinung gewesen, dass er aufgrund seiner Loyalität zur Kirche keine Meinung vertreten solle, die die Kirche verärgern könnte. «Doch ich war überzeugt, dass es wichtig war, eine inklusive christliche Botschaft zu senden.» Die Wut einiger Georgier_innen entlud sich sogar an Malchas selbst: Es seien Steine an sein Haus geworfen worden, Fenster wurden zerbrochen. Insbesondere Vertreter der Orthodoxen kritisierten seine Einstellungen scharf. «Für sie ist Homosexualität eine Todsünde. Christen können in ihrer Logik weder homosexuell sein noch Homosexuelle unterstützen.» Aufgrund des Misstrauens und der mangelnden Unterstützung trat der heute 54-Jährige schliesslich als Leiter der georgischen Baptistenkirche zurück.

Ich habe gemerkt, wie tief verwurzelt homophobe Gedanken in unserer Gemeinde sind.

«Das war eine schmerzhafte Entscheidung», sagt er heute. Immerhin wurde er bereits 1992, gerade einmal 29 Jahre alt, zum Erzbischof der georgischen Baptisten. Die Sowjetunion war gerade untergegangen, die Kirche wollte eine neue Spitze. Da kam der junge Geistliche, der in Oxford promoviert hatte, gerade recht. Malchas hat seine Kirche grundlegend reformiert, sich für soziale Arbeit, Gerechtigkeit und Religionsfreiheit eingesetzt. Insbesondere der Dialog zu Muslimen lag und liegt ihm am Herzen. Nur seine Ansichten zu Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender-Menschen wollte die Kirche nicht mittragen.


Die am «meisten verfolgte und ausgegrenzte Minderheit»
Die Synode hatte ein Problem mit einem queer-freundlichen Erzbischof an der Spitze. Doch Malchas war auch Metropolitan­bischof des Bistums Tiflis und Dekan der dortigen Friedenskathedrale. Beide Positionen hätte er ebenso verlassen, wenn ihn die Gemeinde nicht als LGBTIQ- und islamfreundlich akzeptiert hätte. «Doch ich habe einstimmige Unterstützung erhalten», sagt er. «Die Leute haben mir als Führungsperson vertraut», erklärt er sich diese Zustimmung. Zwar würden viele seiner Gemeindemitglieder nicht verstehen, weshalb er sich für die queere Community einsetzt. «Doch man darf nicht vergessen, dass die meisten von ihnen in einer Zeit gross geworden sind, als homosexuelle Beziehungen noch illegal waren», betont er. Erst 2000 wurde Homosexualität entkriminalisiert.

Guram Kashia, Kapitän bei Vitesse Arnheim sowie Vizekapitän des georgischen Nationalteams, mit Regenbogenbinde: In seiner Heimat schämt man sich deswegen jetzt für ihn. (Bild: Twitter.com)

Dieses Vertrauen macht den Bischof zuversichtlich. Seit 2013 werde die Lage in Georgien langsam besser, während vor allem beim nördlichen Nachbarn Russland, aber auch in der Türkei, die im Süden an die georgische Republik grenzt, die Repressionen gegen LGBTIQ-Menschen zugenommen hätten. Erst am 15. Oktober hat der georgische Fussballspieler Guram Kashia bei einem Spiel seines niederländischen Vereins Vitesse Arnhem eine Regenbogenbinde anlässlich des internationalen Coming-out-Tags getragen. «Das hat Tausende Fans in Georgien empört», sagt Malchas. Aber: Gleichzeitig habe sich der georgische Präsident Giorgi Margwelaschwili genau wie der Bürgermeister von Tiflis und der nationale Fussballverband hinter den Spieler gestellt.

Der 17. Mai 2013 mag für die Community in Georgien als Tag der Gewalt in die Geschichte eingegangen sein. Doch Malchas Songulaschwili hat sich bemüht, ihn zum Tag der Versöhnung zu machen: An jedem 17. eines Monats hält er einen Solidaritäts­gottes­dienst für die LGBTIQ-Community. Der Bischof, häufig «Brückenbauer zwischen den Kulturen und Religionen» genannt, baut auch eine Brücke zu queeren Menschen in einer Gesellschaft, in der die meisten diese Brücke lieber einreissen würden. Er lässt sich davon nicht entmutigen. «Jemand muss seine Stimme für die am meisten verfolgte und ausgegrenzte Minderheit in diesem Land erheben.»

Text: Fabian Schäfer


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