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Bundeskabinett in Berlin beschließt dritte Geschlechtsoption «divers»

Die Bundesregierung hat am Mittwoch eine Neuregelung auf den Weg gebracht, die es intersexuellen Menschen ermöglichen soll, ihre Identität ins Geburtenregister eintragen zu lassen. Das Bundeskabinett billigte den Gesetzentwurf für eine dritte Geschlechtsoption, teilte das Bundesinnenministerium in Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende des vergangenen Jahres eine entsprechende Neuregelung bis Ende des Jahres verlangt.

Nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), soll man künftig bei der Eintragung ins Geburtenregister neben den drei bisherigen Varianten „weiblich“, „männlich“, und „ohne Angaben“ auch „divers“ angeben können.

„Kein Mensch darf wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden“, erklärte Justizministerin Katarina Barley (SPD). „Es ist überfällig, dass wir das Personenstandsgesetz jetzt endlich modernisieren.“ Mit dem zusätzlichen Eintrag „divers“ bekämen Menschen, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fühlen, ein Stück Würde und eine positive Identität.


Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) begrüßte die Neuregelung. „Alle Menschen sollen ihre geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung selbstbestimmt und frei leben können“, erklärte sie nach dem Kabinettsbeschluss. Mit der dritten Geschlechtsoption werde „ein wichtiger Schritt zur rechtlichen Anerkennung von Menschen, deren Geschlechtsidentität weder männlich noch weiblich ist, vollzogen“.

Zum Gesetzentwurf erklärt Josch Hoenes von der
Bundesvereinigung Trans* e.V. (BVT*): „Diese Wahlmöglichkeit bildet einen wichtigen Diskriminierungsschutz, zumal intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche den Geschlechtseintrag, der bei ihrer Geburt
vorgenommen wurde, relativ leicht ändern können, sobald sie selbst Auskunft über ihr Geschlecht geben und mit der Eintragung im Geburtenregister nicht einverstanden sind.“ Dass man für diese Änderung allerdings eine medizinische Bescheinigung benötige, sei nicht nachvollziehbar und scharf zu kritisieren. „Denn wie aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar hervorgeht, bezieht sich die Eintragung des Personenstandsregisters auf die Geschlechtsidentität eines Menschen und die ist nicht allein durch körperliche Merkmale zu bestimmen. Damit ignoriert der Gesetzentwurf die Kritik an
Pathologisierungen und Gewalterfahrungen, die inter* Menschen im medizinischen System
erfahren.“

Auch den Grünen geht die Neuregelung nicht weit genug.


Bei der Änderung des Personenstandes soll nach Ansicht der Grünen nicht länger ein ärztliches Attest erforderlich sein. „Das muss eine selbstbestimmte Entscheidung werden, die allen offen steht.“ Außerdem dürfe es keine „geschlechtszuweisenden Operationen und Hormonbehandlungen an wehrlosen Säuglingen ohne medizinische Notwendigkeit“ mehr geben. „Das muss verboten werden.“

Zwangsgutachten sind einfach nicht mehr zeitgemäß

Auch Giffey forderte die Aufhebung des Transsexuellengesetzes. Es müsse „durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden“, verlangte die SPD-Politikerin. Zwangsgutachten über die geschlechtliche Identität von Menschen, wie sie bisher vorgesehen sind, seien „einfach nicht mehr zeitgemäß“.

Ist Kabinettsbeschluss verfassungswidrig?
Der LSVD geht in seiner Kritik sogar noch weiter: Jenny Renner, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, schreibt in einer Pressemitteilung, man halte den Kabinettsbeschluss für verfassungswidrig – „weil nicht allen der geplante Geschlechtseintrag als ‚divers‘ offensteht. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber jedoch eindeutig aufgegeben, es allen Menschen zu ermöglichen, entsprechend ihrer subjektiven Geschlechtsidentität zu leben.“ Der LSVD fordert darum auch für Deutschland eine menschenrechtsorientierte Gesetzgebung zur Anerkennung der Geschlechtsidentität. Vornamens- und Personenstandsänderung sollten künftig allein auf Antrag beim Standesamt möglich sein, ohne demütigende Gutachten, ärztliche Atteste oder Gerichtsverfahren.

LSU
LSU-Chef Alexander Vogt (Foto: LSU)

„Die Änderung des Personenstandsgesetzes war längst überfällig und ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung mit der Benennung ‚divers‘ dem Wunsch der Betroffenen und Verbände entsprochen hat“, erklärte der LSU-Bundesvorsitzende Alexander Vogt. „Dennoch bleibt der Gesetzentwurf nur Stückwerk. Offen bleibt nach den bisherigen Informationen eine Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages im Erwachsenenalter. Zu regeln ist auch noch die längst überfällige Überarbeitung des Transsexuellengesetzes. Aufgabe der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und SPD ist es nun, schnellstmöglich mit den Betroffenenverbänden über die anstehenden und notwendigen Änderungen dieses Gesetzes ins Gespräch zu kommen.“

Die LSU setze sich laut Vogt dafür ein, dass für die Geschlechtsdefinition von trans Menschen künftig eine – allerdings dauerhaft verbindliche – Selbsterklärung ausreicht und keine medizinische Begutachtung vonnöten ist.


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