Beyoncé widmet neues Album «Renaissance» ihrem schwulen Onkel
Die 40-Jährige bringt den Zeitgeist sehr gut auf den Punkt
Es gibt kaum neue Alben von Popstars, denen mehr entgegengefiebert wird als einem von Beyoncé. Nach sechs Jahren Pause ist es nun so weit. Das siebte Album der Künstlerin, «Renaissance», ist ihrem schwulen Onkel Johnny gewidmet.
Von Lisa Forster, dpa
Im Alter von 40 Jahren ist Beyoncé der vielleicht grösste Popstar der Welt. 28 Grammys, zwischenzeitlich bestbezahlte Musikerin der Welt, alle bisherigen Platten auf Platz eins der US-Charts – was kann da noch kommen?
Erstmal ein neues Album, das den Zeitgeist – wie so oft bei Beyoncé – sehr gut auf den Punkt bringt. «Renaissance» ist das siebte Studioalbum der US-amerikanischen Künstlerin, und es ist über weite Strecken sehr tanzbar.
Gewidmet ist es ihrem schwulen Onkel, den sie «Patentante» nennt und der strenggenommen der Neffe ihrer Mutter Tina war. «Ein grosses Dankeschön an meinen Onkel Johnny. Er war meine Patin und die erste Person, die mich mit viel Musik und Kultur in Kontakt gebracht hat, die als Inspiration für dieses Album dienen.»
Seinen Kampf gegen HIV mitzuerleben, war eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ich je gemacht habe.
Bei Jonny, der mit ihrer Mutter zu Beginn von Beyoncés Karriere die meisten Kleidungsstücke entworfen und hergestellt hat, hatte sich Beyoncé auch schon bedankt, als sie und ihr Ehemann Jay-Z 2019 mit dem GLAAD Vanguard Award für Straight Allies geehrt wurden. «Er war mutig in einer Zeit, in der dieses Land nicht so tolerant war. Seinen Kampf gegen HIV mitzuerleben, war eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ich je gemacht habe», erklärte die Sängerin damals.
«Ich bin zuversichtlich, dass sein Kampf dazu beigetragen hat, anderen jungen Menschen Wege zu einem freieren Leben zu ebnen.» Und schliesslich sagte sie: LGBTIQ-Rechte sind Menschenrechte.
Was im aktuellen Post-Lockdown-Sommer viele Menschen freuen dürfte. Das Bedürfnis von Musikliebhaber*innen, sich nach zweijährigen pandemiebedingten Entsagungen auf Konzerten zu verausgaben und zu tanzen, ist schliesslich gross. Daher ist Beyoncé nicht der einzige Popstar mit einem Post-Lockdown-Album, das sich stärker auf Tanzmusik fokussiert. Auch der kanadische Musiker Drake brachte etwa kürzlich ein solches heraus, und auch das aktuelle Album des britischen Megastars Harry Styles hat mehr Beats als jedes zuvor.
Die vorab ausgekoppelte Single «Break My Soul» ist in der House-Musik der 90er Jahre verortet. Sie startet mit einem federnden Beat und einer eingängig monotonen Synthie-Melodie, die an den House-Klassiker «Show Me Love» von Robin S. aus den 90er Jahren erinnert (MANNSCHAFT berichtete). Während die so simpel wie eingängige Instrumentierung das ganze Lied über gleich bleibt, singt und rappt Beyoncé in allerlei Variationen darüber.
«Break My Soul», so beschrieb es ein Journalist im US-Magazin The Atlantic, «beinhaltet ein Keyboard-Riff, das so klar und gebieterisch klingt, wie man sich vielleicht den Klingelton Gottes vorstellen würde.»
Ein Song, zu dem einem also nichts anderes übrig bleibt als sich zu bewegen. Der Text spielt auf die Pandemie und den Aufbruch aus einer lähmenden Starre an. Er beschreibt den Status einer «Welt im Kapuzenpullover», einer Welt voller Masken, in der wir vielleicht vergessen haben, wie man sich da draussen bewegt.
Gut, dass Beyoncé da ist, um es uns zu zeigen. «Du wirst meine Seele nicht brechen», singt sie immer wieder, klingt dabei kämpferisch und euphorisch.
Ich hoffe, es bringt euch ein bisschen zum Wackeln, ha!
«Dieses Album zu schaffen, hat mir einen Ort zum Träumen gegeben, und eine Flucht während einer furchterregenden Zeit für unsere Welt», schrieb die Künstlerin auf Instagram. «Ich hoffe, es bringt euch ein bisschen zum Wackeln, ha!»
Wirft man einen Blick auf das Artwork des Covers, wird klar, woran sich auch das restliche Album orientiert. Beyoncé sitzt auf einem transparent leuchtenden Pferd, trägt nur ein paar diamantbesetzte Gurte. Auch auf einem Cover der britischen Ausgabe der Zeitschrift Vogue anlässlich des neuen Albums thront sie auf einem Pferd, das wiederum auf einer Tanzfläche steht. Eine Hommage an Bianca Jaggers Auftritt 1977, als sie im berühmten Disco-Club Studio 54 auf ein weisses Pferd stieg.
Tatsächlich hat Beyoncé auf «Renaissance» unter anderem mit dem legendären Disco-Musikproduzenten Nile Rodgers zusammengearbeitet, und unter den vielen Samples findet sich auch eins der Disco-Königin Donna Summer. Doch in ein Genre lässt sich das Album nicht pressen. So eingängig wie in «Break My Soul» wird es selten, stattdessen spielt die Musikerin in dem sehr basslastigen Album mit Tempi und Strukturen. Klassische Refrains gibt es eigentlich nicht. Dafür Referenzen zu allen möglichen weiteren Genres, neben House und Disco etwa Funk, Afrobeat, Trap und Progressive R&B.
Natürlich hat Beyoncé diesen Sound und Look nicht zufällig gewählt. Sie bezieht sich auf Genres, die ihre Wurzeln in der Kultur schwarzer Künstlerinnen und Künstler haben, in Tanzclubs, die alleine dadurch politisiert waren, dass sie jenen Menschen einen Raum gaben, denen er oft verwehrt geblieben war. Seit einiger Zeit schon hat die Musikerin es sich zur Aufgabe gemacht, der Kultur und dem Vermächtnis schwarzer Menschen eine Bühne zu geben.
Bringt Beyoncé ein Album heraus, geht es dabei nie nur um die Musik. Sondern auch um die Message (Feminismus und Empowerment für schwarze Künstlerinnen und Künstler), die wahnsinnigen Bilder (die Königin des Pop, die fast nackt auf einem schimmernden Pferd thront) – und das Geld. Parallel zur Album-PR hat Adidas eine neue Kollektion von Beyoncés Kleidungsmarke Ivy Park angekündigt. Vermutlich kein Zufall.
Das alles funktioniert aber letztlich nur so gut, weil Beyoncé neben allem unternehmerischen Kalkül zum einen nicht nur mit einer phänomenal umfangreichen Stimme gesegnet ist, sondern auch mit einem talentierten Team aus Songwriter*innen, die ihre Popmusik eingängig und modern klingen lassen.
Und weil die US-Amerikanerin eine begeisterte Live-Performerin ist, die Massen mobilisieren kann. Das zeigte etwa ihr Auftritt beim berühmten Coachella-Festival 2018 als erste schwarze Headlinerin. Dieser einzelne Auftritt hat wegen seiner maximalistischen Inszenierung nicht nur einen eigenen Wikipedia-Eintrag, sondern auch eine Netflix-Doku. Die Tournee zu «Renaissance» – sollte es denn eine geben – verspricht also spannend zu werden.
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