Bessere Bildung sorgt für höhere Akzeptanz von Homosexualität
Für eine Studie wurden 4400 Zürcher Jugendliche im Alter von 13 bis 19 Jahren befragt
Gemäss Studie «Gewalterfahrungen Jugendlicher» weisen bildungsferne Männer eine besonders tiefe Akzeptanzrate von Homosexualität auf. Ausserdem seien nicht-binäre Jugendliche «akut gewaltgefährdet».
Zum vierten Mal nach 1999, 2007 und 2014 zeigt eine repräsentative Befragung, welche Gewalterfahrungen Jugendliche im Kanton Zürich machen. Von Mai bis Juli 2021 wurden 4’400 Personen im Alter von 13 bis 19 Jahren befragt. Laut Studienleiter Denis Ribeaud vom «Jacobs Center for Productive Youth Development» bestätigen die zentralen Ergebnisse den in der Kriminalstatistik festzustellenden Trend der letzten Jahre: Jugendliche im Kanton Zürich erfahren mehr Gewalt und üben auch häufiger Gewalt aus.
«Vulnerable Hochrisikogruppe» Es wurden im Rahmen der Studie auch gezielt sexuelle und nicht-sexuelle Arten von Gewalterfahrungen (in den letzten zwölf bzw. 30 Monaten) von sexuellen Minderheiten untersucht. Dabei zeigte sich etwa, dass nicht-heterosexuelle junge Frauen im Vergleich heterosexuellen jungen Frauen signifikant häufiger Opfer sexueller Gewalt werden. Im gleichen Mass werden auch mehr nicht-heterosexuelle junge Männer Opfer sexueller Gewalt als heterosexuelle junge Männer.
Mit Blick auf nicht-sexuelle Gewalt fand die Studie bei nicht-heterosexuellen jungen Männern signifikant höhere Raten von Schulmobbing. Beim Cybermobbing als auch bei gravierenderen Gewaltformen wie Raub, Erpressung und Körperverletzung gibt es hingegen in beiden Geschlechtern keine Unterschiede zwischen heterosexuellen und nicht-heterosexuellen jungen Menschen.
Nicht-binäre junge Menschen sind sowohl dem Risiko sexueller als auch nicht-sexueller Gewalt signifikant stärker ausgesetzt. Die Studie kommt aufgrund dieser Daten zum Schluss, dass sie eine «besonders vulnerable Hochrisikogruppe» darstellen.
Unterschiede in Akzeptanz In der diesjährigen Ausgabe der Langzeitstudie wurde die jugendliche Bevölkerung erstmals auch über ihre Akzeptanz von Homosexualität befragt. Die Teilnehmer*innen gaben an, wie sehr für sie die Aussage «Schwule Beziehungen sind genauso in Ordnung wie Beziehungen zwischen Männern und Frauen» beziehungsweise «Lesbische Beziehungen sind genauso in Ordnung wie Beziehungen zwischen Frauen und Männern» zustimmen. Die Zustimmungsraten zu beiden Aussagen würden gemäss Autor*innen «ausserordentlich stark» miteinander korrelieren und insgesamt «stark befürwortet».
Rund 46 Prozent der männlichen und 75 Prozent der weiblichen Befragten zeigen eine vollständige Akzeptanz von Homosexualität. Mit 76 Prozent entspricht überdies die Zustimmungsrate bei nicht-binären Jugendlichen fast exakt derjenigen der weiblichen Befragten.
Schulniveau spielt grosse Rolle Nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen den drei untersuchten Schulniveaus fand die Studie extrem ausgeprägte Unterschiede. Nur 25 Prozent der männlichen Befragten in der Sekundarschule B und C zeigen eine vollständige Akzeptanz von Homosexualität. Bei den Kollegen auf den Gymnasien sind es derweil 72 Prozent.
Weibliche Befragte der Sekundarstufe B und C zeigen einen Akzeptanzwert von 55 Prozent, Gymnasiastinnen hingegen von fast 92 Prozent. Die Sekundarstufe A liegt jeweils ziemlich genau in der Mitte dieser Werte.
Welchen Grund sehen die Autor*innen für diese Differenzen? Es dürfte dabei «nebst eigentlichen Bildungseffekten» auch die «ethnisch-kulturell sehr unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaften in den verschiedenen Schultypen» eine wichtige Rolle spielen.
Die Studie beobachtete ausserdem «eine sehr markante Zunahme» junger Menschen, die sich als nicht-heterosexuell einstufen. «Zumeist handelt es sich dabei um bisexuelle Orientierungen mit einer tendenziell höher gewichteten heterosexuellen Komponente. Die Zunahme nicht-heterosexueller Orientierungen ist bei jungen Frauen sehr viel ausgeprägter als bei jungen Männern», heisst es im Forschungsbericht.
Beim Alter fand die Befragung übrigens keine signifikanten Unterschiede. Das heisst, die Akzeptanz von Homosexualität nimmt im Übergang ins Erwachsenenalter weder zu noch ab.
Veranstaltung zum Thema Die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich organisiert am 22. November einen «Bibliotalk» zum Thema «Sexuelle Gewalt und Jugendliche». In der Bibliothek zur Gleichstellung diskutiert Studienleiter Ribeaud die Ergebnisse. Zur Anmeldung geht es hier.
Ein gemeinsames Projekt der Vereine Network und PinkCop macht seit vergangenem Sommer in Zürich mit Plakaten und einer Website auf homo- und transfeindliche Gewalt aufmerksam (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
HIV, Aids & STI
«Die sexuelle Gesundheit unserer Community steht auf dem Spiel»
Am Dienstag setzten Vertreter*innen von 48 Organisationen ein Zeichen gegen die geplanten Kürzungen bei der Prävention im Bereich der sexuellen Gesundheit. Vor Ort war auch Andreas Lehner, Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz.
Von Greg Zwygart
Politik
Schweiz
Gesundheit
Musik
Unterhaltung per Dekret: Russlands Anti-Eurovision «ohne Perversion»
Schon vier Mal hat Russland wegen seines Kriegs gegen die Ukraine nicht beim Eurovision Song Contest mitsingen dürfen. Nun muss eine Konkurrenzveranstaltung her - mit interessanter Gästeliste.
Von Newsdesk/©DPA
Unterhaltung
Queerfeindlichkeit
Eurovision Song Contest
Grossbritannien
Barleute als «Gender-Polizei»? Widerstand gegen britisches Anti-trans-Gesetz
Die britische Menschenrechtskommission EHRC steht massiv in der Kritik: Ein neuer Code of Practice könnte trans Menschen aus geschlechtsspezifischen Räumen ausschliessen. Hunderte Unternehmen warnen vor Diskriminierung und Konflikten im Alltag.
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
TIN
Politik
USA
Attentat auf Charlie Kirk: Mutmasslicher Täter wegen Mordes angeklagt
Der Tod von Charlie Kirk entfaltet in den USA enorme politische Wirkung. Während das Verfahren gegen den mutmasslichen Attentäter anläuft, wird Kirk von vielen Anhänger*innen schon zum Märtyrer stilisiert.
Von Newsdesk/©DPA
Queerfeindlichkeit
News
TIN