Bekommt Österreich einen queerfeindlichen «Volkskanzler»?
Kickl kritisiert u.a., dass in Österreich Homosexualität als Asylgrund gilt
Österreich steht vor einem Superwahljahr. Umfragen zufolge könnte die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) im Parlament die stimmenstärkste Partei werden. LGBTIQ sind besorgt.
In Deutschland gingen zuletzt über eine Million Menschen auf die Strasse, um gegen den Rechtsextremismus zu demonstrieren. Am Freitag ist nun auch in Wien eine Grosskundgebung vor dem Parlament geplant. Viele queere Menschen und Vereine werden daran teilnehmen. Darum wird etwa das Queer Museum Vienna das «New Year Special P*rn Screening» des «P*rn Film Festival Vienna» verschieben: Es findet nicht am 26. Januar statt, sondern wird am 6. Februar nachgeholt.
Dieses Jahr wird in Österreich politisch brisant. Neben Landtagswahlen in Vorarlberg und der Steiermark sowie der EU-Wahl am 9. Juni sind viele queere Menschen vor allem wegen der Nationalratswahl besorgt. Diese werden voraussichtlich am 29. September stattfinden. Umfragen zufolge könnte dann die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) im Parlament die stimmenstärkste Partei werden.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat 2024 zum Schicksalsjahr für Österreich erklärt: «Jetzt ist es da, das Jahr der Entscheidung, das Jahr der Wende, das Schicksalsjahr hat begonnen.» Kickl hat mittlerweile auch nichts dagegen, als rechtsextrem bezeichnet zu werden. «Wenn ich als rechtsextrem beschimpft werde, dann trage ich diese Beschimpfung wie einen Orden“, erklärte der FPÖ-Chef vor kurzem. Politischen Beobachter*innen fällt auf, dass Kickl immer öfter Begriffe und Redewendungen benutzt, die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen. So kündigte der FPÖ-Chef an, dass er in Österreich Volkskanzler werden möchte. Das Wort «Volkskanzler» wurde unter anderem von den Nationalsozialisten für Adolf Hitler verwendet.
Im Falle der Machtübernahme möchte Kickl Österreich umbauen. Wer nicht seiner Meinung ist, könnte es dann schwer haben. Denn Kickl erklärte, er habe schon eine «lange Fahndungsliste“ – auf dieser befinden sich politisch Andersdenkende wie beispielsweise der jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und mehrere österreichische Minister. Diese Aussagen sorgten in Österreich für Entsetzen. «Wenn politisch Andersdenkende auf Fahndungslisten gesetzt werden sollen, sind wir am Weg in die Diktatur», sagte etwa der Generalsekretär der Österreichischen Volkspartei, Christian Stocker. Es werde immer deutlicher erkennbar, dass Kickl «in Österreich einen Willkürstaat errichten will, wo Menschen mit anderen politischen Meinungen verfolgt werden», betonte Stocker. Politische Kommentator*innen erinnerten daran, dass die Nationalsozialisten 1938 in Berlin vor ihrem Einmarsch in Österreich Listen von Personen erstellten, die verhaftet werden sollten. Viele von ihnen wurden anschliessend in ein Konzentrationslager deportiert.
Nicht nur für Andersdenkende, sondern auch für queere Menschen dürfte sich die Situation in Österreich verschlimmern, wenn der FPÖ-Chef Kanzler wird. Kickl hat in der Vergangenheit beispielsweise kritisiert, dass in Österreich Homosexualität als Asylgrund gilt. Der FPÖ-Chef tritt weiters als vehementer Gegner der Ehe für all ein. So sagte Kickl kürzlich auf einer FPÖ-Veranstaltung, dass mit der Ehe für alle die Türen geöffnet worden seien. Kickl dazu im österreichischen Dialekt: «Der Nächste wird daherkommen und wird sagen: ‹Ja Moment einmal, warum muss denn eine solche Ehe aus zwei Leuten bestehen? Warum kann I ned mein ganzes Harem mitbringen und bin gleichberechtigt? Warum gilt des ned für meine fünf Frauen, die ich zuhause in Afghanistan habe?› Und die Linken werden sagen: ‹Ja warum gilt dieses Modell nicht für meine Kommune, die ich gründen möchte, nur zum Kindeswohl und für die sexuelle Befreiung aller Beteiligten. Und wann man des a mal aufmacht, dann kriegt man diese Tür nicht mehr zu. Und, liebe Freunde, das hat nichts mit Fortschritt und Modernität zu tun, sondern des ist einfach nur dumm und das ist eine Form der moralischen und intellektuellen Verwahrlosung, gegen die wir ankämpfen.›»
Keine Regenbogenfahnen mehr vor Regierungsgebäuden Eine Familie dürfe laut Kickl nur «aus einem männlichen Vater und einer weiblichen Mutter» bestehen. Dazu der FPÖ-Chef, wiederum im österreichischen Dialekt: „Die Linken greifen die Familie dadurch an, dass sie sagen: ‚Nein, die Naturwissenschaft zählt nicht. Zwei Geschlechter, des is a Blödsinn. Wir brauchen fünf, sechs. Und ich hab schon Varianten gesehen bis zu 27. Und in Deutschland kannst du dir in der Zwischenzeit schon jedes Jahr das Geschlecht neu aussuchen und eintragen lassen in deine Dokumente, je nachdem, wie du dich fühlst.» Unter seiner Kanzlerschaft werde es jedenfalls, so Kickl, keine Regenbogenfahnen mehr vor einem Regierungsgebäude geben.
Es gibt nur die biologischen Geschlechter Mann und Frau und sonst nichts. Darüber herrscht wissenschaftlicher Konsens.
Kickl ist mit seiner queerfeindlichen Haltung in der FPÖ nicht alleine. So forderte Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp im Vorjahr ein Verbot von Dragqueen-Lesungen für Kinder und Jugendliche (MANNSCHAFT berichtete): «Es muss Schluss damit sein, Kindern und Jugendlichen zu propagieren, dass Transgender bzw. Geschlechtsumwandlungen etwas ganz Normales sind. Denn es gibt nur die biologischen Geschlechter Mann und Frau und sonst nichts. Darüber herrscht wissenschaftlicher Konsens. Daher ist jegliche gegenteilige Indoktrinierung von Kindern fernzuhalten“, so der Wiener FPÖ-Obmann.
Das könnte dich auch interessieren
Kurznews
++ Katholische Forderung nach LGBTIQ-Schutz ++ Festnahme nach Beleidigung ++
Kurz, knapp, queer – die LGBTIQ-Kurznews aus Deutschland. Unser Nachrichtenüberblick für die Woche ab dem 18. November 2024.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Gendern
Queerfeindlichkeit
Religion
News
News
Bekommt Polen einen queerfreundlichen Präsidenten?
Polen wählt im kommenden Jahr seinen neuen Präsidenten. Regierungschef Tusk schickt einen queerfreundlichen Politiker ins Rennen. Bei der letzten Wahl gab es für den 52-Jährigen ein vielversprechendes Ergebnis.
Von Newsdesk/©DPA
International
Österreich
Nach Eurogames: Wien fördert auch 2025 verstärkt LGBTIQ-Projekte
Die Eurogames in Wien hatten eine internationale Ausstrahlung. Vizebürgermeister Wiederkehr will auch deshalb künftig LGBTIQ-Projekte weiter fördern.
Von Newsdesk Staff
Kultur
Coming-out
«Schäme micht nicht»: Sänger Khalid outet sich
Der Grammy-Gewinner war zuvor von einem Kollegen als schwul beschimpft worden
Von Newsdesk Staff
Musik
News