BAMF: Schwuler Aktivist muss doch nicht zurück nach Algerien

«Menschen zu raten, ihre Sexualität nicht auszuleben, war unmenschlich»

Abdelkarim Bendjeriou Sedjerari (Foto: Boris Roessler/dpa)
Abdelkarim Bendjeriou Sedjerari (Foto: Boris Roessler/dpa)

Jahrelang lebte Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari mit der Angst vor einer Abschiebung aus Deutschland. Er ging gegen die Ablehnung seines Asylantrags vor Gericht. Als Homosexueller müsse er in seiner Heimat Algerien Verfolgung fürchten, begründete er.

Nach einer neuen Anhörung beim Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) kann Bendjeriou-Sedjerari allerdings nicht nur in Deutschland bleiben, er ist auch als Flüchtling anerkannt, wie am Freitag bekannt wurde.

Zuletzt war der Algerier im vergangenen August vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht gescheitert (MANNSCHAFT berichtete). Er könne Verfolgung entgehen, wenn er «diskret und unauffällig lebe», hiess es damals. Dass Bendjeriou-Sedjerari in Deutschland nicht nur offen schwul lebt, sondern auch als queerer Aktivist für LGBTIQ-Flüchtlinge eintritt, blieb unberücksichtigt.

Abdelkarim Bendjeriou Sedjerari im Verhandlungssaal des Verwaltungsgerichts Frankfurt 2022 (Foto: Boris Roessler/dpa)
Abdelkarim Bendjeriou Sedjerari im Verhandlungssaal des Verwaltungsgerichts Frankfurt 2022 (Foto: Boris Roessler/dpa)

«Ich will ohne Angst leben können», betonte Bendjeriou-Sedjerari, der fliessend deutsch spricht und eine Ausbildung als Elektriker machte, vor Gericht. In Algerien müsse er um sein Leben fürchten. Die neue BAMF-Entscheidung fand vor dem Hintergrund einer Dienstanweisung des Bundesinnenministeriums statt: Seit Oktober 2022 sollten die Entscheider*innen bei der Prüfung der Gefährdung von queeren Geflüchteten in ihren Herkunftsstaaten immer davon auszugehen, dass die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt wird.

Kein gefährliches Doppelleben  «Niemand darf sich gezwungen fühlen, ein gefährliches Doppelleben zu führen», hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) damals begründet. Der Verweis auf ein diskretes Leben war nicht mehr zulässig.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Sport (Foto: Bernd Weißbrod / dpa)
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Sport (Foto: Bernd Weißbrod / dpa)

«Seit dem 1. Oktober hat sich wirklich etwas geändert. Da muss man das BAMF auch mal loben», sagte Knud Wechterstein, Koordinator für queere Geflüchtete bei der Aidshilfe Frankfurt. Das betreffe nicht nur den Fall von Bendjeriou-Sedjerari. Auch queere Flüchtlinge aus Äthiopien, Guinea, Jamaika, dem Iran und Marokko seien ihm bekannt, die nach einer neuen Anhörung einen positiven BAMF-Bescheid erhielten.

«Diskretionsprognosen endlich abzuschaffen» «Die nunmehr positive Entscheidung ist unmittelbare Folge eines vom LSVD lange geforderten Paradigmenwechsels (MANNSCHAFT berichtete), die europarechtswidrigen sogenannten ‹Diskretionsprognosen› endlich abzuschaffen», sagte Patrick Dörr vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme.

«Dass das BAMF nun auch negative Asylentscheidungen, die vor Oktober 2022 getroffen wurden, anhand der neuen Vorgaben überprüft, ist für uns ein wichtiges positives Zeichen», so Dörr.

Kaweh Mansoori (Foto: Bundestag.de)
Kaweh Mansoori (Foto: Bundestag.de)

Der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Kaweh Mansoori (SPD) begrüsste die Entscheidung. «Ich freue mich sehr für Herrn Bendjeriou-Sedjerari. Er kann seiner Arbeit hier weiter nachgehen und die dauernde Unsicherheit überwinden», betonte er am Freitag.

Mansoori war nach eigenen Angaben mit Bekanntwerden des Falls von Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari auf die Bundesinnenministerin zugetreten und hatte gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) und der Aidshilfe auf das «Diskretionsgebot» aufmerksam gemacht. «Menschen zu raten, ihre Sexualität nicht auszuleben, war unmenschlich», sagte er.

Das Buch «Die jüngste Tochter» von Fatima Daas handelt von einer Französin algerischer Herkunft, die Muslimin und lesbisch ist (MANNSCHAFT berichtete).

 

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