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Appell: Auswirkungen von Corona auf LGBTIQ berücksichtigen!

Laut Bundesstiftung Magnus Hirschfeld diskriminiere das Virus zwar nicht, treffe jedoch auf gesellschaftliche Strukturen

LGBTIQ
Foto: Jordan McDonald/Unsplash

Das Coronavirus selber diskriminiere nicht, treffe jedoch auf diskriminierende gesellschaftliche Strukturen. Deswegen seien marginalisierte Gruppen besonders stark betroffen, darunter auch die LGBTIQ-Community, warnt die BMH und regt u. a. einen Aktionsplan an.

Gemäss dem Ziel der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), einer gesellschaftlichen Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen in Deutschland entgegenzuwirken, drücken Vorstand und wissenschaftlicher BMH-Beirat ihre Besorgnis aus.

Erstens habe sich der medizinische Fokus in den letzten Monaten auf die Bekämpfung der Pandemie verlegt. «Andere wichtige medizinisch notwendige Versorgungsleistungen (allgemeine Gesundheitsvorsorge; Behandlung chronischer (Infektions-)Erkrankungen; operative Eingriffe; Hormonbehandlungen; psychotherapeutische Versorgung) sind demgegenüber oftmals aufgeschoben worden. Davon sind LGBTIQ-Personen überproportional negativ betroffen.»

Zweitens habe häusliche Gewalt durch Ausgangssperren und eingeschränkte soziale Kontakte ausserhalb des eigenen Haushalts zugenommen. In Familien, in denen bereits vor der Pandemie besondere Spannungen bestanden (etwa in Familien, in denen LGBTIQ  wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität nicht akzeptiert werden), bestehe ein erhöhtes Risiko häuslicher Gewalt. Dies betreffe insbesondere minderjährige LGBTIQ-Personen, die bei ihren Eltern leben. Eine britische LGBTIQ-Organisation riet im Lockdown sogar jungen Queers davon ab, sich in der Isolation zu outen (MANNSCHAFT berichtete).


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«Im Lockdown wurde zudem vielen LGBTIQ-Personen die Verweigerung der staatlichen Anerkennung ihrer Partnerschafts- und Familienmodelle wieder schmerzhaft bewusst, besonders wenn sie nicht in einem Haushalt zusammenleben.»

Drittens sei die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen seit Monaten nur eingeschränkt möglich. Dies betreffe zum einen den individuellen Zugang zu allgemeinen und speziellen Hilfs- und Förderprogrammen für LGBTIQ sowie den Zugang zu Verwaltung und Justiz (etwa in Verfahren zu Personenstandsänderungen oder Aufnahme von Pflege- und Adoptivkindern). «Zum anderen ist die institutionelle Absicherung von Community-Strukturen gefährdet, deren Angebote zeitweise nicht durchgeführt werden konnten und/oder deren weitere Förderung pandemiebedingt in Frage steht.»

Vorstand und Fachbeirat der Stiftung erinnern an die grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik, insbesondere an das Recht auf (physische und psychische) Gesundheit sowie an die Diskriminierungsverbote. Der Staat muss die garantierten Grund- und Menschenrechte nicht nur selbst in seinen Handlungen achten, sondern auch positiv schützen und fördern.


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Staatliche Akteure in Bund, Ländern und Kommunen, zivilgesellschaftliche Akteure und Unternehmen müssten laut BMH bei der Bekämpfung der Pandemie die besondere Situation der LGBTIQ-Community berücksichtigen und die besonderen negativen Effekte der Corona-Pandemie auf Queers stärker erforschen und ihnen entgegenwirken.

Es gebe vielfältige Ideen, wie die Situation verbessert werden könne. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld appelliert darum an staatliche und nichtstaatliche Akteure, mit der LGBTIQ-Community zu diesen Zwecken einen nachhaltigen öffentlichen Dialog zu führen. Die BMH bietet an, diesen Dialog zu bündeln und in eine konkrete Machbarkeit z. B. in Form eines bundesweiten Aktionsplans zu überführen.

Kulturstaatsministerin Grütters dödelt vor sich hin

Die Bundessprecher*innen von DIE LINKE.queer, Daniel Bache, Katharina Jahn und Frank Laubenburg begrüssen den Appell der BMH und fordern: Die Union müsse «endlich zu Potte kommen». Während in Berlin Kultursenator Lederer (LINKE) ein einmaliges Rettungsprogramm aus dem Boden gestampft habe, von dem auch die Community profitiere und das fortlaufend evaluiert werde, «dödeln Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) weiter vor sich hin».

Von den Hilfen der Bundesregierung profitierten vor allem Grossunternehmen, sogar ohne, dass dafür ausreichend Garantien bzw. bezüglich des Erhalts von Arbeitsplätzen eingefordert werden, so DIE LINKE.queer. Der geringe Umfang der bisher abgerufenen Mittel etwa für kleine und mittlere Unternehmen oder für Soloselbstständige ist ein deutliches Warnsignal, dass die Hilfen bei vielen nicht ankommen – nicht zuletzt aufgrund zu hoher Hürden. «Für die Nöte der queeren Community fehlt den zuständigen CDU-Minister*innen offensichtlich jede Sensibilität und die SPD ist entweder nicht fähig oder nicht willens, der Union in dieser Frage Beine zu machen.»

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Man schlage deshalb vor, dass die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld eine überparteiliche Pressure Group unter ihrem Dach versammelt, bei der diejenigen, die in den demokratischen Parteien für einen «queeren Rettungsschirm» Druck machen, darüber beraten, wie Parteien und Regierungen zum Handeln bewegt werden können. Die Zeit der Papiere und Appelle ist vorbei.

Auch das Beispiel Brasilien zeigt: Hier trifft die Corona-Krise vor allem die LGBTIQ-Community: Hier ist die Arbeitslosigkeit fast doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (MANNSCHAFT berichtete). In der Schweiz unterstützt der Fonds Respect mit einer Nothilfe die queere Community (MANNSCHAFT berichtete).


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