Adrineh Simonian – Von der Opernbühne ins Pornofilmgeschäft

Foto: Facebook
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Adrineh war Opernsängerin und beschloss mit 40 Porno-Regisseurin zu werden und gründete Arthouse Vienna. Ihre Filme, auch im Bereich queer und BDSM, sind experimentell, künstlerisch, und feministisch.

«Diese musische Welt war lange Zeit meine Welt», sagt Adrineh, die als Opernsängerin in der Wiener Volksoper ihren Traumberuf ausübte, aber diesen im Juni 2014 mit ihrem letzten Bühnenauftritt beendete. Da war die Mezzosopranistin Anfang 40.

Die im Jahr 1973 in Teheran geborene Armenierin ist als Vierjährige nach Wien gekommen und aufgewachsen. Das letzte Mal war sie 1979, also vor der iranischen Revolution, in Teheran und seit Anfang der 1990er Jahre ist sie österreichische Staatsbürgerin. Zehn Jahre hat sie Geige gespielt, danach Klavier spielen gelernt und habe sie sich mit dem Gesang musisch weitergebildet, bis sie dann 15 Jahre als Opernsängerin in der Wiener Volksoper erfolgreich war.

Mit «Femporn»-Filmen hat Adrineh etwas Neues ausserhalb des Opernbetriebs beruflich aufgebaut und erfolgreich umgesetzt. Begonnen hat es in ihrer Arbeitspause in der Kantine der Wiener Volksoper, als sie eines Tages per Zufall ein Gespräch unter Chorsänger*innen gehört habe, wie sie über Pornografie laut diskutierten. Beim Wort Porno wurde es plötzlich sekundenlang still in der Kantine. Warum ist Pornografie für viele so faszinierend und gleichzeitig verrucht?

Seit inzwischen rund zehn Jahren beschäftige sie sich mit dem Thema Pornografie in der Kunstgeschichte. Dabei sehe sie ihre Arbeit als Opernsängerin auch als sogenanntes Fundament für ihre Arbeit als Pornfilmregisseurin, weil sie dadurch viel mit sich selbst beschäftigt war, um mit Emotionen umzugehen und bereits dafür viel Selbstreflexion betrieb, sagt sie im Gespräch mit MANNSCHAFT.

«Der Mainstream in der Pornografie ist vor allem von Männern gemacht und dessen Phantasien sind im Vordergrund zu sehen, während die Rolle der Frau untergeordnet positioniert ist, jedoch bei der Fempornografie handelt es sich darum auf die Lust der Frau einzugehen. Sie auch im sexuellen Akt gleichberechtigt wie den Mann wahrzunehmen und zu zeigen.»

Für die Pornfilmregisseurin sei aber nicht der klassische Geschlechtsakt an sich in ihren Filmen entscheidend, sondern die menschliche Situation mit der Psychologie in der Sexualität. Schliesslich vergleicht sie ihre Filme aus der Fempornografie mit einem Museumsbesuch: «Auch die Bilder des Künstlers Schiele sind durchaus auch pornografisch dargestellt, aber niemand hat die Idee sich vor einem Schielebild sich einen runter zu holen, also sich zu befriedigen, weil es anregend ist», sagt Adrineh. Daher sei für ihre Fempornos auch kein Masturbieren oder sexuelles Entladen der Gelüste notwendig, vielmehr stellen sich die Menschen mit ihren Emotionen dar.

Bei ihren Filmen, die vor allem Kurzfilme und mittlerweile schon mehr als 50 Exemplare gezählt sind, inszeniert die Filmregisseurin jedoch nicht. «Es gibt also keinen klassischen Ablauf wie bei den Mainstream-Pornografiefilmen vom Oralsex, Penetration bis zum Spritzen», sagt sie. In der Fempornografie bedeutet pornografisch, sich langsam fallen zu lassen, sich zu spüren, um zu versuchen diese Qualitäten anderen Menschen weiterzugeben. Nicht die Schnelllebigkeit, sondern Sexualität ohne Zeitdruck zu erleben, sei als eine Art Auszeit zu geniessen und die Nähe zum/zur Partner*in aufzubauen, die Zuschauer*innen darauf aufmerksam zu machen, den Menschen mit Respekt zu betrachten – egal ob Cellulitis, Operationsnarben, oder einfach ein paar Kilos mehr zu sehen seien.

Ihre feministische Perspektive in der Fempornografie sehe die Regisseurin vor allem, weil diese Filme in erster Linie von ihr als Frau produziert sind, aber auch weil der Zugang auf Männer und Frauen in der Fempornografie gleichgestellt sei. Ein wichtiger Unterschied zum Mainstream sei aber dabei, auf das Zusammenspiel zweier Menschen einzugehen, aufeinander zu achten, mit Respekt umzugehen. Aber auch von Seiten der Regisseurin sei es wichtig, auf Augenhöhe mit den Darsteller*innen zu verweilen sowie den sozialen und gesundheitlichen Schutz stets zu gewährleisten.

Für Adrineh ist der Geschlechtsakt nicht nur mechanisch, sondern etwas Emotionales; sie vergleicht es mit der Musik, die sie emotional höre. Sie erlebt die Sexualität als Konversion ohne Worte, wie auch eine Sinfonie als Konversion ohne Worte zu hören ist und in beiden Fällen werden Emotionen ausgelöst. «Es geht vor allem um den nötigen Respekt und um die Menschen, die hier in der Porno-Industrie arbeiten, nicht zu stigmatisieren», sagt die Femporn-Filmregisseurin.

Eigentlich wäre den die Corona-Lockdowns eine gute Gelegenheit gewesen, um mit Fempornografie Geld zu verdienen, weil viele zuhause waren. Aber die Stigmatisierung der fempornografischen Filme existiere immer noch, damit seien auch die Probleme mit notwendigen Zahlungsanbietern wesentlich gegeben. Schliesslich habe Adrineh ihr gesamtes Unternehmen selbständig aufgebaut, also aus eigener Tasche, bezahlt, da auch diverse Banken ihr keine finanziellen Kredite erteilt haben.

„Eigentlich ist es absurd», sagt sie, die früher als Opernsängerin bei den Bankinstituten finanzielle Geldmittel leichter und schneller bewilligt bekommen habe als derzeit als Regisseurin im Femporno-Bereich. Aber mittlerweile seit einem halben Jahr habe Adrineh auch mit einem Zahlungsanbieter erfolgreich gut verhandelt, sodass ihre Filme mittlerweile als Stream online angeboten und abonniert werden können.

Seit neustem hat die 48-jährige Filmregisseurin personelle Verantwortung für rund 20 Mitarbeiter*innen. Zudem plant sie mit ihrem Team für nächstes Jahr ihren ersten Spielfilm zu drehen, um auch in Spielfilmlänge ihre feministische Vorstellung von Pornografie künstlerisch sichtbar zu machen. Unter dem Arbeitstitel «Metamorphose» bleibt es noch spannend abzuwarten, wer oder was sich in diesem Film verwandeln wird.

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