Zwischen Boykottaufruf und Megahit: «Hogwarts Legacy»

Teils wird das Spiel totgeschwiegen

Hogwarts Legacy (Bild: Warner Bros. Games)
Hogwarts Legacy (Bild: Warner Bros. Games)

Lange wurde kein «Harry Potter»-Videospiel mehr mit so viel Spannung erwartet. Aber an «Hogwarts Legacy» gibt es auch laute Kritik. Das liegt an der Schöpferin.

Von Benedikt Wenck und Benedikt von Imhoff

Heiss erwartet und diskutiert: Inmitten einer heftigen Debatte um die Rechte von trans Menschen ist am Freitag mit «Hogwarts Legacy» das erste grössere Videospiel aus dem «Harry Potter»-Imperium seit Jahren erschienen. Wegen kritischer Äusserungen von «Harry Potter»-Schriftstellerin Joanne K. Rowling über trans Frauen (MANNSCHAFT berichtete) forderten vor allem Aktivist*innen vorab zum Boykott des Action-Rollenspiels auf. Auch in der deutschen Gaming- und Streaming-Szene entbrannte eine Diskussion.

Kürzlich wurde ein Ausschnitt eines Clips des Streamers Erik «Gronkh» Range auf Twitter geteilt. Ihm sei Rowling «egal», sagte er da. «Muss sie eine Rolle in meinem Leben spielen?», fragte Range in die Kamera – es hagelte Kritik. Der Tenor: Als weisser Mann, der sich mit seinem zugeschriebenen Geschlecht auch identifiziere, falle es ihm natürlich leicht, sich herauszuhalten. Wenige Tage später meldete sich der Streamer erneut zu Wort – Zehntausende schauten zu. «Vielleicht hätte ich sagen sollen: Ich finde die Frau scheisse. Ich finde ihre Takes scheisse», sagte er und betonte, trans Menschen seien ihm nicht egal.

Mit «Harry Potter» hat J.K. Rowling ein Vermögen verdient: Bücher, Filme, Merchandising, Erlebniswelten. Öffentlich aber steht die Schöpferin dieses Universums seit Längerem in der Kritik. Immer wieder hat sich die 57-Jährige gegen die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung von trans Frauen mit solchen Frauen ausgesprochen, die bereits mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren wurden. Auch «Harry»-Darsteller Daniel Radcliffe distanzierte sich (MANNSCHAFT berichtete).

Vor allem in Schottland, wo sich Rowling mit einer Initiative gegen Gewalt gegen Mädchen und Frauen engagiert, tobt derzeit eine Debatte. Denn ein Gesetz der Regionalregierung sieht vor, den oft langwierigen und bürokratischen Prozess der Geschlechtsanpassung in offiziellen Dokumenten zu vereinfachen (MANNSCHAFT berichtete).

Kritiker*innen wie Rowling warnen, das Gesetz erleichtere Männern den Zugang zu Räumen, in denen Frauen sich ausziehen und verwundbar sind. Die konservative britische Zentralregierung will das Vorhaben blockieren.

Wegen der engen Verbindung zu Rowling gibt es bereits seit Längerem lautstarke Forderungen, «Hogwarts Legacy» zu boykottieren. Das Gaming-Forum ResetEra hat jede Erwähnung des Spiels verboten, und die Website GameSpot veröffentlichte einen Aufsatz über Rowlings «Anti-Transgender-Haltung».

Rowling gibt sich demonstrativ gelassen. Auf die Frage, wie sie es denn verkrafte, dass sie wegen ihrer Haltung so viele Fans verloren habe, antwortete sie im Oktober 2022 auf Twitter trocken: «Ich hab mir meine jüngsten Lizenzeinnahmen angeguckt und finde, dass der Schmerz ziemlich schnell vergeht.» Rowling bekommt aber auch Unterstützung im Netz.

Beim US-Entwicklungsstudio Avalanche ist man sich des delikaten Themas offenbar bewusst. Auf der FAQ-Seite gibt es extra die Frage, ob Rowling etwas mit dem Spiel zu tun habe. Antwort: Die Autorin sei «eine der grössten Geschichtenerzählerinnen der Welt». Sie sei zwar nicht direkt an der Entwicklung beteiligt gewesen, man habe jedoch eng mit Rowlings Team zusammengearbeitet.

«Hogwarts Legacy» ist bei Weitem nicht das erste «Harry Potter»-Game, allerdings das erste grössere seit gut einem Jahrzehnt. Der Titel ist ein Rollenspiel, Spielende schlüpfen in die Haut eines Schülers oder einer Schülerin an der Zauberschule Hogwarts. Im Charakter-Editor des Spiels kann man Stimme, Geschlecht und Aussehen unabhängig voneinander bestimmen, was mittlerweile oft Standard in Rollenspielen ist. Darüber hinaus spielt eine trans Frau eine grössere Nebenrolle.

Die Boykott-Aufrufe scheinen das Spiel kaum aufzuhalten. Millionen Menschen schauten zuletzt auf der Plattform Twitch Streamenden beim Spielen zu. Der Seite «steamdb.info» zufolge gehört «Hogwarts Legacy» seit Wochen zu den umsatzstärksten Titeln – noch bevor es überhaupt erschienen ist. Laut «opencritic.com» fährt das Spiel sehr gute Kritiken ein. Gaming-Experte Martin Kimber sprach von einem «wunderschön gestalteten Liebesbrief» an das «Potter»-Universum.

Viele Fans sind zerrissen. Trans Mann Asher Chelder von der Fansite MuggleNet räumte beim Sender Sky News ein, dass Rowlings Ansichten Menschen verletzten. Er freue sich aber seit der Ankündigung auf das Spiel. «Ich habe viel Trost in der Serie gefunden und es ist etwas, das ich nicht abschütteln kann. Es ist ein Teil von mir», sagte er.

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