Hexe mit Hakenkreuz: Darf Karnevalssatire Alice Weidel so zeigen?

Die Diskussion um den Mottowagen beim Rosenmontagsumzug in Düsseldorf beschäftigt Rechtsexpert*innen

Ein Wagen beim Rosenmontagszug in Düsseldorf der Alice Weidel mit Hakenkreuz zeigt
Ein Wagen beim Rosenmontagszug in Düsseldorf der Alice Weidel mit Hakenkreuzbrezel zeigt (Bild: Federico Gambarini/dpa)

Nach dem Wirbel um einen Alice-Weidel-Wagen beim Rosenmontagsumzug in Düsseldorf, wo u.a. ein Hakenkreuz zu sehen war, äussert sich Strafrechtsprofessor Matthias Jahn zu den rechtlichen Konsequenzen in einem Artikel zu «Was darf Karnevalssatire?».

Das Nachrichtenportal Legal Tribune Online (LTO) untersucht den Vorfall rund um den vieldiskutierten Karnevals-Mottowagen, der in Düsseldorf am Montag AfD-Chefin Alice Weidel als Hexe zeigte, die aus ihrem Hexenhaus an Erstwähler*innen ein Stück Lebkuchen in Hakenkreuzform herausgibt.

Die Karikatur sollte offensichtlich künstlerische Kritik daran üben, dass die AfD mit Tiktok-Videos die Gunst vieler junger Wähler*innen findet. Dabei vergifte sie diese mit süss verpackten, aber im Kern rechtsradikalen Inhalten.

Ist eine solche Darstellung strafbar?

Angesichts der Gesetzeslage in Deutschland, die die Verharmlosung der faschistischen Herrschaft der Nationalsozialisten und des Holocausts verbietet, wirft das die Frage auf: Ist eine solche Darstellung in der Öffentlichkeit, inklusive sichtbarem Hakenkreuz, strafbar?

Zur Erinnerung: Holocaust-Leugnung und -Verharmlosung sowie die Billigung der NS-Willkürherrschaft werden als Varianten der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 und 4 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft. Das Verbreiten von NS-Parolen, -Gesten, und -Codes ist nach § 86, 86a StGB strafbar, als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Matthias Jahn, Strafrechtsprofessor von der Goethe-Universität Frankfurt, sagt zum aktuellen Fall gegenüber LTO: «Für mich ist das haarscharf noch straflos.»

«Für mich ist das haarscharf noch straflos»

Matthias Jahn, Goethe-Universität Frankfurt

Er führt aus: Aufgrund der konkret gewählten Darstellungsform müsse das noch von der geregelten Ausnahme erfasst sein. Die sogenannte Sozialadäquanzklausel statuiere einen Ausschluss von der Strafbarkeit, «wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient».

Die Weidel-Karikatur sei gesellschaftliche Aufklärung in künstlerisch verfremdeter Form, meint Jahn bei LTO.

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD
AfD-Chefin Alice Weidel beim interview mit Elon Musk (Bild: Kay Nietfeld/dpa-POOL/dpa)

Freie schöpferische Gestaltung

Jahn weist darauf hin, dass die Rechtsprechung diese Sozialadäquanzklausel sehr zurückhaltend anwende. Aus diesem Grund hatte der Rechtsprofessor und Richter eine satirische Aktion der Aktivistengruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) im Januar für strafbar gehalten. Das ZPS hatte die Hitlergruss-Geste von Elon Musk auf Donald Trumps Amtseinsetzung (MANNSCHAFT berichtete über Musk) auf die Aussenwand der brandenburgischen Tesla-Fabrik projiziert und Videos davon auf X verbreitet.

«Der Unterschied zu der Musk-Projektion ist augenfällig», so Jahn. «Hier sticht das Element der künstlerischen Verfremdung hervor. In der Rechtsprechung zur Sozialadäquanzklausel gibt es keine ganz klare Linie, aber die Gerichte betonen, dass immer dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn das Element künstlerischer Form im Vordergrund steht.»

Die Weidel-Karikatur erfülle die Merkmale der Definition des Bundesverfassungsgerichts von Kunst. «Hier liegt eindeutig eine freie schöpferische Gestaltung vor», so Jahn.

Ob man die gewählte Formensprache mit dem Narrativ der bösen Hexe aus dem Volksmärchen für stilvoll oder gelungen hält, stehe auf einem anderen Blatt, betont Jahn. Strafverfassungsrechtlich überwiege der Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 3 Grundgesetz. Aus demselben Grund dürfte auch keine strafbare Beleidigung zum Nachteil von Alice Weidel vorliegen.

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