Sexuelle Übergriffe? Schwere Vorwürfe gegen Chefs von LGBTIQ-Medium
Angestellte berichten von einer toxischen Unternehmenskultur
Die Inhaber von «Pink News» sollen Angestellte angeblich wiederholt sexuell belästigt haben. Im Arbeitsumfeld sei übermässiger Alkoholkonsum gefördert worden.
Die Inhaber der weltweit grössten LGBTIQ-Newsplattform PinkNews mit Sitz in Grossbritannien stehen im Fokus schwerwiegender Anschuldigungen. Wie die BBC berichtet, sollen Gründer Benjamin Cohen und sein Ehemann Anthony James, der zugleich Chief Operating Officer der Firma ist, Angestellte sexuell belästigt haben. Ehemalige Mitarbeitende berichten von einer Unternehmenskultur, die von exzessivem Alkoholkonsum, Grenzüberschreitungen und frauenfeindlichen Kommentaren geprägt war.
«Zu betrunken, um zuzustimmen» Fünf ehemalige Angestellte schildern gegenüber der BBC, wie Anthony James im Rahmen eines Teamevents in einem Londoner Pub einen jüngeren Kollegen küsste und betatschte. Der Kollege sei «zu betrunken gewesen, um sich zu wehren», so ein ehemaliger Mitarbeiter, den die BBC anonym als «Gary» zitiert. «Anthony hat sich einfach an jemanden rangemacht, der so betrunken war, dass er keine Entscheidung für sich selbst mehr treffen konnte.» Zeugen des Vorfalls halfen dem Betroffenen später, in ein Taxi zu steigen.
Ein offizieller Bericht zum Vorfall wurde laut BBC an die Unternehmensleitung weitergeleitet. Ob Massnahmen ergriffen wurden, bleibt jedoch unklar.
«Der Alkoholkonsum hat es den Chefs ermöglicht, sich unangebracht zu verhalten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.»
Stephan Kyriacou, ehemaliger Angestellter
«Prosecco Fridays» und grenzenloser Alkoholkonsum Mehrere ehemalige Mitarbeitende berichten gegenüber der BBC, dass Pink News eine Kultur des übermässigen Alkoholkonsums förderte. Regelmässig fanden «Prosecco Fridays» im Büro statt, bei denen Wein und Snacks zur Verfügung gestellt wurden, um angeblich die Motivation im Team zu steigern. Mitarbeitende schildern zudem, dass Teamevents oft mit durchzechten Nächten endeten, in denen Grenzen verschwammen. «Der Alkoholkonsum hat es den Chefs ermöglicht, sich unangebracht zu verhalten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen», sagte Stephan Kyriacou, der von 2019 bis 2021 bei Pink News arbeitete.
Auch Benjamin Cohen selbst wird von mehreren ehemaligen Mitarbeitenden belastet. Ein Mann, den die BBC «Damian» nennt, berichtete von einem abendlichen Treffen in einem Pub. Ein deutlich angetrunkener Cohen soll dort vorgeschlagen haben, gemeinsam zu ihm nach Hause zu gehen. «Er meinte etwas wie: ‹Anthony schläft ja auch mit anderen Männern›, und die Andeutung war klar, dass etwas Sexuelles zwischen uns passieren könnte», erinnert sich Damian. «Ich fühlte mich extrem unwohl und vermied es danach, mit ihm alleine zu sein.»
Ein weiterer Vorfall ereignete sich bei einer Weihnachtsfeier, bei der Cohen den damaligen Mitarbeiter Stephan Kyriacou vor dem versammelten Büro auf den Hintern geschlagen haben soll. «Ich war schockiert und wusste nicht, wie ich reagieren sollte», sagte Kyriacou. «Das hat dazu geführt, dass ich den Kontakt zu ihm gemieden habe.»
Von Euphorie zur Enttäuschung Kyriacous hatte seinen Arbeitsantritt bei Pink News mit grossen Hoffnungen verbunden: «Es war ein Traum, bei einem queer-geführten Medium zu arbeiten, in dem ich mich nicht verstecken oder verstellen musste.» Doch die anfängliche Euphorie wich schnell der Enttäuschung. «Die Arbeitsatmosphäre wurde von toxischem Verhalten und von einer Angstkultur geprägt.»
Cohen sei dafür bekannt gewesen, Mitarbeitende herabzusetzen und anzuschreien, so Damian: «Er hat massiven Druck ausgeübt. Ich ging regelmässig nach Hause und weinte.» Andere sprechen von einem «dunklen Schatten», den Cohens Anwesenheit im Büro hinterlassen habe.
Zusätzlich berichten mehrere Angestellte von wiederholten frauenfeindlichen Kommentaren. Insbesondere weibliche Mitarbeitende hätten sich unwohl gefühlt, als Cohen und James «scherzhaft» vorschlugen, sie könnten als Leihmütter für das Paar fungieren. Eine anonyme Mitarbeiterin nannte dies «gruselig und schleimig».
«Es gibt einen dringenden Bedarf an authentischer, queer-geführter Berichterstattung.»
Stephan Kyriacou, ehemaliger Angestellter
Die Vorwürfe wiegen schwer, nicht zuletzt, weil Pink News als wichtige Stimme der englischsprachigen LGBTIQ-Community gilt. Mitarbeitende fordern nun eine grundlegende Veränderung in der Führung des Unternehmens. «Ben muss zur Rechenschaft gezogen werden. Solange das nicht passiert, sehe ich keine Zukunft für Pink News», sagt Damian. Auch Kyriacou hofft, dass das Medium wieder Vertrauen aufbauen kann: «Es gibt einen dringenden Bedarf an authentischer, queer-geführter Berichterstattung. Dafür muss sich aber die Unternehmenskultur ändern.»
Benjamin Cohen und Anthony James wiesen die Vorwürfe bislang als falsch zurück. Eine offizielle Stellungnahme steht bis zu diesem Zeitpunkt noch aus.
Mehr: Homophobie inszeniert? Urteil gegen Jussie Smollett aufgehoben (MANNSCHAFT berichtete)
Das könnte dich auch interessieren
Community
«Rosenstolz hat mir mit 14 das Leben gerettet» – Fans gedenken Anna R.
Der Tod der Rosenstolz-Sängerin Anna R. bewegt die Fans des Duos bis heute. Am Samstag pilgerten viele Queers aus ganz Deutschland zum Theater des Westens, um im Rahmen eines Fan-Events Abschied zu nehmen.
Von Kriss Rudolph
Lesbisch
Musik
Schwul
Grossbritannien
Nach Demo gegen Urteil zu trans Frauen – Polizei ermittelt
Trans Frauen sind keine Frauen? Das hat der britische Supreme Court entschieden. Nun gingen gegen das Urteil Tausende auf die Strasse. Bei der Demo kam es offenbar zu Sachbeschädigungen.
Von Newsdesk/©DPA
News
TIN
Justiz
Polizei
Kolumne
Backstage-Solidarität: Was wir von Dragqueens lernen können
Wer denkt, dass es hinter den Kulissen einer Dragshow nur Gezicke und Konkurrenz gibt, liegt falsch. Statt Krallen und Kriege herrscht oft Solidarität – ein Zusammenhalt, der in Zeiten des gesellschaftlichen Backlashs auch der queeren Community guttun würde. Ein Plädoyer* von Mona Gamie.
Von Mona Gamie
Mann, Frau Mona!
Drag
Drogen
Ein Leben nach K.O.-Tropfen: «Ich habe zwölf Stunden verloren»
In vielen europäischen Grossstädten geraten schwule Männer in die Chemsex-Szene, ein Berliner wäre beinahe bei einem Überfall gestorben. Aber er kann davon erzählen.
Von Sören Kittel
Leben
Mentale Gesundheit
Schwul