Vermeintlich gute Tipps für Queers beim Oktoberfest
Ab Samstag wird in München das Oktoberfest gefeiert. Auch viele Schwule und Lesben pilgern wieder zur Theresienwiese. Wie im Vorjahr rät das ominöse „Oktoberfestportal“, nicht durch allzu offensichtliches Flirtverhalten Homohasser zu provozieren
Dass die Maß Bier auf dem Oktoberfest jedes Jahr teurer wird (in diesem Jahr schwankt der Preis zwischen 10,70 Euro und 11,50 Euro), ist ein beliebtes, immer wiederkehrendes Aufregerthema. Im vergangenen Jahr hat das oktoberfestportal.de ein weiteres hinzugefügt, für die schwulen und lesbischen Besucher des „größten Volksfestes der Welt“, wie es immer heißt. Für sie gibt es eigens zwei Großveranstaltungen, den „Gay Sunday“ in der Bräurosl und die „Prosecco-Wiesn“ in der Fischer Vroni. Aber es spricht natürlich überhaupt nichts dagegen, sich in den zahlreichen nicht-queeren Zelten unter das Volk zu mischen. Vorausgesetzt, man benimmt sich. So in etwa lassen sich die Tipps des Oktoberfestportals zusammenfassen.
Man muss vorwegschicken, dass dieses Portal nicht die offizielle Seite der Wiesn ist und auch nicht von der Stadt München betrieben wird. Mit nützlichen Informationen wie Anfahrt-Tipps und einem Lageplan sowie einem Web-Shop kommt die Seite aber ziemlich offiziell daher. Und: Man bezeichnet sich als „Die Freunde des Münchner Oktoberfests“. Wer bei der Google-Suche Oktoberfest + schwul eingibt, dem wird das Portal als fünfte Option empfohlen, noch weiter oben, an zweiter Stelle, steht rosawiesn.de. Oktoberfest + gay ergibt sogar als erstes rosawiesn. Beide Seiten sind miteinander verlinkt, haben denselben Betreiber, das sogenannte Wiesnteam, namentlich: Michael Caravitis.
Nicht alle Wiesngänger haben Verständnis für Schwule
Unter dem Menüpunkt „Rosarot“ findet man „Rosa Tipps“, die sich wohlmeinend an queere Besucher des Oktoberfests richtet. Wenn man diese liest, reibt man sich allerdings die Augen angesichts der hanebüchenen Tipps, die dort stehen. Zunächst wird dem Besucher „eine gewisse Zurückhaltung“ empfohlen. Nicht jeder Besucher sei „so tolerant, dass er sich über schwule Männerpaare freuen kann“. Zwar sei Flirten nicht verboten, aber: „Nicht alle Wiesngänger haben Verständnis für eine offene schwule oder lesbische Lebensweise. Also einfach Augen und Ohren offen halten, ob Ihr für Gesprächsstoff sorgt.“ Das Bierzelt sei jedenfalls „nicht der richtige Ort, um den Menschen Begriffe wie ‚Toleranz‘ und ‚Gleichberechtigung‘ zu erklären.“
Das Bekanntwerden dieser „Tipps“ löste im vergangenen Jahr ein großes Medienecho aus. Doch ein Jahr später stehen die wohlmeinenden Tipps unverändert online. Findet man immer noch, dass Schwule und Lesben, die in diesem Land mittlerweile legal heiraten können, Rücksicht darauf nehmen sollen, dass anderen das Verständnis „für eine offene schwule oder lesbische Lebensweise“ fehlt? Der bzw. die Betreiber der Seite sind leider nicht für Stellungnahmen nicht zu erreichen. Nicht telefonisch und sie antworten auch nicht auf unsere Mail-Anfrage. Stattdessen steht auf der Seite, man freue sich, dass über die Seite diskutiert werde. „Eine lebendige Diskussion mit konträren Meinungen ist die Grundlage einer bunten Gesellschaft!“ Nur daran teilnehmen möchte man nicht und schreibt stattdessen, überzeugt von der eigenen Unfehlbarkeit: „Für Presseanfragen, Interviews o.ä. haben wir derzeit einfach keine Zeit. Das ist aber auch nicht nötig.“
Da irrt man sich gewaltig. Kritik kommt unter anderem aus dem LSVD. „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“, sagt Bundesvorstandsmitglied Axel Hochrein auf Anfrage der Mannschaft. Natürlich wolle jeder eine friedliche Wiesn, alle sollen Spaß haben, niemand soll zu Schaden kommen. „Aber damit es zu keinen homophoben Übergriffen kommt, sollen Lesben und Schwule bitte auf dem Oktoberfest ihre sexuelle Orientierung zu Hause lassen. Lesben und Schwule bekommen ‚ihren Tag‘, die Rosa Wiesn, die restlichen 15 Tage sollen sie dann lieber ‚heterolike‘ sein. Wie beim Fußball, gilt auch für das Oktoberfest 2018 weiter eine Parallelwelt, in der Lesben und Schwule nicht sichtbar sein sollen.“
Eher vorsichtig äußert sich der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), der CSU-Mann, Patrick Slapal, auf unsere Anfrage. „Unserer Meinung nach ist es leider immer noch eine Daueraufgabe für Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu werben, wobei München im Gegenteil ein positives Beispiel abgibt.“ Die LSU habe sich mit dem Thema beschäftigt und bei Josef Schmid angefragt, zweiter Bürgermeister und Wirtschaftsreferent, somit zuständig für das Oktoberfest. Der habe darauf hingewiesen, dass das Portalt kein offizielles Informationsangebot der Landeshauptstadt München zum Oktoberfest sei. Schmidt weiter: „Die Wiesn ist ein Ort der internationalen Begegnungen und Weltoffenheit – das zeigen schon die vielen Veranstaltungen und Treffen der queeren Szene.“
Im Vorjahr kam Oberbürgermeister Dieter Reiter zum Oktoberfest in die Bräurosl und dirigierte kurz die Musikkapelle, eine Tradition seines Vorgängers Christian Ude (beide SPD). „Das Markenzeichen der Stadt München ist es, tolerant, bunt und weltoffen zu sein“ so Reiter. Schon seit ein paar Jahren setzt die Stadt auf Gay Marketing.
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