Streit um sichere Herkunftsstaaten – Grüne greifen FDP an
Der Vorwurf der Grünen wiegt schwer: Der FDP-Gesetzentwurf verrate verfolgte Lesben und Schwule. Hintergrund: Die FDP-Bundestagsfraktion bringt am morgigen Donnerstag einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag ein zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“. In diesen Ländern wird Homosexualität mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.
Ulle Schauws und Sven Lehmann, Sprecher*innen für Queerpolitik der Grünen Bundestagsfraktion, erklären dazu:
„Der Gesetzentwurf der FDP verrät verfolgte Lesben und Schwule in den Ländern Nordafrikas. Wir appellieren dringend an die FDP und vor allem an die Queerpolitiker*innen, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Mit der Einstufung Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ würden die Verfahrensrechte von verfolgten Lesben und Schwulen beschränkt und ihre Chance auf ein Asyl in Deutschland deutlich geringer sein. Das zeigen die Erfahrungen aus den bereits jetzt als „sichere Herkunftsstaaten“ geltenden Ländern Ghana und Senegal sowie den Westbalkanstaaten. Nur wer sehr gut informiert ist und das deutsche Asylverfahren schon beim Verlassen seiner Heimat kennt, hat die Chance diese verschärften Voraussetzungen zu erfüllen.“
Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten sendet fatales Signal
Die Vorstellung, dass sich verfolgte Schwule und Lesben direkt bei der Registrierung zum Asylantrag wildfremden deutschen Behördenvertretern als LGBTIQ offenbaren, sei weltfremd. Aus der Praxis werde immer wieder berichtet, dass gerade die besonders vulnerablen Asylsuchenden Schwierigkeiten hätten, ihre Verfolgungsgründe direkt zu offenbaren.
Die Einstufung weiterer Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ sende das fatale Signal an verfolgte Minderheiten, dass ihre Menschenrechte nicht geschützt würden. „Deutschland würde sich damit angesichts einer sich verschärfenden Lage für LGBTI in vielen Ländern völlig unglaubwürdig machen.
Deshalb sollte die Bundestagsfraktion der FDP den Gesetzentwurf möglichst schnell zurückziehen.“ Ansonsten disqualifiziere sie sich als Partei, die die Menschenrechte von LGBTI glaubwürdig und verlässlich vertreten kann.
Daran denkt die FDP jedoch nicht. „Die Kritik der Grünen ist scheinheilig“, ließ Jens Brandenburg auf Nachfrage der MANNSCHAFT wissen, er ist LGBTIQ-Sprecher der Liberalen.
„Deutschland gewährt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgten Menschen auch dann Asyl, wenn sie aus ’sicheren Herkunftsstaaten‘ kommen. Die Mitarbeitenden des BAMF wollen wir für diese besonderen Fluchtgründe weiter sensibilisieren, um eine frühzeitige Anerkennung und einen vertrauensvollen Umgang mit den Verfolgten zu gewährleisten. Wir fordern eine niederschwellige, spezielle Rechtsberatung und Sonderbeauftragte des BAMF mit vertieften LSBTI-Kenntnissen, um verfolgte Lesben und Schwule zusätzlich zu unterstützen.“
Verfahren sollen deutlich gestrafft werden Brandenburg weiter: „Auch grüne Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzen sich für eine Einstufung der Maghreb-Staaten als ’sichere Herkunftsstaaten‘ ein, um eine deutliche Straffung der Verfahren zu ermöglichen. Das hilft all jenen, die dringend Schutz benötigen.“
Auch der LSVD kritisiert die Liberalen. „Die FDP wollte sich vor der Wahl noch entschieden für die weltweiten Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Transgender einsetzen. Ihre Forderung, Verfolgerstaaten wie Algerien, Marokko und Tunesien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, konterkariert dieses Versprechen. Ein glaubwürdiger Kampf für die Entkriminalisierung von Homosexualität sieht anders aus!“, so Benjamin Rottmann, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes.
Persilschein für Menschenrechtsverfolgungen Staaten als „sicher“ zu deklarieren, die Homosexualität kriminalisieren, verstoße nicht nur wissentlich gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, sondern stelle Menschenrechtsverfolgungen auch einen Persilschein aus. Die FDP mache sich „zum Handlanger von Regierungen, die Menschenrechte verleugnen und mit Füßen treten“.
Nach dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1996 (BVerfGE 94,115) dürfen laut LSVD Staaten nur zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt werden, wenn dort landesweit für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen Sicherheit vor politischer Verfolgung besteht. Wenn Deutschland Staaten für „sicher“ erklärt, in denen homosexuelle Handlungen strafrechtlich verfolgt werden, ist das eklatant rechtswidrig.
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