«Shwule Grüsse vom Balkan» (12) – Warme Brötchen
«Niemand darf erfahren, dass Dalibor und dein Bruder shwul sind»
Alen steht nun zu seinem Brate, aber Mutter Bogdana hat sich noch nicht mit Aleks Shwulsein abgefunden …
Alen und Aleks umarmen sich: «Danke, Brate. Das bedeutet mir sehr viel, dass du mich und mein Shwulsein akzeptierst», drückt Aleks seinen Bruder fest an sich. «Lass uns schauen, was unsere Mutter wieder Leckeres gekocht hat», klopft ihm Alen auf die Schulter. Unterwegs scherzen die beiden und klingeln ganz vergnügt an der Tür ihrer Eltern. Mutter Bogdana öffnet die Tür – etwas irritiert, weil sich die beiden wieder verstehen, obwohl seit Aleks’ Outing wochenlang Sendepause geherrscht hat.
Vater Cvetko holt die Schnapsflasche aus dem Regal
Im Esszimmer angelangt staunt Alen über den festlich gedeckten Tisch: «Gibt’s was zu feiern? Das Service steht ja sonst als kostbares Museumsstück im Wohnwandregal», foppt Alen seine Mutter. «Halt die Klappe», verpasst ihm Bogdana einen Klaps auf den Hinterkopf, «ja, es gibt was zu feiern.» Sie und ihre Stimme tänzeln vor sich hin, während sie die Schnapsgläser für den Sliwowitz auftischt. Vater Cvetko, sonst kein Mann grosser Worte, holt die Schnapsflasche aus dem Regal und verkündet feierlich: «Meine Söhne, euer Vater hat im Lotto gewonnen!»
Alen und Aleks schauen sich an und springen auf vor Freude: «Das ist ja der Hammer!» «Freut euch nicht zu sehr. Es sind ‹nur› ein paar Tausender», dämpft Cvetko deren Euphorie. «Aber», hakt Bogdana ein, «den Gewinn möchten wir mit euch auf den Kopf hauen: Alen, dein Vater und du erfüllt euch euren Traum und fahrt zum Champions League Final. Und Aleks und ich machen einen Wohlfühlurlaub in Kroatien.»
Alen freut sich riesig über das Geschenk, Aleks lächelt indes nur müde: ‹Sie will mich sicher zu einem dieser Konversionstherapeuten schicken›, denkt er an sein Outing zurück, als seine Mutter die Idee dazu hatte. «Stossen wir an!», hält Cvetko seinen Pflaumenschnaps in die Luft. Alle vier exen das hausgebrannte Feuerwasser. «Erzähl mal, Alen, wie läuft’s im Training? Wie geht es Dalibor?», fragt Bogdana den angehenden Fussballprofi. «Ganz gut», würgt Alen seinen Krautsalat erschrocken runter. «Ganz gut?», doppelt sie nach, «sonst erzählst du viel mehr von Dalibor. Ihr wart doch gestern aus. Wie war’s?»
Keine Sorge, ich bin nicht shwul. Aber was soll ich jetzt machen?
Alen weicht ihr aus: «Zeigst du mir in der Küche, wo du die scharfen Chilis aufbewahrst?» Verwundert folgt sie ihm durch den langen Korridor dorthin, als es aus ihm herausplatzt: «Dalibor ist auch shwul. Er hat mich letzte Nacht im Club geküsst. Er liebt mich!» Bogdana hält sich am Herd fest. Ihre Knie knicken ein, ihr Gesicht versteinert sich wie schon bei Aleks. «Keine Sorge, ich bin nicht shwul. Aber was soll ich jetzt machen?», beruhigt er sie.
«Wer weiss alles davon?» «Nur Aleks», antwortet er, «wie soll ich mich nun Dalibor gegenüber verhalten?» «Schwierig. Keine Ahnung. Ich weiss selbst nicht, wie ich mich deinem Bruder gegenüber verhalten soll», schnattert sie immer schneller, «wichtig ist für dich: Niemand darf erfahren, dass Dalibor und dein Bruder shwul sind. Das schadet deiner Fussballkarriere.» Alens Magen verknotet sich. ‹So muss es sich für Aleks anfühlen, sich dauernd verstecken zu müssen›, denkt er sich.
Am Tag darauf trifft Alen Dalibor auf dem Fussballplatz. Sie grüssen sich kurz, sehen sich aber kaum an, als sei die Luft so dick wie der zähflüssige Zuckersirup in einer Bonbonfabrik. Nach dem Warm-up spielen Alen und Dalibor Seite an Seite, als Zoltán, ein Nachwuchsverteidiger mit ungarischen Wurzeln, Dalibor übel foult. Alen stürmt zu Zoltán: «Spinnst du?» «Hab’ ich deinem Schätzchen wehgetan?», grinst er ihn provozierend an. «Wovon sprichst du?», schubst ihn Alen.
Vielleicht bist du auch einer von den warmen Brötchen wie dein Dali. Ich habe ihn am Wochenende mit einem Typen knutschend gesehen. Sowas würde unser Viktor glatt verbieten.
In diesem Moment bricht Zoltáns Nase: «Fick dich und deinen Ministerpräsidenten! In unserem Team haben Arschlöcher wie du keinen Platz!» Alen läuft vom Trainingsplatz und nimmt Dalibor mit: «Komm’, ich spendiere dir einen Proteinshake.» Dalibor folgt ihm etwas irritiert, aber innerlich triumphierend. Unterdessen spukt in Aleks Gedankenwelt Bogdanas Wohlfühlurlaub herum. ‹Hoffentlich bringt sie mich nicht zu einer katholischen Konversionstherapie›, bangt er. Da klingelt sein Telefon: Es ist seine Mutter.
*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic.
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