«Shwule Grüsse vom Balkan» (8) – Wie im Himmel, so auf Erden

Des Priesters Schnüffelfetisch – Exorzismus mit Unterwäsche

Foto: Unsplash/Sylvain Brison
Foto: Unsplash/Sylvain Brison

Aleksandars Mutter mag es noch immer nicht wahrhaben: Ihr Sohn ist shwul. Jetzt sollen auch noch «Wissenschaftler» helfen.

Was bisher geschah …

Aleks’ Boxershorts sind nun unterwegs zum Wallfahrort Medjugorje in Bosnien. Dort soll der Geistliche namens Pater Stjepan für Aleks und gegen sein Shwulsein beten. Ausgestattet hat ihn Mutter Bogdana mit einem vierstelligen Reisebetrag. Damit hätte Aleks locker zehn Tage in Sitges feiern und dabei den einen oder anderen «göttlichen oder teuflisch sündhaften Moment» – je nach Auslegungsart – erleben können.

«Dir ist schon bewusst, dass dein werter Pater deine Kohle für seinen persönlichen Urlaub auf den Kopf hauen wird», pflaumt Aleks seine Mutter am Telefon an, als sie ihm die frohe Botschaft der göttlichen Umpolung überbringt. «Es ist aber für einen guten Zweck», schnauzt sie zurück. Sie ist hörbar verärgert und enttäuscht über seine Undankbarkeit, sich nicht «helfen» lassen zu wollen.

«Mutter, ich brauche keine Hilfe. Ich bin weder krank noch von Dämonen besessen. Darum wird auch dein Shwulen-Exorzist nichts bewirken können», antwortet er gehässig. «Schaden kann es ja nicht. Und Gottes Wege sind bekanntlich unergründlich», versucht sie ihn zu überzeugen. «Genau – dank Gott weiss ich nun, dass die Geistlichen in Kroatien einen Schnüffelfetisch haben und sich an der Unterwäsche von shwulen Jungs aufgeilen», legt Aleks nach.

Familie wollte 23-Jährigem Schwulsein in Kirche austreiben

Das hat gesessen. Bogdana legt auf. Denn sie bringt keinen weiteren Ton heraus, zumal sie bisher noch nie was von einem Schnüffel- oder anderem Fetisch gehört oder gelesen hat. Aber nun überkommen sie dennoch ihre mütterlichen Zweifel: Sie fragt sich, was sie ihrem Sohn mit dem Boxershorts-Exorzismus angetan hat. In ihrer Panik vor dem Shwulsein ihres Sohnes hat sie nicht realisiert, dass sie etwas so Intimes ihres eigenen Kindes einem wildfremden Menschen zugeschickt hat, weil dieser ihr versprochen hat, ihren Sohn durch irgendwelchen Taufkerzen-Hokuspokus von shwul auf normal – also auf hetero – zu schalten.

Doch Fehler passieren. Weshalb es in der Kirche auch die Beichte und danach – so Gott will – die Läuterung gibt. Darum macht sich Bogdana nun daran, wissenschaftlich erprobte Experten an Land zu ziehen, die Aleks von seinem Shwulsein therapeutisch befreien können.

Als er zu einem erneuten Familienessen aufkreuzt, nimmt sie ihn zur Seite – abseits seines Vaters Cvetko und Bruders Alen – und streckt ihm eine kroatische Zeitschrift entgegen: Auf einer ganzseitigen Anzeige macht sich ein Psychoanalytiker breit, der behauptet, Homosexualität sei bloss ein biografischer Irrweg, weil einem die Mutter in den Kindestagen gefehlt habe, sie zu dominant gewesen sei oder der Vater zu passiv bzw. gar nicht anwesend. Eine Phase, die aufgrund einer emotionalen Krise von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftreten, aber auch wieder verschwinden könne.

«Wie im Himmel, so auf Erden», kommentiert Aleks den erneuten Umpolungsversuch seiner Mutter, nachdem er die Anzeige diagonal überflogen hat. Sie schaut ihn verdutzt, aber hoffnungsvoll an: «Schau, das ist kein Shwulen-Exorzist, wie du Pater Stjepan genannt hast, sondern ein Arzt, der dir helfen könnte. Vielleicht ist es bei dir auch nur eine Phase, oder du durchläufst eine emotionale Krise, weil dein Job gerade besonders anstrengenden ist. Wir beide könnten ja mal für zwei Wochen nach Kroatien in den Urlaub fahren. Du lässt dich dort behandeln, entspannst ein wenig und wenn wir wieder zurück sind, ist alles wieder normal.»

Geknickt legt Aleks die Zeitschrift zur Seite: «Vielleicht hast du recht. Vielleicht könnte er mir tatsächlich helfen. Zum Beispiel, mich umzubringen. Denn Menschen wie er sind der Grund, warum sich junge Homosexuelle vor den Zug werfen, weil sie anders sind und nicht ins Bild der Familie, der Religion oder der Gesellschaft passen, aus der sie stammen. Vielleicht ist dir ein toter Sohn lieber als ein shwuler.»

Bischof in Ghana: Homosexualität ächten!

Bogdana schaut Aleks entsetzt an, der gerade seine Jacke und Tasche packt und sich zur Wohnungstüre begibt: «Sag Vater und Alen einen Gruss von mir und richte ihnen aus, dass mich mein Arbeitgeber – die Werbeagentur, die ihr so scheisse findet – gebeten hat, für ein dringendes Projekt ins Büro zu kommen.»

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben.

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren