Shirley Manson: «Bleibt und kämpft für euer Amerika!»
Ein Gespräch über Trumps Kampf gegen die trans Community
Garbage aus Los Angeles schreibt Melodien, die schon nach einmaligem Hören im Kopf bleiben. Das neue Album der Band hat seine Wurzeln im Jahr 2016, als die nicht-binäre Frontperson Shirley Manson am ersten Tag einer Tour von der Bühne stürzte und sich die Hüfte zertrümmerte.
Im aktuellen Interview mit MANNSCHAFT spricht Shirley Manson über Rassismus und Trumps Kampf gegen die trans Community.
Das neue Album «Let All That We Imagine Be The Light» wurde in professionellen Studios aufgenommen, aber auch in Ihrem eigenen Schlafzimmer. Wie fühlt es sich an, ausgerechnet an diesem privaten Rückzugsort über Sterblichkeit zu singen?
Es fühlte sich wie der perfekte Ort an, um diesen Song zu machen. Ich hätte ihn wahrscheinlich auch nicht geschrieben, wenn ich mich nicht gerade von einer schweren Operation erholt hätte und sehr verletzlich gewesen wäre. Wie Sie richtig bemerkt haben, geht es in dem Song «The Day I met God» im Wesentlichen um die Sterblichkeit, es geht darum, dass man sich seinem eigenen Untergang stellt.
In dem neuen Video «There is no Future in Optimism» sehen wir ein schwarz-weisses lesbisches Liebespaar. Ist das ein bewusst gewähltes Statement?
Die LGBTIQ-Gemeinschaft ist so sehr unter Beschuss. Deshalb wollten wir unbedingt diese Art von Liebe darstellen. Ich bin so empört über den Rassismus, den Kolonialismus und die weisse Vorherrschaft, die wir derzeit überall auf der Welt erleben! Wir wollten auch unsere Liebe zu allen Hautfarben, allen Geschlechtern, allen Glaubensrichtungen und allen Überzeugungen darstellen. Wir haben zwei Frauen und keine Männer ausgewählt, weil die Rechte der Frauen in Amerika enorm bedroht sind. Ich sehe gerade Dinge, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können.
Die hohen Zustimmungsraten für extremistische Parteien schicken Schockwellen nicht nur durch Ihr Land. Bewegt sich unsere Gesellschaft heute nicht aufwärts, sondern eher rückwärts?
Die Trump-Regierung bietet Frauen 5.000 Dollar an, damit sie Babys bekommen. Sie zwingen also wirtschaftlich angeschlagene Frauen dazu, Kinder zu kriegen und erlauben keine Abtreibungen. Sie wollen also, dass Frauen sich fortpflanzen, aber sie stellen keine Sozialleistungen zur Verfügung, um für diese Babys zu sorgen. Das ist absoluter Wahnsinn! Sorry, ich werde immer hysterisch, wenn ich darüber rede.
«Sorry, ich werde immer hysterisch, wenn ich darüber rede.»
Shirley Manson
Trump will trans Frauen und Mädchen von Frauensportmannschaften in Schulen und Universitäten ausschliessen. Wie denken Sie darüber?
Nun, natürlich hassen sie trans Menschen. Sie hassen jeden, der nicht weiss und männlich ist. Aber ich glaube, die Trans-Debatte wird als Ablenkung benutzt. Sie werfen es in die Runde, weil viele Menschen nicht über die LGBTIQ-Gemeinschaft Bescheid wissen. Die trans Gemeinschaft ist ein winziger Prozentsatz der Weltbevölkerung, eine so verletzliche, marginalisierte Community.
Ich habe selten von einem Fall gehört, in dem eine echte trans Person jemandem Schaden zugefügt hat. Und doch werden diese Menschen verunglimpft, kriminalisiert und verfolgt, weil sie keine Möglichkeit haben, sich zu wehren. Aber es ist ein Ablenkungsmanöver seitens einer rechtsextremen Regierung. Alle Journalisten sollen wie kleine Fische darauf anspringen und darüber schreiben und debattieren.
Wovon soll Ihrer Meinung nach abgelenkt werden?
In der Zwischenzeit findet die eigentliche Ausrottung, Zerstörung und Demontage der Demokratie statt, ohne dass die Presse dazu einen Kommentar abgibt. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, darüber zu debattieren, ob irgendwo ein trans Mädchen in einer Fussballmannschaft spielen sollte. Es ist bizarr! Ich weiss nur, dass es trans Personen seit Anbeginn der Zeit gibt. Es gibt alte ägyptische Kunst, die trans und inter Menschen zeigt.
Es gibt nicht nur männlich und weiblich. Warum gab es bei den amerikanischen Ureinwohner*innen sieben verschiedene Geschlechter? Das gibt es! Es ist nur so, dass die Menschen nicht darüber aufgeklärt worden sind. Und deshalb haben sie Angst davor. Alles, was sie nicht verstehen, wollen sie zerstören. Das ist wie in der Wildnis.
Einige queere Stars und Familien haben bereits beschlossen, die USA zu verlassen (darunter Ellen DeGeneres – MANNSCHAFT berichtete). Werden Sie selbst dort bleiben oder könnten Sie sich auch vorstellen, in Schottland zu leben, wo Sie Verwandte haben?
Viele meiner sehr wohlhabenden amerikanischen Freunde haben Dinge gesagt wie: Wir gehen weg, wir ziehen um, wir gehen hierhin, dorthin oder sonst wohin. Was ich denen sagen möchte, ist: Bleibt und kämpft für euer Land! Amerika ist absolut unglaublich, auch geographisch, buchstäblich atemberaubend. Ich bin erstaunt, dass diese Menschen lieber weglaufen, als zu bleiben und ihre Stimme zu erheben. Und die Landsleute, die nicht gehen können, überlassen sie einfach dem Untergang, ja? Okay, gut, das war's. Aber ich habe eine schlechte Nachricht für euch: Diese rechtsextremen Ideologien breiten sich auf der ganzen Welt aus.
Garbage: «Let All That We Imagine Be The Light» erscheint am 30. Mai
Mit Prides und Palästina-Demo: Der ESC in Basel wurde offiziell und feierlich eröffnet (MANNSCHAFT berichtete).
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