«War nie traurig, aufgehört zu haben» – Ole von Beust wird 70

Ole von Beust
Ole von Beust (Bild: Christian Charisius/dpa)

Hamburgs schwuler Ex-Bürgermeister und SPD-Schreck Ole von Beust wird 70 Jahre alt. Seinen Lebensmittelpunkt hat der frühere CDU-Spitzenpolitiker inzwischen von der Hansestadt nach Sylt verlegt.

Er hat die SPD Hamburg das Fürchten gelehrt. Über Jahrzehnte unangefochten Platzhirsch in der Hamburgischen Bürgerschaft mussten die Sozialdemokraten wegen Ole von Beust das Feld räumen und mehr als neun Jahre auf der Oppositionsbank Platz nehmen - bis der CDU-Politiker 2010 amtsmüde als Bürgermeister zurücktrat und 2011 der derzeit noch geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz das Amt für die SPD zurückeroberte. An diesem Sonntag wird der Sozialdemokraten-Schreck Beust 70 Jahre alt.

«Wenn ich wählen sollte zwischen einem noch so grossen gesellschaftlichen Ereignis und einem Spaziergang mit dem Hund am Strand, würde ich spazieren gehen.»

Gross feiern will er nicht. Er stehe einfach nicht gerne im Mittelpunkt, sagte er unlängst in einem SHZ-Interview. «Ich kann auf einer Bühne funktionieren, aber wenn ich wählen sollte zwischen einem noch so grossen gesellschaftlichen Ereignis und einem Spaziergang mit dem Hund am Strand, würde ich spazieren gehen.» Sein Hund ist ein Boston Terrier namens Wookie, sein Strand liegt auf der Nordseeinsel Sylt, wo er sich mit seinem Mann in Westerland ein Haus gekauft hat - und etwas mehr als die Hälfte seiner Zeit verbringt.

Die andere Hälfte lebt er in Hamburg, berät nach eigenen Angaben in seiner Kanzlei im Herzen der Hansestadt als Anwalt, verwaltet ein paar Beteiligungen und betreut einige Kunden. «Aber der Lebensmittelpunkt ist Sylt. Jemandem wie mir, der in Hamburg gross geworden ist, gefällt die Nordsee und die Kleinstadt Westerland.» Entsprechend nannte der frühere Hamburger Bürgermeister auch bei seinem jüngsten Auftritt als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum «Cum-Ex»-Skandal Ende vergangenen Jahres als Wohnort für viele überraschend «Sylt».

Mit dem Politikbetrieb ist Beust schon lange durch. «Ich war nie traurig, aufgehört zu haben.» Er sei nicht so ein Mensch, der das Gefühl habe, immer allen erzählen zu müssen, dass er von morgens um sechs bis abends um 10 Uhr arbeite. Dabei war das durchaus schon anders. Beust fing schon früh an mit der Politik - zum Leidwesen der Verwandtschaft. Der Vater etwa - Gründer und Vorsitzender der Jungen Union in Hamburg und Bezirksamtsleiter von Wandsbek - bescheinigt «Ole», als dieser gerade mal 16-jährig stolz wie Bolle mit dem CDU-Parteibuch nach Hause kommt: «Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Mach erst mal Abitur.»

Genützt hat des Vaters Mahnung nichts. Im Gegenteil: Beust legte eine steile Karriere hin. Mit 23 Jahren wurde er damals jüngster Abgeordneter der Bürgerschaft, mit 38 Jahren Fraktionschef, mit 46 Jahren erstmals Bürgermeister. Im politischen Alltag machte er dennoch nie viele Worte, überliess es meist seinen Senator*innen, in der Bürgerschaft Attacken der Opposition zu parieren. Beust gab sich lieber freundlich präsidial.

Dabei konnte der als «Sonnyboy» betitelte blonde Hamburger durchaus ruppig werden. So hatte er keine Skrupel, 2001 am Wahlsieger SPD vorbei eine Koalition mit der FDP und der rechtspopulistischen Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) des als «Richter Gnadenlos» titulierten Ronald Schill einzugehen - und selbige auch wieder platzen zu lassen.

So feuerte er Innensenator Schill 2003 ohne grosse Vorrede, weil er sich von ihm erpresst fühlte. Schill hatte Beust nach dessen Angaben gedroht, seine Homosexualität und ein angebliches Verhältnis mit einem Senator öffentlich zu machen - sollte er seinen wegen ungenehmigter Nebentätigkeiten unter Druck geratenen Innenstaatsrat entlassen.

Hamburgs ehemaliger Innensenator Ronald Schill (Partei Rechtsstaatlicher Offensive, l) und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sitzen am 06.02.2002 im Plenarsaal des Rathauses der Hansestadt.
Ex-Innensenator Schill (li) und Ole von Beust (Bild: Soeren Stache/dpa)

Das Ende der Koalition, die Beust mit den Worten «und jetzt ist finito» abschloss, brachten ihm bei den Hamburger*innen ungeahnte Sympathien ein. Sie dankten es ihm bei der Bürgerschaftswahl 2004 mit der absoluten Mehrheit für seine CDU - was diese aus Sicht der Bevölkerung auch für empörende Entscheidungen nutzte. So missachteten die Christdemokrat*innen gleich zwei Mal Volksentscheide, verkauften mehrheitlich den Landesbetrieb Krankenhäuser an Asklepios und hintertrieben das vom Volk beschlossene neue Wahlrecht.

Hinzu kam der Skandal um die Elbphilharmonie, die statt 77 Millionen Euro letztlich 866 Millionen Euro kostete und statt 2010 erst 2016 fertig wurde. Ein unabhängiger Untersuchungsbericht attestierte Beust 2014 wegen gravierender Fehlentscheidungen eine Mitschuld an dem Baudesaster. Juristisch blieb dies für Beust aber folgenlos.

Beusts Beliebtheit tat das keinen Abbruch. Im Alter von 53 Jahren gelingt es ihm in seiner dritten Amtszeit als erstem Regierungschef in Deutschland, auf Landesebene eine schwarz-grüne Koalition zu schmieden. «Ich war schon immer viel mehr Christdemokrat als Konservativer», sagt Beust über sich und holte gegen die eigene Partei die «grünen Schmuddelkinder» von einst in die Regierung - ein Bündnis, das nach seinem Rücktritt nur noch rund 100 Tage hielt und die CDU Hamburg danach keine einzige Wahl mehr gewinnen liess.

«Was mich glücklich macht: Mein Mann, ein skandinavischer Kriminalroman und mein Balkon bei Sonne.»

Beust dagegen wechselte in die Wirtschaft, gründete unter anderem eine Beratungsgesellschaft, heiratete 2013 seinen 36 Jahre jüngeren Freund - einen Zahnmediziner am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) - und lässt es sich ansonsten gut gehen. So antwortete er einmal der Hamburger Morgenpost auf die Frage, welche drei Dinge ihn glücklich machten: «Mein Mann, ein skandinavischer Kriminalroman und mein Balkon bei Sonne.» Text: Markus Klemm, dpa

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