Schöner Wohnen mit dem Wohnprinz Bastian
Der beliebte Online-Einrichtungsberater über sein Coming-out und die Folgen
Er weiss, wie man seine eigenen vier Wände mit etwas Pepp aufmotzt, ob mit Do-it-yourself-Deko oder teuren Shoppingideen. Als er vor zehn Jahren damit anfing, war der Wohnprinz Bastian einer der ersten Youtube-Einrichtungsberater in Deutschland. Mittlerweile ist aus dem einstigen Laien ist echter Profi geworden.
Text: Andreas Zinßer
Seinen Adelstitel trägt er seit bald einem Jahrzehnt: Bastian, der seinen Nachnamen nicht verraten will, rief sich selbst zum Wohnprinzen aus. Seinen Youtube-Kanal haben fast 73 000 Menschen abonniert. Tausende von Kommentaren befassen sich mit Duftkerzen, Bettwäsche und Möbelkäufen. Auf den ersten Blick offenbart der Kanal das zu Erwartende: Jede Menge bunte Videos, in denen er zu schnell, zu laut und etwas zu viel spricht.
Sein Thema ist dabei der Dreiklang aus Wohnen, Dekorieren und Selbermachen (oder in seiner Sprache: DIY – «do it yourself»). Mal geht es um die passende Deko für Hochzeiten, mal darum, sein Büro aufzumotzen. Auf dem Plan stehen auch Stylingideen zu anfallenden Festen: Ostern, Halloween, Weihnachten und dann das Ganze wieder von vorne.
Ehrung mit Gesellenbrief Und damit ist er sehr erfolgreich. Bereits nach wenigen Jahren war Bastian sozusagen der Blogger und Youtuber zum Thema Inneneinrichtung, inzwischen absolviert er auch sehr viele Auftritte im klassischen Fernsehen. Die Innung der Raumausstatter plant aktuell sogar, dem gelernten Friseur einen Gesellenbrief ehrenhalber zu übergeben – das wäre dann die Adelung von aussen.
Doch dazwischen blitzt häufig ein anderer Bastian durch. Neben witzigen Videos mit Tine Wittler oder Annette Frier finden sich immer wieder einige, die sich mit sehr ernsthaften Themen befassen wie Krebs oder einem Trauerfall in der Familie.
Abonnenten kündigten nach Coming-out Bastian ruft mitunter dazu auf, sich an Wahlen zu beteiligen, und nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund, wenn es um gesellschaftliche Themen geht. Schliesslich setzt der Wohnprinz mit geharnischten Aussagen deutliche Zeichen gegen Homophobie. Denn der in Bottrop lebende Bastian ist schwul. So twitterte er einmal: «Mich zu fragen, ob ich schwul bin, ist, als würde man den Weihnachtsmann fragen, ob er der Weihnachtsmann ist.»
«Wer mich nicht so akzeptieren kann, wie ich bin, der braucht auch keine Kreativtipps von mir»
Nach seinem Coming-out, so berichtet er, habe er dennoch extrem viele Abonnent*innen verloren. Da ist ein junger Mann, der sich selbst «Prinz» nennt und Videos macht, die sich tiefschürfend mit Lampenschirmen, Hochzeitsdekorationen und Duftkerzen beschäftigen, und es gibt tatsächlich Menschen, wundert sich Bastian, die überrascht sind, wenn er sich outet? Die diesem jungen Mann dann die Gefolgschaft aufkündigen? So als könne man ihn fortan nicht mehr als Quelle der Inspiration nutzen, um seine Wohnung nach dem Vorbild der Fernsehserie «Sex and the City» einzurichten und zu stylen?
Auf solche Leute könnte man gut verzichten – wenn es nicht auch ums Geld ginge. Das verdienen Youtuber*innen mit der Werbung vor ihren Clips. Da kann es sehr schnell eng werden, wenn Abonnenten wegfallen. An deren Anzahl bemisst sich die Höhe des Entgelts für die Einblendungen der Werbefilmchen.
Mit gestärktem Rücken und Nulltoleranzstrategie Bastian ist heute noch erschüttert darüber, welchen Einfluss das Coming-out auf seinen Youtube-Kanal und damit seinen Lebensunterhalt und auch sein öffentliches Leben hatte. Das ging von der Abbestellung des Kanal-Abos bis hin zu sehr hässlichen Kommentaren unter den Videos. Sogar angespuckt wurde er auf der Strasse. Vor allem viele sehr junge Follower*innen hätten ihm den Schritt übel genommen, wohl hauptsächlich aus Überraschung und Überforderung, vermutet er. Dank der Unterstützung durch viele liebenswerte Menschen stand er diese harte Zeit durch. So ist er gestärkt daraus hervorgegangen und bezieht heute ganz klar Stellung mit einer rigorosen Nulltoleranzstrategie: «Wer auf einer meiner Seiten homophobe Kommentare abgibt – egal ob gegen mich direkt gerichtet oder nicht –, wird geblockt. Wer mich nicht so akzeptieren kann, wie ich bin, der braucht auch keine Kreativtipps von mir.»
Vorbild für junge Follower Und auch das Verhalten gerade der sehr jungen Follower*innen habe sich inzwischen geändert. Viele schreiben ihm heute, dass sie sich ihn zum Vorbild genommen und sich endlich getraut hätten, sich zu outen. Viel lieber als mit Homophobie möchte der Wohnprinz sich jedoch mit seinen Themen beschäftigen. So erzählt er mit leuchtenden Augen, dass er und sein Partner Holger sich neulich ein Zirkuszelt gekauft hätten: «Das wollten wir schon als kleine Jungen haben!»
Vom Coming-out-bedingten Tief hat sich sein Kanal inzwischen gut erholt. Egal, ob es um Wandfarben, Tapeten, Sofakissen geht oder darum, wie man Wachsmalstifte möglichst dekorativ einschmilzt – über 600 Videos hat der Wohnprinz mittlerweile produziert und veröffentlicht. Woche für Woche gibt es einen kreativen Nachschlag. Bastians Videos finden auch weiterhin verbreiteten Anklang. Authentizität ist dann eben doch die einzig wahre Inspiration.
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