Rechtsruck in Österreich: Queere Community ruft zu Demos auf
Am Donnerstag geht es los
Die queere Community ist über das Ergebnis bei den Parlamentswahlen in Österreich schockiert. Denn die queerfeindliche und rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) ist eindeutiger Wahlsieger.
Laut dem vorläufigen Ergebnis vom Montagabend erreichte die FPÖ 28,9 Prozent der Stimmen. Noch nie zuvor in der Geschichte Österreichs haben die Rechtsextremen bei einer Parlamentswahl ein so gutes Ergebnis erzielt.
Die konservative Österreichische Partei (ÖVP) liegt mit 26,32 Prozent auf Platz zwei, danach folgen die Sozialdemokraten (SPÖ) mit 21,12 Prozent, die liberalen Neos (9,11 Prozent) und die Grünen (8,19 Prozent) (MANNSCHAFT berichtete). Verschiedene Kleinparteien wie die Kommunisten und die Bierpartei werden nicht ins österreichische Parlament einziehen.
Ob die FPÖ in der nächsten Regierung vertreten sein wird, hängt von den Koalitionsverhandlungen in den kommenden Wochen ab. Doch viele queeren Menschen haben Angst. Denn FPÖ-Politiker*innen haben im Wahlkampf mit zahlreichen queerfeindlichen Aktionen für Schlagzeilen gesorgt.
Die Homosexuelle Initiative (Hosi) Wien ist eine der grössten queeren Organisationen Österreichs. Sie spricht von erschreckenden Wahlergebnissen für die queere Community. «Fast ein Drittel der Wähler*innen hat sich für eine Partei entschieden, die offen gegen unsere Community hetzt und uns unsere Rechte abspricht», betonen Vertreter*innen der Hosi. «Wir müssen jetzt alles daran setzen, die hart erkämpften Rechte unserer Community zu verteidigen und müssen gleichzeitig trotz aller Widerstände weiterhin Verbesserungen für unsere Community lautstark einzufordern.»
Die Hosi Wien ruft alle queeren Organisationen Österreichs auf, gemeinsam eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern. «Nach einem solchen Wahlergebnis muss aber auch klar sein: Eine Verteidigung unserer Rechte sei nur gemeinsam möglich. Gemeinsam mit allen LGBTIQ-Vereinen, gemeinsam mit allen Teilen der queeren Community, gemeinsam mit Allys, gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, gemeinsam mit anderen Minderheiten: Wir lassen uns nicht spalten und wir werden diesem reaktionären Backlash und der Gefahr, die von einer möglichen FPÖ-Regierungsbeteiligung ausgeht, entschlossen entgegentreten», sagen Hosi-Vertreter*innen.
In dem Aufruf heisst es weiter: «Liebe Community, ein Posting in sozialen Netzwerken oder einmal im Jahr zur Pride zu kommen, ist nicht genug! Hier geht es um unsere Menschenrechte und für die müssen wir gemeinsam kämpfen!»
Gemeinsam mit anderen Organisationen wird die Hosi an den Donnerstagsdemos teilnehmen. Die erste Veranstaltung findet am Donnerstag (3. Oktober) um 18 Uhr in Wien vor dem Parlament statt. Motto: «Fix zam gegen Rechts!» Bereits in den Jahren 2000 und 2018/2019 beteiligten sich viele Österreicher*innen jeden Donnerstag an Demonstrationen gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Auch VIMÖ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich) ruft zur Teilnahme an den Donnerstagsdemos auf.
Gegen eine Koalition mit der FPÖ spricht sich auch die Organisation Trans Femme Fatale aus. «Die Ergebnisse der Nationalratswahl 2024 sind zu tiefst beunruhigend. Die stimmenstärksten Parteien ÖVP und FPÖ liesen es sich nicht nehmen, ihren Wahlkampf auf Kosten von trans Menschen auszufechten.» Trans und nicht-binäre Menschen müssten immer noch um ihre Rechte fürchten, wie das Beispiel Italien, Georgien oder Ungarn zeige.
Die trans Organisation weist darauf hin: Insgesamt 55,7% Menschen haben für die FPÖ und ÖVP gestimmt. «Damit haben sie ihre Stimme auch für die transfeindlichen Unwahrheiten und Pläne dieser Parteien eingesetzt.» 55,7%, das sind knapp 1,46 Mio Personen in Österreich.
Erschüttert über das Wahlergebnis zeigt sich auch Mario Lindner, Bundesvorsitzender der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation SoHo. So schreibt Lindner: "Wir sind genauso fassungslos, wie die meisten von euch! Aber auch wenn dieses Ergebnis so viel, woran wir für die Zukunft dieser Republik glauben, in Zweifel zieht … es war niemals wichtiger, sich für Menschenrechte, Solidarität und Gerechtigkeit zu engagieren! Wir werden gemeinsam unsere Vielfalt verteidigen. »
Viele Vorzugsstimmen für schwulen ÖVP-Politiker
Überraschend viele Vorzugsstimmen hat der offen schwule ÖVP-Politiker Nico Marchetti bekommen. «Der Wahlabend war ein Wechselbad der Gefühle. Wir haben dramatisch verloren, das tut weh und muss uns zu denken geben. Das auszusprechen ist einmal das wichtigste», meint Marchetti. Dennoch haben in Wien keine ÖVP-Politiker*innen so viele Vorzugsstimmen (1319 Unterstützer*innen) bekommen wie Marchetti. Er bedankte sich bei den Wähler*innen für die Wiederwahl: "Platz eins wienweit bei den Vorzugsstimmen ist eine Ehre.»
«Keine Politik für die Wärmsten der Warmen sondern für die Ärmsten der Armen machen!
FPÖ-Chef Herbert Kickl
Das Rechtskomitee Lambda erinnert anlässlich des FPÖ-Wahlsiegs an die Aussagen früherer und aktiver FPÖ-Politiker*innen. So habe der frühere Parteichef Heinz-Christian Strache regelmässig betont, dass die FPÖ keine Politik «für die Wärmsten der Warmen» sondern für die «Ärmsten der Armen» mache. Offen homosexuelle Kandidat*innen anderer Parteien seien von Strache als «Heizkostenzuschuss» für die Bevölkerung beschimpft worden.
Der jetzige Parteiobmann Herbert Kickl habe die gleichgeschlechtliche Ehe als ersten Schritt zur Polygamie bezeichnet. Eine Familie bestehe laut Kickl nur aus einem männlichen Vater und einer weiblichen Mutter, und die gleichgeschlechtliche Ehe sei eine «Form der moralischen und intellektuellen Verwahrlosung, gegen die wir ankämpfen».
Das Rechtskomitee Lambda betont, dass im FPÖ-Parteiprogramm sogar die Abschaffung der Eingetragenen Partnerschaft gefordert werde. Im Wahlprogramm 2024 heisst es zudem: «verwehren wir uns gegen permanente Transgender-Gehirnwäsche, die letztlich nur auf eine Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen abzielt». Auch fordere die FPÖ im Wahlprogramm «Weg mit dem Regenbogenkult» und die Abschaffung des vom Verfassungsgerichtshof 2018 erkannten Menschenrechts von inter Menschen auf einen wahrheitsgemässen Geschlechtseintrag in Personenstandsurkunden und in Ausweisen.
Terrordrohungen auch gegen CSDs: Jugendlicher auf freiem Fuss. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts des Werbens für eine ausländische terroristische Vereinigung ermittelt (MANNSCHAFT berichtete).
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