RBB queer kommt zurück: Mit «Weekend» und «Tove»
Diesmal gibt es zusätzlich eine Werkschau der lesbischen Regisseurin Céline Sciamma
RBB queer geht in die sechste Runde. Seit vergangenem Jahr setzt auch der BR mit BR QUEER einen starken Fokus auf das queere Kino. In diesem Jahr erweitert zudem der WDR das nicht-heteronormative Filmangebot in den Dritten Programmen der ARD mit Werken von Céline Sciamma.
Finnland und Schweden in den 1940er- und 1950er-Jahren. Dänemark in den 70ern. Frankreich in den 80ern. Die Filme der queeren Reihen von rbb und BR laden auch dieses Jahr wieder ein, in vergangene Zeiten und andere Länder zu reisen.
Ende Juni geht es los: Bis 27. Juli laufen dann donnerstags im BR Fernsehen (jeweils ab 23.15 Uhr) und vom 4. Juli bis 15. August dienstags im rbb Fernsehen (jeweils um 22.45 Uhr) 12 queere Filme. Das WDR Fernsehen zeigt zudem alle fünf bisherigen Langfilme von Céline Sciamma donnerstags vom 3. bis 17. August. Neun der insgesamt siebzehn Filme sind deutsche Erstausstrahlungen. Die Zuschauer*innen erwartet grosses Kino mit berührenden Liebesgeschichten, mitreissenden Coming-of-Age-Filmen und bewegenden Aussenseiter*innen-Porträts. Die Filme sind nach ihrer Ausstrahlung für 14 bzw. 30 Tage in der ARD Mediathek zu sehen.
RBB-Programmdirektorin Martina Zöllner: «Ich freue mich auf das queere Sommer-Filmfestival in der ARD Mediathek und in unseren Fernsehprogrammen. Neben dem BR verstärkt nun auch der WDR unsere Reihe rbb QUEER. Gemeinsam machen wir so mit 17 Filmen queere Lebensrealitäten sichtbar und zeigen Geschichten und Bilder, die berühren und unseren Blick auf die Welt bereichern.»
BR-Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm: «Junges queeres Kino aus Europa – divers und modern, grenzüberschreitend und zukunftsweisend: Ich freue mich, dass der BR auch 2023 wieder dabei ist. Inzwischen ist die vom rbb initiierte Queer-Reihe zu einer ARD-übergreifenden Kooperation geworden, die mit dem WDR jetzt einen weiteren Sendepartner gefunden hat. Gemeinsam präsentieren wir insgesamt 17 Filmperlen, von denen neun erstmals im deutschen Fernsehen sowie in der ARD Mediathek zu sehen sind.»
Alexander Bickel, Leiter WDR Programmbereich Fiktion: «Der WDR beteiligt sich an der queeren Sommerfilmreihe mit einer Werkschau von Céline Sciamma. Eine interessante Filmemacherin und eine wichtige Stimme, die wir unserem Publikum in diesem Rahmen ausführlich vorstellen möchten. Céline Sciamma rückt in ihren Filmen Figuren in den Mittelpunkt, die zwischen den geläufigen Zuordnungen nach ihrem eigenen Weg suchen. Und sie entwickelt eine Filmsprache, die gängige Ideen des Filmemachens auf subtile Weise unterläuft. Ihre Werkschau bereichert und vervollständigt die Sommerfilmreihe von rbb und BR ganz ausgezeichnet.»
Jakob Kijas, Geschäftsführer von Salzgeber, ergänzt: «Queeres Leben ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft und verdient eine entsprechende Sichtbarkeit. Seit sechs Jahren macht sich die vom rbb initiierte queere Filmreihe genau dafür stark, denn Filme erweitern unsere Wahrnehmung der Welt und tragen so zum gesellschaftlichen Wandel bei. Wir freuen uns sehr, dass die Initiative stetig wächst und nach dem BR im letzten Jahr nun auch der WDR mit dabei ist und queeres Kino in all seiner Vielfalt feiert.»
Und das sind die Filme:
Den Auftakt von BR QUEER macht am 29. Juni um 23.15 Uhr ein Double Feature: Das Biopic «Tove» erzählt vom aufregenden Leben der Mumins-Erfinderin Tove Jansson (1914-2001), die nicht nur die heute weltberühmten Figuren mit den Knollnasen zeichnete, sondern auch Romane für Erwachsene schrieb. Die überzeugte Pazifistin führte ein aufregendes Bohème-Leben zwischen Helsinki, Stockholm und Paris und brach ganz selbstverständlich mit den Geschlechterrollen ihrer Zeit. Im direkten Anschluss um 01.00 Uhr ist Marcel Gislers herzhaftes Mutter-Sohn-Drama «Rosie» zu sehen: Der schwule Schriftsteller Lorenz kehrt aus Berlin zurück in die Schweizer Heimat, um sich um seine alternde Mutter Rosie zu kümmern – doch die wehrt sich mit viel Witz und frecher Schnauze gegen jede Art der Bevormundung. Hauptdarstellerin Sibylle Brunner wurde für ihr furioses Spiel mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet.
Zum Auftakt von rbb QUEER geht es am 4. Juli um 22.45 Uhr in den «Sommer 85» und in ein malerisches Küstenstädtchen in der Normandie. Frankreichs Meisterregisseur François Ozon erzählt von zwei Teenagern, die sich durch ein Beinahe-Unglück beim Segeln kennenlernen und zusammen eine grosse erste Liebe erleben. Die Verfilmung von Aidan Chambers‘ Jugendbuch-Bestseller «Tanz auf meinem Grab» wurde für 13 Césars nominiert. Während Ozons Film vom Lebensgefühl und Sound der 1980er erfüllt ist, entführt «Speed Walking» am 13. Juli im BR (23.15 Uhr) seine Zuschauer:innen in die wilden 1970er und in die dänische Provinz. Regisseur Niels Arden Oplev zeigt das Jütland jener Jahre als einen sexuell überaus freizügigen Ort, an dem ein Junge im Moment des denkbar grössten Verlustes körperlich erwacht. «Speed Walking» war einer der erfolgreichsten dänischen Filme der letzten Jahre und wurde in seiner Heimat für 13 Roberts und 5 Bodils nominiert, den wichtigsten dänischen Filmpreisen.
RBB QUEER und BR QUEER reisen nicht nur durch die Zeiten, sie zeigen auch wieder moderne Klassiker des nicht-heteronormativen Kinos. Am 1. August um 22.45 Uhr läuft im rbb Fernsehen «Weekend», der die Geschichte von zwei jungen Männern erzählt, denen nur ein knappes Wochenende bleibt, um sich füreinander zu entscheiden. Als der zweite Film von Andrew Haigh («Looking», «45 Years») vor zwölf Jahren in die Kinos kam, wurde er vor allem für seine tief empfundene Romantik und seine authentische Darstellung von schwuler Lebenswirklichkeit gefeiert. Heute gilt das Liebesdrama als Schlüsselfilm des «New Wave Queer Cinema».
Und auch wenn er erst vier Jahre alt ist, darf man «Als wir tanzten», den der BR am 27. Juli (23.15 Uhr) und der rbb am 8. August (22.45) Uhr zeigt, bereits zu den modernen Klassikern des queeren Kinos zählen. In dem mitreissenden und vielfach ausgezeichneten Liebes- und Tanzdrama des schwedischen Regisseurs Levan Akin verlieben sich zwei Studenten an der Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis ineinander (MANNSCHAFT berichtete). Doch im homophoben Umfeld der Schule, in der konservative Vorstellungen von Männlichkeit hochgehalten werden, wird von den beiden erwartet, dass sie ihre Liebe geheim halten. Der Queer-Feindlichkeit, die in Georgien noch immer erschreckend weit verbreitet ist, hält der Film eine engagierte Feier von schwuler Liebe entgegen.
Liebe im Sommer
Nicht nur «Sommer 85» spielt in der heissen Jahresmitte, auch drei weitere Filme in den queeren Reihen von rbb und BR nutzen den Sommer als Zeit des leidenschaftlichen Verliebtseins und der damit verbundenen Verwandlungen. In romantisch-verträumten Bildern folgt Regisseur Stelios Kammitsis in «Sprung ins kalte Wasser», den der rbb am 18. Juli um 22.45 Uhr zeigt, dem griechischen Turmspringer Victoras und seiner deutschen Zufallsbekanntschaft Mathias auf einem romantischen Trip durch Europa. Ein sommerliches Roadmovie über zwei gegensätzliche Protagonisten, die auf dem gemeinsamen Weg zueinander finden.
In «Der Sommer von Sangailé», am 20. Juli um 23.15 Uhr im BR zu sehen, geht es derweil hoch hinaus in die Wolken: Die 17-jährige Sangailé hat Höhenangst, aber träumt vom Fliegen. Bei einer Flugshow lernt sie die hübsche und mutige Auste kennen. Und am Ende des Sommers traut sich Sangailé Dinge, die ihr zuvor unmöglich schienen. Der Film der litauischen Regisseurin Alanté Kavaïté erzählt mit leuchtenden Bildern von der ersten grossen Liebe – und davon, wie diese einen erst wirklich erwachsen werden lässt. Für ihre zärtlich-verspielte Romanze inmitten der märchenhaften baltischen Landschaft wurde Kavaïté in Sundance mit dem Regiepreis ausgezeichnet.
Eine andere grosse Entdeckung ist die herrlich skurrile Coming-of-Age-Komödie «Sweetheart», die das rbb Fernsehen am 25. Juli um 22.45 Uhr sendet. Regisseurin Marley Morrison erzählt darin von der introvertierten 17-Jährigen AJ, die eine ganze Woche mit ihrer nervigen Familie in einer Ferienanlage an der Küste von Dorset verbringen muss. Es ist der blanke Horror – bis AJ die Rettungsschwimmerin Isla kennenlernt, die betörend nach Chlor duftet. «Sweetheart» erhielt beim Filmfestival in Glasgow den Publikumspreis, wurde für fünf British Independent Film Awards nominiert und von der Presse als einer der besten britischen Filme des Jahres gefeiert. Ein echtes Feel-Good-Movie!
Trans Identitäten
Obwohl es in den vergangenen Jahren endlich mehr trans Filme in die Kinos und auf Festivals geschafft haben, ist gerade dieser Teil des queeren Kinos noch immer unterrepräsentiert. Auch deswegen legen rbb QUEER und BR QUEER 2023 mit drei Filmen einen besonderen Fokus auf das trans Kino: In «Wild Side», den der BR am 6. Juli (23.15 Uhr) zeigt, erzählt Sébastien Lifshitz («Sommer wie Winter», «Kleines Mädchen») von der trans Sexworkerin Stéphanie, die in Paris lebt. Als sie erfährt, dass ihre Mutter schwer erkrankt ist, reist sie zurück in das Dorf, das sie vor 17 Jahren verlassen hat – und holt kurz darauf ihre beiden Liebhaber nach, den algerischen Migranten Djamel und den russischen Deserteur Mikhail. Lifshitzs Film über drei Entwurzelte, die im rauen Pariser Rotlichtmilieu zueinanderfinden, aber erst in der Weite der nordfranzösischen Provinz zu einer Ersatzfamilie zusammenwachsen, gilt als Meilenstein des trans Kinos.
Vom Suchen der richtigen Geschlechtsidentität handelt der einfühlsame Coming-of-Age-Film «Einfach Charlie» der britischen Regisseurin Rebekah Fortune, der am 11. Juli um 22.45 Uhr im rbb zu sehen ist. Charlie ist 14 und spielt gerne Fussball. Plötzlich liegt das Angebot auf dem Tisch, in die Jugendabteilung eines Erstliga-Clubs aufgenommen zu werden. Doch der Teenager steht vor einer weit grösseren Herausforderung: Charlie ist ein Mädchen und kann sich mit der männlich zugewiesenen Geschlechterrolle nicht identifizieren. Der Film nimmt dabei nicht nur Charlies Perspektive ein, sondern auch die ihrer Eltern und älteren Schwester Eve. Sie müssen erst lernen, mit dem sozialen Druck umzugehen, den Charlies mutiges Coming-out in dem Arbeitermilieu auslöst, in dem die Familie lebt.
Den Abschluss von rbb QUEER am 15. August um 22.45 Uhr macht der einzige nicht-europäische Film im diesjährigen Programm der beiden Reihen: Frisch aus dem Gefängnis entlassen, muss die trans Sexworkerin Sin-Dee Rella in «Tangerine L.A.» von ihrer besten Freundin Alexandra erfahren, dass sie ihr Freund und Zuhälter mit einer Cis-Frau betrogen hat. Sin-Dee tobt und jagt mit Alexandra durch die Strassen von Hollywood, um die beiden Missetäter zur Rede zur stellen. Schwindelerregende Wortgefechte unter glutrotem Himmel – der mit Handy gedrehte Film des US-Regisseurs Sean Baker («The Florida Project») ist eine wilde und brutal ehrliche queere Screwball-Comedy mit ganz viel Herz.
Das WDR Fernsehen widmet im Rahmen der Filmreihe WDR QUEER drei Abende im August der queer-feministischen Filmemacherin Céline Sciamma. Sie beschäftigt sich in ihren Filmen mit der Erkundung weiblicher Identitäten, weiblichen Begehrens und weiblicher Lebensentwürfe.
Grösste Bekanntheit erreichte Céline Sciamma 2019 mit dem Film «Portrait einer jungen Frau in Flammen», der bei den Filmfestspielen in Cannes für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde.
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