«Unsere Arbeit ist in erster Linie eine politische»

Der lesbisch-schwule Querverlag feiert sein 25-jähriges Bestehen

Bild: Sergio Vitale
Bild: Sergio Vitale

Seit 25 Jahren arbeiten Ilona Bubeck und Jim Baker an der Akazienstrasse in Berlin. Gemeinsam haben sie in den 90er-Jahren den lesbisch-schwulen Querverlag gegründet und damit ein Zeichen gesetzt.

Ilona und Jim haben sich damals auf der Frankfurter Buchmesse kennengelernt und auf Anhieb gut verstanden. Die Verlage, bei denen sie arbeiteten, waren nur eine Ecke von einander entfernt und so haben sie sich bei den gemeinsamen Mittagessen über ihre Arbeit ausgetauscht. Beide waren aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr zufrieden mit ihren Jobs.

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«Die Idee, einen lesbisch-schwulen Verlag zu gründen, war aber in erster Linie eine politische», erklärt Jim Baker im Interview mit MANNSCHAFT. «Zu der Zeit gab es keine lesbisch-schwule Zusammenarbeit und wir wollten beweisen, dass es geht.»

Die Gründung geschah damals noch ohne Eigenkapital. «Wir waren naiv und idealistisch», erklärt Jim. Nachdem sie im Juli 1995 den positiven Entscheid zur Existenzgründung erhalten haben, mieteten sie sich in die Verlagsräume ein, in denen sie noch heute arbeiten. Am 14. August folgte der Eintrag ins Handelsregister bei der Notarin.

Seither hat sich die Gesellschaft wie auch die Buchbranche gewandelt. Queere Themen werden vermehrt öffentlich diskutiert, Deutschland erhielt die Ehe für alle. «In den letzten fünf Jahren bemerken wir einen Anstieg der Nachfrage von politischen Sachbuchtiteln», beobachtet Jim. Mit der politischen Situation in Polen, Russland und Ungarn sei das Bewusstsein gewachsen, dass die Rechte, die wir haben, nicht selbstverständlich sind (eine russische LGBTIQ-Aktivistin wurde kürzlich wegen «Homo-Propaganda» verurteilt – MANNSCHAFT berichtete). Jim spricht von einer «Repolitisierung junger queerer Menschen».

Weniger Last, mehr Tage wie diese

Gleichzeitig gebe es in Deutschland heute viel weniger Buchläden die bereit sind, Bücher jenseits des Mainstreams einzukaufen. Läden, die explizit Schwule, Lesben oder Frauen ansprechen sollen, können heutzutage an zwei Händen abgelesen werden. Zudem sei die Konkurrenz gewachsen. LGBTIQ finden mittlerweile Identifikationsfiguren in Comic, Film und Serie. «Der Stellenwert des Buches als identitätsschaffend ist dadurch weniger hoch», meint Jim.

Mit dem Querverlag haben Ilona und Jim nie das grosse Geld verdient. In den ersten fünf Jahren haben sie sich keinen Lohn ausgezahlt und anderswo verdient. So etwas durchzuziehen gehe nur mit einer gehörigen Portion Idealismus und Selbstausbeutung, sagt Jim. Tatsächlich war Geld verdienen immer die grösste Herausforderung. Bei der Programmgestaltung mussten sie stets den Spagat zwischen Kommerz und eigenem Anspruch schaffen.

Ein Nischenverlag zu sein, habe aber auch grosse Vorteile. So haben die beiden einen direkten Draht zu den Leser*innen, die sie ansprechen wollen. «Natürlich freut es uns, wenn auch heterosexuelle cis Menschen unsere Titel lesen», sagt Jim. Zielgruppe sind aber nach wie vor Homosexuelle und trans Menschen.

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Auf der Website vom Querverlag bedanken sich Ilona und Jim bei den neugierigen Leser*innen, treuen Autor*innen und den kritischen Medienmenschen für die Unterstützung in den letzten 25 Jahren. «In einer Zeit, in der neue Herausforderungen – politisch, gesellschaftlich und ökonomisch – auf uns zukommen, ist es wichtiger denn je, sich zu positionieren, sich einzumischen und Mut zur Vielfalt zu zeigen.»

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